Bayerns Ministerpräsident Markus Söder im BR24-Interview
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Bayerns Ministerpräsident Markus Söder im BR24-Interview

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Söder will strengere Zuwanderungspolitik – SPD und Grüne warnen

Einen "Deutschlandpakt gegen unkontrollierte Zuwanderung" fordert Ministerpräsident Söder im BR24-Interview. So will er wieder eine Obergrenze von jährlich 200.000 Migranten. Innenministerin Faeser lehnt ab, SPD und Grüne werfen ihm Panikmache vor.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder fordert "eine Wende in der Migrationspolitik" und "einen Deutschlandpakt gegen unkontrollierte Zuwanderung". Im Interview mit BR24 sagte der CSU-Chef, dass die Zahl der Asylanträge in diesem Jahr um fast 80 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen sei. Die alte Obergrenze von 200.000 Asylbewerbern habe bis zur Ampel-Regierung funktioniert. Deshalb brauche es jetzt eine grundlegende Änderung nach dem Vorbild Österreichs. Dort sei die Zahl der Asylanträge halbiert worden, erklärte Söder, der sich zuerst in der "Bild am Sonntag" entsprechend geäußert hatte.

Weil Kommunen mit Unterbringung, Kita- und Schulplätzen dem CSU-Chef zufolge überfordert sind, solle die Bundesregierung nach bayerischem Vorbild die Grenzen besser kontrollieren, kriminelle Straftäter konsequent abschieben und die Sozialstandards für Flüchtlinge senken. Dazu gehört für Söder etwa, dass abgelehnte Asylbewerber statt mit Bargeld nur noch mit Chip-Karten einkaufen dürfen. Bayern wolle das einführen, so der Ministerpräsident. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat den Forderungen eine Absage erteilt.

Berlin ist laut Söder "Schuld an weniger Abschiebungen"

Dass die Abschiebungen aus Bayern von 3.500 im Jahr 2019 auf rund 2.000 im Jahr 2022 gesunken sind, sei vor allem Schuld der Bundesregierung, meint Söder. Noch immer fehlten entsprechende Verträge mit Herkunftsländern zur Rücknahme ihrer Staatsangehörigen. Außerdem würden die Grünen die Ausweitung der Zahl der sogenannten "sicheren Herkunftsländer" blockieren, in die abgeschoben werden kann.

Dass er jetzt drei Wochen vor der Landtagswahl das Thema Migration zum Wahlkampfthema macht, begründet Söder damit, dass dieses im BR24 BayernTrend "Top-Thema-Nummer 1" gewesen sei. Und wenn bayerische Landräte – auch von den Grünen – um Hilfe bäten und sagten "macht die Grenzen dicht", dann müsse "auch eine Staatsregierung bei den Kommunen und bei den Bürgern stehen". Denn, so Söder, das Problem "auszusitzen oder zu verschweigen", führe am Ende dazu, "dass wir wahrscheinlich eine Destabilisierung unserer Demokratie bekommen".

Im Audio: Söder zur Flüchtlingspolitik der Ampel

12.09.2023, Bayern, München: Markus Söder
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Markus Söder

Innenministerin Faeser erteilt Söders Vorstoß eine Absage

Bundesinnenministerin Faeser wies die Forderung des bayerischen Ministerpräsidenten zurück. Eine dauerhafte Steuerung der Migration sei nur auf europäischer Ebene möglich, sagte Faeser in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin". Söder und CDU-Chef Friedrich Merz, der Söders Vorschlag unterstützt, erweckten den falschen Eindruck, dass "Deutschland das allein steuern könnte mit Obergrenzen".

Faeser sprach sich ihrerseits für verstärkte Maßnahmen gegen Schleuser aus. "Die Schleusungen haben unglaublich zugenommen und bringen viele Menschen in Gefahr", sagte die Ministerin. "Wir verändern jetzt das Recht, indem man auch Schleusern zum Beispiel hier den Aufenthaltstitel entziehen kann." Zudem will Faeser eine Taskforce zur wirksameren Bekämpfung der Schleuserkriminalität einrichten. Daran werde sich auch Tschechien beteiligen, mit Polen und Österreich werde noch über eine Mitarbeit diskutiert.

Grüne und SPD werfen Söder Populismus vor

Für die Spitzenkandidatin der bayerischen Grünen, Katharina Schulze, holt Söder mit seinen Argumenten "wieder die alten PR-Tricks aus der Mottenkiste". Er kopiere, was schon 2018 nicht funktioniert habe. Markus Söder hätte jetzt fünf Jahre alles dafür tun können, Zuwanderung in Bayern besser zu organisieren, sagte Schulze. Solche populistischen Sprüche würden niemand weiterhelfen. Statt auf Berlin zu zeigen, solle Bayern lieber ein 500 Millionen Euro-Soforthilfeprogramm für die Kommunen zur Unterbringung von Geflüchteten auflegen, Sprachkurse für alle anbieten und dafür sorgen, dass Geflüchtete schneller arbeiten können. Denn oft dürften diese gar nicht arbeiten.

Bayerns SPD-Chef Florian von Brunn erklärt, Söder sei "massiv unter Druck wegen Aiwanger und der AfD". Aus Panik versuche er, sie zu übertrumpfen. Statt den Brand zu löschen, gieße er damit aber Benzin ins Feuer, so von Brunn. Die SPD arbeite mit kühlem Kopf an Lösungen. Bundesinnenministerin Faeser habe in Europa eine gerechte Verteilung von Geflüchteten durchgesetzt. Asylverfahren würden beschleunigt und Städten und Gemeinden würde mit viel Geld geholfen. Das sei "deutlich mehr als CSU-Innenminister gemacht und erreicht" hätten, findet er.

SPD-Chef Lars Klingbeil sagte, Söder habe "wieder zur großen Keule ausgeholt" und mache Politik auf dem Rücken von Migrantinnen und Migranten. Es sei ein Politikmodell von Söder, dem Bund immer Ratschläge zu erteilen, "aber selbst anpacken wäre ja auch nicht falsch".

Gemischte Reaktionen aus der CDU

Söders Forderungen stoßen teilweise auch in der Schwesterpartei CDU auf Kritik. Der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke sagte der "Augsburger Allgemeinen": "Die Forderung nach einer Obergrenze hat CDU und CSU schon einmal an den Abgrund geführt." Anstatt alte Forderungen neu aufzutischen, sollte man besser Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) unter Druck setzen, den EU-Migrationsdeal unter Dach und Fach zu bringen. Der Streit um eine Obergrenze bei der Zuwanderung hatte die Unionsparteien im Sommer 2017 monatelang gelähmt.

Unterstützung erhielt Söder dagegen vom Parlamentarischen Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, dem baden-württembergischen Bundestagsabgeordneten Thorsten Frei (CDU). "Natürlich wäre es ein richtiges Signal, abgelehnten Asylbewerbern Sachleistungen statt Bargeld zu gewähren", sagte Frei der "Augsburger Allgemeinen".

Bayerns FDP-Spitzenkandidat sieht wie Söder Handlungsbedarf

Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP im Bundestag, Stephan Thomae, hat Söders Vorstoß zurückgewiesen. "Angesichts des Arbeits- und Fachkräftemangels sollten Asylsuchende auf den regulären Arbeitsmarkt gebracht werden", sagte Thomae dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Eine Verpflichtung zur gemeinnützigen Arbeit hat den Nachteil, dass die Kommunen dann mit billigen Arbeitskräften in Konkurrenz zu privaten Dienstleistern treten." Ziel müsse vielmehr sein, Zuwanderer schnellstmöglich in den Arbeitsmarkt zu integrieren, damit sie ihren Lebensunterhalt selbst verdienen.

Bayerns FDP-Spitzenkandidat Martin Hagen stimmt Söder dagegen in vielen Punkten zu. Er forderte "dringend Maßnahmen, die die Zahl der Flüchtlinge reduzieren: Das heißt ein wirksamer Schutz der EU-Außengrenzen, schnellere Asylverfahren und konsequente Rückführungen von Menschen ohne Bleibeperspektive".

Außerdem kritisierte auch Hagen den grünen Ampel-Koalitionspartner in Berlin, und forderte, die nordafrikanischen Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären und Geldleistungen für Asylbewerber auf Sachleistung umzustellen. Damit würden "Anreize zur Migration nach Deutschland – sogenannte Pull-Faktoren" verringert.

204.000 Asyl-Erstanträge von Januar bis August

In Deutschland sind von Januar bis August mehr als 204.000 Erstanträge auf Asyl gestellt worden. Das sind rund 77 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres, wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf seiner Internetseite mitteilt. Die meisten Asylanträge kamen demnach von Syrern, gefolgt von Afghanen und Türken.

Im Video: Söder spricht sich für Begrenzung von Flüchtlingszahlen aus

Söder im BamS-Interview
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Söder im BamS-Interview

In Deutschland lebten laut einer aktuellen Auswertung von Daten der Bundesregierung durch die Links-Fraktion Ende Juni insgesamt knapp 3,3 Millionen registrierte Asylbewerber und Geflüchtete mit unterschiedlichem Aufenthaltsstatus, davon etwa eine Million Menschen aus der Ukraine. Die Gesamtzahl lag demnach um 111.000 höher als nach der letzten Abfrage beim Bundesinnenministerium zum Ende des vergangenen Jahres. Mitgezählt wurden auch sogenannte Geduldete, die zwar ausreisepflichtig sind, aber aus verschiedenen Gründen vorerst nicht abgeschoben werden können.

Mit Informationen von dpa.

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