Innere Sicherheit steht bei bayerischen Regierungen traditionell recht weit oben auf der Agenda.
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Innere Sicherheit steht bei bayerischen Regierungen traditionell recht weit oben auf der Agenda.

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Sicherheit in Bayern: Die Versprechen der Koalition

Mehr Stellen für Polizei und Justiz, mehr Kompetenzen für die Ermittler, dafür weniger Überstunden - CSU und Freie Wähler haben viele Vorhaben umgesetzt, ein Ziel wurde jedoch klar verfehlt. Teil 1 der BR24-Serie über die Bilanz der Staatsregierung.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Nach fünf Jahren Regierung von CSU und Freien Wählern ist es Zeit für eine Bilanz: Welche Punkte auf der To-Do-Liste wurden abgehakt, welche bleiben offen?

BR24 hat den Koalitionsvertrag nach konkreten, gut messbaren Vorhaben durchsucht und sowohl gehaltene als auch nicht gehaltene Versprechen herausgearbeitet. Dazu sei gesagt, dass diese Legislatur auch von unvorhersehbaren Krisen wie Corona und Krieg geprägt war - für manches Versprechen haben sich die Vorzeichen also geändert. Herausgekommen ist eine fünfteilige BR24-Serie, deren Folgen jeweils ein Themenfeld beleuchten. Los geht's mit einem traditionellen Schwerpunkt bayerischer Landespolitik, der inneren Sicherheit im Freistaat.

Versprechen 1: Mehr Polizistinnen und Polizisten

Im Koalitionsvertrag haben CSU und Freie Wähler vereinbart: "Wir werden bis 2023 pro Jahr 500 weitere Stellen schaffen und den Personalstand bis dahin auf 45.000 Polizistinnen und Polizisten erhöhen." Dieses Versprechen wurde gehalten. Nach Angaben des Innenministeriums erhält die Polizei seit 2017 die jährlich zugesagten neuen Stellen. "Die Bayerische Polizei erreicht dadurch im Jahr 2023 mit 45.047 Stellen für alle Beschäftigten (Polizeivollzugsbeamte, Verwaltungsbeamte sowie Arbeitnehmer) eine neue Höchstmarke", schreibt das Ministerium.

Nur wenige Absätze später hieß es im Vertrag: "Wir bauen unsere Bayerische Grenzpolizei weiter auf insgesamt 1.000 Stellen aus." Bei der Untereinheit der Landespolizei hat die Koalition ihr Ziel knapp verfehlt. Aktuell sind laut Ministerium rund 820 Grenzpolizistinnen und -polizisten im Einsatz, in diesem Monat sollen 50 weitere folgen. Die Zielmarke von 1.000 Stellen bleibt aber bestehen, sie soll nun bis 2025 erreicht werden.

Versprechen 2: Überstundenabbau bei der Polizei

Im November 2018 verzeichnete die Polizei im Freistaat mehr als 2,1 Millionen Überstunden. "Unser Ziel ist es, dass jährlich mindestens 10 Prozent der angefallenen Überstunden abgebaut werden können", hieß es dazu im Koalitionsvertrag. Anstatt diesen Stand aber sukzessive zu senken, liegt er laut aktuellsten Zahlen (November 2022) bei mehr als 3,2 Millionen Überstunden - eine Steigerung um mehr als 50 Prozent im Vergleich zu 2018. Im Schnitt haben Bayerns Polizistinnen und Polizisten derzeit 98 Überstunden pro Kopf angehäuft (2018: 67).

Die Entwicklung ist nicht linear, zwischenzeitlich war der gesamte Überstundenstand tatsächlich leicht gesunken. Doch gerade von 2021 auf 2022 stieg er um mehr als 35 Prozent. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) führte das in einer Pressemitteilung im Februar insbesondere auf den G7-Gipfel in Elmau im vergangenen Jahr zurück. Bereits beim G7-Gipfel in Bayern 2015 habe es ein Überstundenplus von 33 Prozent gegeben. Weitere Gründe für den Anstieg sind laut Herrmann: Personalausfälle im Zuge der Corona-Pandemie, viele Versammlungen zu Klimakrise und Krieg sowie die hohe Zahl ukrainischer Geflüchteter im Frühjahr 2022, bei deren Registrierung die Polizei geholfen habe.

Versprechen 3: Zusätzliche Stellen für die Justiz

CSU und FW hatten zwar keine konkrete Zahl genannt, sich aber vorgenommen, Bayerns Gerichte personell besser auszustatten: "Wir schaffen zusätzliche Stellen für Richter, Staatsanwälte, Rechtspfleger und unterstützendes Personal", steht dazu im Koalitionsvertrags. Dieses Versprechen hat die Staatsregierung erfüllt: Zwischen 2019 und 2022 sind laut Justizministerium 144 Stellen für Richter und Staatsanwälte geschaffen worden. Hinzu kommen im selben Zeitraum 128 neue Stellen in anderen Bereichen der Gerichte und Staatsanwaltschaften. Außerdem teilt das Ministerium mit: "Im Haushalt 2023 kommen weitere 150 neue Stellen für die bayerische Justiz, einschließlich des Justizvollzugs, hinzu." Von diesen Stellen seien 50 für die Staatsanwaltschaften vorgesehen.

Versprechen 4: Digitalisierung der Justiz

Nicht nur personell, auch technisch sollte die Justiz besser ausgestattet werden: "Wir sorgen für eine moderne Ausstattung der Gerichte und Staatsanwaltschaften auf allen Ebenen – gerade auch im Hinblick auf die Digitalisierung. Dazu schaffen wir die technischen und infrastrukturellen Voraussetzungen, insbesondere für den elektronischen Rechtsverkehr und die E-Akte." Auch in diesem Bereich gibt es deutliche Fortschritte. Der elektronische Rechtsverkehr ist laut Justizministerium bei allen bayerischen Gerichten eingeführt.

Die E-Akte muss laut Bundesgesetz bis Ende 2025 flächendeckend eingeführt sein - Bayern wolle und werde das früher schaffen. Sowohl das Bayerische Oberste Landesgericht, alle Oberlandesgerichte, alle Landesgerichte (erstinstanzlich) sowie mehr als die Hälfte aller Amtsgerichte verwenden in Zivilverfahren die E-Akte laut Ministerium im Regelbetrieb. Auch Familiensachen an den Oberlandesgerichten sowie Amtsgerichten laufen mit der elektronischen Akte. Zu Strafverfahren machte das Ministerium keine Angaben.

Versprechen 5: Bayerisches Opferschutzgesetz

Die Koalition hatte sich vorgenommen, den Opferschutz im Freistaat gerade im Bereich der Entschädigungen zu verbessern: "Hierzu wollen wir ein eigenes bayerisches Opferschutzgesetz schaffen, das das Opfer besonders in den Blick nimmt." Dieses Vorhaben wurde im Laufe der Legislatur abgeräumt. Das Familienministerium verweist auf die Reform des sozialen Entschädigungsrechts auf Bundesebene aus dem Jahr 2019, das Anfang 2024 vollständig in Kraft tritt. Darin sei der Kreis an Personen, die Entschädigungen bekommen können, erweitert sowie die monatlichen Zahlungen deutlich erhöht worden. Zudem habe sich beispielsweise die Hilfe für Opfer sexualisierter Gewalt durch schnelle psychotherapeutische Interventionen verbessert. Damit seien viele Anliegen von Opferschutzverbänden wie dem Weißen Ring aufgegriffen worden. Der Bund habe seine Kompetenz voll ausgeschöpft. "Daher besteht anders als im Jahr 2018 für ein eigenes Bayerisches Opferschutzgesetz kein Ansatzpunkt mehr", schreibt das Ministerium.

Versprechen 6: Stärkung der Ermittlungsbehörden

Es ist ein etwas vages Vorhaben im Koalitionsvertrag: "Wir werden Polizei und Justiz beim Vorgehen gegen strafbare Inhalte stärken", steht da auf Seite 53. Dazu gehören zwei Stichworte: Polizeiaufgabengesetz (PAG) und Palantir-Software. Im Frühsommer 2018 hatte die CSU unter Ministerpräsident Markus Söder mit absoluter Mehrheit das PAG neu geregelt - dadurch wurden die Ermittler kurz vor den Landtagswahlen mit deutlich mehr Befugnissen ausgestattet. Die Novelle war hochumstritten und rief Demonstrationen und Verfassungsklagen hervor. Im Jahr 2021 reformierten CSU und Freie Wähler das PAG erneut und arbeiteten Vorschläge einer Expertenkommission ein, die nach der öffentlichen Debatte eingesetzt worden war. Unter anderem gelten nun schärfere Regeln bei der DNA-Analyse, außerdem kürzte die Koalition den Präventivgewahrsam auf maximal zwei Monate - zwar steht das Gesetz weiterhin in der Kritik, im Grundsatz wurden die Befugnisse der Polizei aber eher eingeschränkt.

Ausgebaut hat die Staatsregierung hingegen die Zentralstelle Cybercrime Bayern (ZCB), die bei der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg angesiedelt ist. Im vergangenen Jahr wurde die Zahl der Staatsanwälte von 18 auf 22 aufgestockt, in diesem Jahr sollen drei weitere Stellen hinzukommen. Bereits 2020 erweiterte CSU-Justizminister Georg Eisenreich die ZCB um ein "Zentrum zur Bekämpfung von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch von Kindern im Internet (ZKI)". Seither wurde die Zahl der dort beschäftigten Spezialstaatsanwälte von vier auf acht verdoppelt. Außerdem richtete Eisenreich 2022 eine Taskforce gegen Cyberangriffe auf Unternehmen bei der ZCB ein.

Um die Ermittlungsarbeit zu beschleunigen, plante die Staatsregierung mit der umstrittenen Software des US-Unternehmens Palantir: Das Programm sollte in Bayern in Form der sogenannten "Verfahrensübergreifenden Recherche und Analyse" - kurz VeRA - zum Einsatz kommen. Die Software kann bei schweren Straftaten wie Terroranschlägen oder Kinderpornografie mehrere Datenbanken der Polizei gleichzeitig durchsuchen und automatisch Querverbindungen sichtbar machen. Kritiker befürchten, dass der Einsatz der Software datenschutzrechtliche Grundsätze verletzen könnte. Zwar besteht bereits seit 2022 ein Rahmenvertrag zwischen dem bayerischen Landeskriminalamt und Palantir. Für einen finalen Einsatz müsste allerdings erst das PAG erneut geändert werden - das ist in dieser Legislaturperiode nicht mehr geschehen.

Folgende Teile zur Bilanz der Staatsregierung sind zudem bereits auf BR24 erschienen:

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