Ein Bild aus einer Unterkunft für Asylbewerber in Fürstenfeldbruck im Jahr 2018. Welche Konzepte haben die Parteien heute zum Thema Migration?
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Ein Bild aus einer Unterkunft für Asylbewerber in Fürstenfeldbruck im Jahr 2018. Welche Konzepte haben die Parteien heute zum Thema Migration?

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Migration: Das wollen die Parteien nach der Wahl umsetzen

Für die Menschen im Freistaat ist Zuwanderung laut Umfragen aktuell das wichtigste Problem. Aber welche Konzepte und Lösungen bietet die bayerische Politik ihren Bürgern zur Landtagswahl an? Teil 1 der BR24-Serie über die Vorhaben der Parteien.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Was die Parteien am 8. Oktober wollen, ist klar: möglichst viele Stimmen von Wählerinnen und Wählern. Aber was wollen CSU, Grüne, Freie Wähler, AfD, SPD und FDP nach der Landtagswahl umsetzen? Was sind ihre Konzepte, Ideen und Forderungen für Bayern?

Aus dem aktuellen BayernTrend ergeben sich die fünf wichtigsten Probleme im Freistaat: Zuwanderung, Energiepolitik, Umwelt und Klima, Bildung und Schule, Wirtschaft.

Zu diesen Themen hat BR24 die Wahlprogramme der sechs im Landtag vertretenen Parteien durchgeschaut und stellt deren zentrale Lösungsvorschläge in einer fünfteiligen Serie vor. Los geht es mit dem laut Befragten drängendsten Problem: Migration und Flucht.

CSU: Mehr Geld vom Bund für Kommunen

Die CSU sieht Bayern bei der Integration als Vorreiter, der in Arbeit integriere und "nicht in die Sozialsysteme". Bei der Unterstützung der Kommunen sehen die Christsozialen in erster Linie den Bund in der Verantwortung: "Neben einer wirksamen Begrenzung der illegalen Zuwanderung braucht es dauerhaft gesichert mehr Geld und Unterstützung." Außerdem müsse die Bundesregierung mehr für eine "schnellere und umfassendere Abschiebung krimineller Ausländer" tun. Weitere Forderungen der CSU sind schnellere Asylverfahren, beschleunigte Rückführungen, mehr sogenannte sichere Herkunftsstaaten sowie Asyl-Entscheidungszentren an der EU-Außengrenze.

Einen schnelleren Erhalt der deutschen Staatsbürgerschaft lehnt die CSU ab, der "Doppelpass" müsse die Ausnahme bleiben. Zwei weitere Forderungen stehen zwar so nicht im Wahlprogramm, Ministerpräsident Markus Söder hatte sie zuletzt aber immer wieder geäußert: 1.500 Beamte für die bayerische Grenzpolizei bis 2028 sowie eine "Integrationsobergrenze" von 200.000 Menschen pro Jahr für ganz Deutschland. Gleichzeitig will die CSU die Arbeitsmigration für qualifizierte Fachkräfte verbessern. Laut Programm soll künftig gelten: "Wer Arbeit hat oder eine Ausbildung macht, soll bleiben können."

Grüne: "Welcome-Center" für Arbeitsmigranten

Die Grünen stellen den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Vielfalt der Menschen in Bayern in den Vordergrund: Eine gelingende Integration sei fundamental für eine gemeinsame Zukunft. Deshalb wollen die Grünen kommunale Integrationszentren einrichten, die Kommunen für die Versorgung von Geflüchteten finanziell unterstützen und für die Unterbringung landeseigene Immobilien zur Verfügung stellen. Die sogenannten Ankerzentren sollen in reguläre Erstaufnahmeeinrichtungen umgewandelt werden. Weiter schreiben die Grünen: "Asylverfahren werden wir rechtssicher, schnell, fair und transparent gestalten."

Zwangsweise Abschiebungen in Kriegs- und Krisenländer werde es mit den Grünen nicht geben: "Wir nutzen die Ermessensspielräume im Interesse der Betroffenen." So sollen insbesondere Frauen nicht in Länder abschoben werden, wo ihnen "geschlechtsspezifische Gewalt" drohe, wie Iran oder Afghanistan. Für Arbeitsmigration wollen die Grünen "Welcome-Center" einrichten, die Unternehmen bei der Suche nach geeigneten internationalen Fachkräften unterstützen. Zuwanderung und Integration in den Arbeitsmarkt soll vereinfacht, Arbeitsverbote abgeschafft und die Anerkennung von Abschlüssen im Ausland verbessert werden.

Freie Wähler: Gezielte Wirtschaftspolitik in den Herkunftsländern

Die Freien Wähler legen besonderen Wert auf eine Balance zwischen Humanität und Integrationsfähigkeit bei der Zuwanderung. In ihrem Wahlprogramm plädieren sie dafür, die Fluchtursachen mit gezielter Wirtschaftspolitik in den Herkunftsländern zu bekämpfen. In Krisengebieten sollen betroffene Nachbarländer "bei der wohnortnahen Aufnahme von Flüchtenden" unterstützt werden. Gleichzeitig fordern die Freien Wähler einen Ausbau der Rückkehrabkommen und stärkeren Druck auf "unwillige Herkunftsländer". Für Asylbewerber soll das Prinzip gelten: "Sachleistungen vor Geldleistungen".

Um dem Fachkräftemangel in Bayern zu begegnen, plädieren die Freien Wähler für ein Einwanderungsgesetz nach kanadischem Vorbild: Das würde ein Punktesystem bedeuten, je nach Qualifikation und Berufserfahrung. Die Freien Wähler wollen den Familiennachzug für Asylbewerber begrenzen, gleichzeitig lehnen sie - ebenso wie CSU und Grüne - Abschiebungen während der Ausbildungszeit ab. Auch sie wollen eine schnellere Anerkennung von Bildungsabschlüssen und fordern insgesamt einen beschleunigten Zugang zum Arbeitsmarkt. Wer sich um Integration bemühe, soll eine Bleibeperspektive bekommen.

AfD: Kriegsflüchtlinge nur unter Bedingungen in Europa aufnehmen

Laut AfD hat die "unkontrollierte Masseneinwanderung der letzten Jahre" in Bayern zu Problemen geführt, die "langfristig kaum beherrschbar" sind. Sie fordert Maßnahmen gegen illegale Einwanderung sowie den Schutz der hiesigen Werteordnung vor einer "fortschreitenden Islamisierung". Ausreisepflichtige Personen sollen binnen maximal sechs Monaten abgeschoben werden: "Das Ziel muss eine bayerische Abschiebequote von 100 Prozent aller nicht aufenthaltsberechtigten Personen sein." Die Praxis des Kirchenasyls soll in den Augen der AfD sofort beendet werden. Die Partei will Kriegsflüchtlinge nur dann in Europa aufnehmen, "wenn keine Versorgung in der Nähe der Konfliktregion möglich ist" – und dann auch nur aus "aktuell umkämpften Gebieten" und "nur für die Dauer der Kampfhandlungen".

Im Gegensatz zu den anderen Parteien setzt sich die AfD bei Arbeitsmigration dafür ein, Hochqualifizierte in der Regel nur "zeitlich befristet" ins Land lassen und das nur "in jedem Fall numerisch strikt begrenzt". Außerdem will sie bei der Staatsbürgerschaft zurück zum Abstammungsprinzip. Das heißt: "Die Staatsangehörigkeit wird im Regelfall von den Eltern übernommen." Eine Einbürgerung "muss vorrangig deutschen Interessen dienen", schreibt die AfD im Wahlprogramm.

SPD: Wahlrecht "ab dem dritten Aufenthaltsjahr" auch ohne deutschen Pass

Die SPD setzt sich für eine stärkere Repräsentanz von Migranten in politischen Ämtern, staatlichen Behörden und Führungspositionen von Betrieben ein. Aus Sicht der Sozialdemokraten kann Integration nur durch echte Teilhabe an der Gesellschaft gelingen. Menschen ohne deutschen Pass sollen "ab dem dritten Aufenthaltsjahr" ein Wahlrecht für Kommunal- und Landtagswahlen erhalten. Die SPD "unterstützt und begrüßt" die Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft.

Auch sie will, dass Zuwanderer "schneller eine Arbeitserlaubnis erhalten und ihre Abschlüsse einfacher anerkannt werden". Dafür verlangt die SPD eine klare Verwaltungsanweisung, um "das aktuell unterschiedliche regionale Vorgehen zu beenden". Ausländerbehörden sollen nicht mehr dem "Grundsatz der Abschottung verpflichtet sein", sondern zu "Willkommensbehörden" umgestaltet werden. Ähnlich wie die Grünen will die SPD die "Ankerzentren" abschaffen. Die Sozialdemokraten setzen sich für ein "Landesaufnahmeprogramm" für schutzbedürftige Geflüchtete ein. Außerdem steht im Wahlprogramm: "Wir werden keine Menschen - auch keine straffälligen Menschen - aus Bayern in Kriegs- oder Krisengebiete abschieben."

FDP: Gezielte Anwerbungsprogramme für Fachkräfte

Die Liberalen stellen die rechtsstaatlichen Grundsätze in den Vordergrund und fordern, dass "alle Abschiebungen nach Recht und Gesetz erfolgen". Asylbewerber dürften demnach nicht unter der Vorspiegelung falscher Tatsachen in Behörden einbestellt werden, um dann in Abschiebehaft zu kommen. "Das entsprecht nicht dem Bild eines Rechtsstaats", heißt es im Programm der FDP. Sie fordert aber auch, dass Rückführungen von Menschen ohne Bleiberecht "konsequenter als bisher durchgesetzt werden", insbesondere bei straffällig gewordenen Personen.

Auf der anderen Seite will die FDP "besondere Integrationsleistungen" würdigen und solchen Asylsuchenden und Geduldeten ein Bleiberecht ermöglichen. Wörtlich heißt es: "Die Praxis, in der hart arbeitende, gut integrierte Geflüchtete abgeschoben werden, muss in Bayern ein Ende haben." Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, setzt sich die Partei für eine "verstärkte Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften" aus dem Ausland ein. Dafür will die FDP "gezielte Anwerbungsprogramme" initiieren. Es brauche ausreichend Deutschkurse sowie ein schnelleres und digitalisiertes Visumverfahren. Ziel müsse es sein, ein Visum binnen vier Wochen auszustellen.

💬 Mitdiskutieren lohnt sich: Die folgende Passage hat die Redaktion aufgrund eines Kommentars des Users "tkl" zu Zuständigkeiten der Länder im Rahmen des BR24 Projekts "Dein Argument" ergänzt.

Einige der Partei-Forderungen betreffen nicht die Landesebene, sondern müssen beim Thema Migration auf Bundes- oder sogar EU-Ebene umgesetzt werden. So werden die Länder beispielsweise beim Staatsangehörigkeitsrecht nicht selbst gesetzgeberisch tätig, sie können nur appellieren und fordern. Aber sie sind laut Asylgesetz für die Unterbringung von Asylbewerbern zuständig und schaffen Erstaufnahmeeinrichtungen. Die anschließende Versorgung ist an die Kommunen delegiert - sie gestalten die Unterbringung vor Ort, nachdem die Asylbewerber verteilt wurden. Wird wiederum ein Asylantrag abgelehnt (um die Abwicklung der Verfahren kümmert sich der Bund), sind die Länder für die Abschiebung zuständig. 💬

Dieser Artikel ist erstmals am 27. September 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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