Stühle auf Tischen in einem Klassenzimmer
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Wie wollen Bayerns Parteien die Bildung im Freistaat organisieren?

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Bildungspolitik: Diese Konzepte stehen in Bayern zur Wahl

Weiter im dreigliedrigen Schulsystem oder lieber eine grundlegende Reform? Bayerns Politik hält sehr unterschiedliche Ideen parat – auch bei der Frage, wie neue Lehrkräfte gewonnen werden können. Teil 3 der BR24-Serie über die Vorhaben der Parteien.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Was die Parteien am 8. Oktober wollen, ist klar: möglichst viele Stimmen von Wählerinnen und Wählern. Aber was wollen CSU, Grüne, Freie Wähler, AfD, SPD und FDP nach der Landtagswahl umsetzen? Was sind ihre Konzepte, Ideen und Forderungen für Bayern?

Aus dem aktuellen BayernTrend ergeben sich die fünf wichtigsten Probleme im Freistaat: Zuwanderung, Energiepolitik, Umwelt und Klima, Bildung und Schule, Wirtschaft.

Zu diesen Themen hat BR24 die Wahlprogramme der sechs im Landtag vertretenen Parteien durchgeschaut und stellt deren zentrale Lösungsvorschläge in einer fünfteiligen Serie vor. In Teil drei geht es um einen Bereich, in dem der Gestaltungsspielraum der Länder besonders groß ist: das Bildungssystem.

CSU: Weiter im dreigliedrigen System

Weiter so wie bisher: Die CSU setzt auf das aus ihrer Sicht bewährte dreigliedrige Schulsystem. Das heißt: Je nach Notendurchschnitt beim Übertrittszeugnis in der vierten Klasse geht es auf der Mittelschule, der Realschule oder auf dem Gymnasium weiter mit dem Lernen. Und auch an den klassischen Schulnoten als "Leistungsbewertung" soll sich nichts ändern. Gleichzeitig will die CSU "die Durchlässigkeit des Systems weiter stärken" und lehnt "jede Einmischung des Bundes ab".

Vor der Einschulung soll es verbindliche Sprachfeststellungstests geben. Investieren wollen die Christsozialen in die Digitalisierung – bis 2028 soll jedes Schulkind ein Tablet haben. Bis dahin soll es außerdem insgesamt 8.000 neue Stellen an Bayerns Schulen geben: Neben Lehrerinnen und Lehrern auch für Verwaltungskräfte sowie Psychologinnen und Sozialpädagogen. Um den Lehrberuf attraktiver zu machen, soll bis 2027 die Einstiegsbesoldung A13 für alle gelten. Dazu steht im Wahlprogramm: "Damit verdienen unsere Lehrerinnen und Lehrer mehr als Kollegen etwa in NRW oder Hessen. Denn A13 in Bayern ist mehr als A13 anderswo." Die CSU will neue Studienmöglichkeiten für Lehramt dort schaffen, wo Lehrkräfte besonders gebraucht werden und "Lehrkräfte aus anderen Bundesländern gewinnen".

Bündnis90/Die Grünen: Notendurchschnitt für Übertritt abschaffen

Geht es nach den Grünen, wird das Schulsystem komplett reformiert: Ihnen schwebt ein "längeres gemeinsames Lernen" als nur bis zur vierten Klasse vor – mit Schulen, an denen die Schülerinnen und Schüler unterschiedliche Abschlüsse machen können. Außerdem wollen die Grünen "bindende Notendurchschnitte für den Übertritt in die weiterführende Schule" abschaffen. So soll der "Schulstress" für Grundschüler reduziert werden. Dadurch seien auch nicht mehr so viele Proben nötig, sodass den Lehrkräften mehr Zeit für Vertiefung und Förderung bleibe. Ab der 7. Klasse wollen die Grünen zwei verpflichtende Praktika, eines davon in einem Ausbildungsberuf, einführen.

An den Schulen soll es künftig "multiprofessionelle Teams" geben, um Kinder optimal zu unterstützen. In diesen Teams sollen unterschiedliche Berufsgruppen von Erziehern über Sozialpädagogen bis hin zu Psychotherapeuten arbeiten. Die Grünen gehen dabei in ihren Vorschlägen weiter als die CSU und planen schrittweise in jeder Klasse eine zweite pädagogische Fachkraft einzusetzen, beginnend an den Grund- und Mittelschulen. Um dem Lehrermangel entgegenzuwirken, soll der Beruf attraktiver gemacht werden, zum Beispiel mit höheren Gehältern für Referendare und perspektivisch auch für Fach- und Förderlehrer. Die Grünen wollen außerdem mehr Ganztagsangebote, ein digitales Endgerät für jedes Schulkind sowie ein kostenloses Mittagessen in Bioqualität.

Freie Wähler: Englisch als Pflichtfach für Ausbildungsberufe

Auch die Freien Wähler setzen sich für "multiprofessionelle Teams" und mehr Schulsozialarbeit ein. Das dreigliedrige System soll jedoch anders als bei den Grünen erhalten bleiben. Allerdings würden die Freien Wähler die Lehrpläne "kritisch überprüfen". Sinnvolle Kürzungen sollen unter anderem für "praxisnahe Unterrichtsfächer" genutzt werden: zum Beispiel "Abgabe einer Steuererklärung" oder "Ernährungsberatung". Die Wirtschaftsschule soll es schon ab der 5. Klasse geben.

Außerdem wollen die Freien Wähler die Mittelschulen stärken, um für Nachwuchs im Handwerk zu sorgen. "Dazu braucht es mehr pädagogische Unterstützung der Schüler", heißt es im Programm. Der Schulweg soll "ab dem ersten Kilometer" kostenfrei sein. Die Partei will Berufsschulen aufwerten und besser ausstatten. Es brauche eine "staatliche Imagekampagne für die duale Ausbildung". Und: "Englisch sollte in allen Ausbildungsberufen Pflichtfach werden." Bei der Lehrerausbildung setzt die Partei darauf, dass Lehrkräfte in Weiterbildungen ihre Kompetenzen bei Inklusion, Integration und Digitalisierung stärken sowie regelmäßig "durch Praktika den Bezug zur Wirtschaft erhalten". Im Lehrberuf müsse gelten: "Festanstellung statt Zeitverträge." Auch Erwachsene sollen sich fortbilden können: Die Freien Wähler fordern für sie einen gesetzlich verankerten Anspruch auf Bildungsurlaub.

AfD: Erhalt der Förderschulen und Leistungsprinzip

Die AfD plädiert für einen Erhalt des - wie sie es nennt - "viergliedrigen Schulsystems" nach der Grundschule: bestehend aus Mittelschule, Realschule, Gymnasium und Förderschule. In allen Schularten müsse das Leistungsprinzip gelten. Außerdem will die Partei die Möglichkeit schaffen, "Bildung auch außerhalb des etablierten Schulsystems zu erlangen". Weiter heißt es im Programm: "Alternative Schul- und Lernformen sollten bei Nachweis des entsprechenden Leistungsfortschritts möglich sein."

Inhaltlich sollen die Kinder vor "politischer Indoktrination und Frühsexualisierung" bewahrt werden und ein "natürliches Heimatgefühl" entwickeln. Im Zuge der Allgemeinbildung ist es für die Partei "eine Selbstverständlichkeit, dass Vertreter der Bundeswehr an Schulen über die Arbeit in unserer Armee und die Rolle des Militärs in einer Demokratie informieren". Um den Lehrberuf attraktiv zu machen, sollen Referendare und Lehrer ohne Beamtenstatus "sichere Beschäftigungsverhältnisse ohne Unterbrechungen zwischen den Schuljahren erhalten". Im Vorschulbereich will die AfD "Eltern dabei unterstützen, ihre Kinder bis zum vierten Lebensjahr zu Hause betreuen zu können".

SPD: Gemeinschaftsschulen zusätzlich zu bisherigen Schularten

Die Sozialdemokraten planen eine Art Mischform der bisher genannten Konzepte. Zusätzlich zu den bisherigen Schularten sollen Gemeinschaftsschulen eingeführt werden. Die SPD ist der Ansicht, dass ein längeres gemeinsames Lernen zu mehr Bildungsgerechtigkeit unabhängig vom Elternhaus beitragen kann. Das Übertrittszeugnis will die SPD abschaffen und durch ein verpflichtendes Lehrer-Eltern-Gespräch ersetzen. Ein weiteres Vorhaben aus dem Programm: "Damit Lehrkräfte auf jedes Kind individuell eingehen können, begrenzen wir die maximale Klassenstärke mittelfristig auf 20 Kinder pro Klasse." Bei besonderem Förderbedarf soll dieser Schlüssel weiter reduziert werden.

Reformieren will die SPD die Lehrerausbildung: Die Studierenden sollen sich im Grundstudium noch nicht auf eine Schulart festlegen und generell mehr praktische Erfahrungen sammeln. Anschließend sollen alle Lehrkräfte mit der Besoldungsklasse A13 einsteigen. Laut Programm stehen die Sozialdemokraten für "kostenfreie Bildung von der Kita bis zum Master oder Meister" ein. Digitale Endgeräte will die Partei Kindern und Jugendlichen genauso kostenfrei zur Verfügung stellen wie Frühstück und Mittagessen. Außerdem sollte jedes Kind auch über die Primarstufe hinaus Anrecht auf eine ganztägige Betreuung haben.

FDP: Rechtsanspruch auf digitales Endgerät

Digitalisierung ist für die FDP ein Kernanliegen auch bei der Bildung. Sie fordert einen Rechtsanspruch auf ein digitales Endgerät für jede Schülerin und jeden Schüler. Finanziert werden soll das über einen sogenannten "Bildungsgutschein". Dabei zahle der Freistaat pro Person und Schuljahr einen festen (im Programm aber nicht näher bezifferten) Betrag zum Schulbudget: "Diese Summe soll nicht nur die Anschaffungskosten abdecken, sondern auch die Wartung und Pflege." Am aktuellen mehrgliedrigen Schulsystem will die FDP grundsätzlich festhalten – aber auch die Durchlässigkeit zwischen den Schularten verbessern. So soll die Durchschnittsnote beim Übertritt ergänzt werden, beispielsweise durch Aufnahmeprüfungen, Probeunterricht oder persönliche Gespräche.

Im Programm steht außerdem: "Aus liberaler Sicht soll die jeweilige Wunschschule möglichst frei wählbar sein." Deswegen will die FDP "einengende Steuerungsinstrumente" wie den sogenannten "Schulsprengel" oder "Gängelungen bei der Schulwegkostenerstattung" abschaffen. Und statt des konfessionell gebundenen Religionsunterrichts und Ethik wollen die Liberalen einen gemeinsamen "Dialogunterricht zu Religions- und Weltanschauungsfragen" einführen. Lehrkräfte sollen durch verschiedene Anreize wie deutlich höhere Leistungsprämien motiviert werden. Wie fast alle anderen Parteien (nur im FW-Programm steht es nicht explizit) setzt sich auch die FDP für einen besseren und flächendeckenden Schwimmunterricht ein.

Dieser Artikel ist erstmals am 29. September 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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