Die Vertreter der im Landtag vertretenen Parteien vor der ersten TV-Debatte im Bayerischen Rundfunk
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Die Vertreter der im Landtag vertretenen Parteien vor der ersten TV-Debatte im Bayerischen Rundfunk

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#Faktenfuchs: Der BR24-Wahl-Talk im Faktencheck

In der ersten Fernsehdebatte vor der Landtagswahl im Oktober stellten die Kandidaten zahlreiche Behauptungen auf. Der #Faktenfuchs hat sie geprüft - und liefert hier die Fakten zu Thesen rund um Klima, Migration und Wirtschaft.

Über dieses Thema berichtet: BR-Wahlarena am .

Preclaimer: Wir haben die Behauptungen - wie bei allen Themen, die wir überprüfen - nach drei Kriterien ausgewählt: Verbreitung, Relevanz und Überprüfbarkeit. Es spielt keine Rolle für die Veröffentlichung, ob die Behauptung richtig oder falsch ist oder wer die Behauptung geäußert hat.

Themenbereich Wirtschaft: Viele Zahlen und ein Gesetz

Die Behauptung:

Joachim Herrmann, CSU: “Die Fakten sind zunächst einmal, dass auch in dieser Krisensituation nach wie vor Bayern noch die niedrigste Arbeitslosenquote aller Bundesländer hat und wir immer noch im Wirtschaftswachstum stärker sind als andere Länder.”

Richtig oder falsch?

Die Arbeitslosenquote, die Hermann nennt, ist richtig. Auch seine Aussage zum Wirtschaftswachstum stützt sich auf korrekte Zahlen - er lässt aber auch Kontext weg.

Die Fakten:

Es stimmt, dass Bayern im Vergleich aller Bundesländer die niedrigste Arbeitslosenquote hat. Im August 2023 lag sie laut Zahlen der Bundesagentur für Arbeit bei 3,5 Prozent. In Baden-Württemberg lag sie bei 4,1 Prozent, in NRW bei 7,4 Prozent und am höchsten in Bremen mit elf Prozent. Die bundesweite Arbeitslosenquote lag im August 2023 bei 5,8 Prozent.

Herrmann spricht auch das bayerische Wirtschaftswachstum an, das sich in der Veränderungsrate des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts (BIP) widerspiegelt.

Bayerns BIP lag 2022 bei 2,1 Prozent Veränderungsrate gegenüber dem Vorjahr. Laut Herrmann ist Bayern beim Wirtschaftswachstum stärker als andere Länder. Das stimmt insofern, als das BIP im Jahr 2022 in neun Bundesländern niedriger war als in Bayern.

Allerdings: In den restlichen sechs Bundesländern lag das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt höher als in Bayern - teils deutlich. In Bremen lag das BIP 2022 bei 5,1 Prozent. Bundesweit hat Deutschland ein Wirtschaftswachstum von 1,8 Prozent.

Die Behauptung:

Der AfD-Spitzenkandidat Martin Böhm soll die Frage beantworten, ob seine Partei eine “Reichenpartei” sei. Der SPD-Spitzenkandidat Florian von Brunn ruft: “Sie wollen den Mindestlohn abschaffen. Das ist doch Ihre Programmatik, zum Beispiel.”

Richtig oder falsch?

Es ist falsch, dass die AfD derzeit den gesetzlichen Mindestlohn abschaffen will. Eine derartige Forderung steht weder in ihrem Grundsatzprogramm, noch geht es aus Äußerungen von AfD-Abgeordneten in Bundestagsdebatten oder aus AfD-Anträgen im Bundestag hervor. Bevor das Grundsatzprogramm 2016 beschlossen wurde, hatten sich jedoch AfD-Politiker gegen den Mindestlohn positioniert.

Die Fakten:

In ihrem Grundsatzprogramm formuliert die AfD einen Absatz mit der Überschrift: "Mindestlohn beibehalten". Darin heißt es: "Insbesondere erlaubt der Mindestlohn eine Existenz jenseits der Armutsgrenze und die Finanzierung einer, wenn auch bescheidenen, Altersversorgung, die ansonsten im Wege staatlicher Unterstützung von der Gesellschaft zu tragen wäre. (...) Die Alternative für Deutschland befürwortet es daher, den gesetzlichen Mindestlohn beizubehalten." Begründet wird dies mit dem "durch die derzeitige Massenmigration zu erwartenden Lohndruck". Das Grundsatzprogramm wurde 2016 beschlossen.

Seitdem brachte die AfD-Fraktion im Bundestag immer wieder Anträge zum Mindestlohn ein, etwa im November 2022: "Mindestlohnkommission stärken – Krisenfesten Mindestlohn gewährleisten". In der Bundestagsdebatte am 10. November 2022 forderte der AfD-Abgeordnete Norbert Kleinwächter: "(...) Deswegen schlagen wir vor, dass die Mindestlohnkommission, sobald die Inflation 3 Prozent überschreitet, sich innerhalb von vier Wochen wieder trifft, um über die Mindestlohnhöhe zu beraten, natürlich unter Berücksichtigung der Tarifentwicklung, aber auch unter Berücksichtigung des Inflationsniveaus."

Im März 2023 brachte die Bundestags-Fraktion einen Antrag ein mit dem Titel: "Gesetzlicher Mindestlohn – Zulagen und Sonderzahlungen nicht anrechnen". Darin ging es um eine Änderung im Mindestlohngesetz, damit Zulagen und Sonderzahlungen nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden. Es geht in beiden Anträgen nicht um eine formale Abschaffung des gesetzlichen Mindestlohns.

Eine vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) in Auftrag gegebene Analyse des Bundestagswahlprogramms der AfD kam im Juli 2021 zu dem Schluss, in puncto Mindestlohn lasse die Partei Fragen offen, etwa, wie hoch dieser ausfallen sollte.

Welche Konzepte die verschiedenen Parteien zum Mindestlohn in ihren Bundestagswahlprogrammen notiert haben, können Sie hier nachlesen.

Es war allerdings nicht immer so, dass die AfD sich für einen gesetzlichen Mindestlohn aussprach. Vor der Verabschiedung des Grundsatzprogramms sagte etwa die damalige AfD-Vorsitzende Frauke Petry laut einer Pressemitteilung vom April 2015, der gesetzliche Mindestlohn sei ein "Jobkiller-Gesetz". (Die Pressemitteilung ist nicht mehr im Netz verfügbar, wird aber in mehreren Medien und Studien zitiert, zum Beispiel hier auf Seite 12 und hier.)

Auch andere AfD-Politiker vertraten damals diese Ansicht.

Die Behauptung:

Hubert Aiwanger (Freie Wähler): "Am Freitag soll ja jetzt dieses Heizungsgesetz quasi unverändert verabschiedet werden."

Der Kontext:

Als Reaktion auf diese Aussage widersprechen Florian von Brunn (SPD) und Katharina Schulze (Grüne): "Das stimmt nicht." Hubert Aiwanger ergänzt: "… mit dem Unterschied, dass Brennholz jetzt doch ein bisschen erlaubt ist." Schulze antwortet: "Nicht ein bisschen, es ist erlaubt."

Richtig oder falsch?

Die Aussage, das sogenannte Heizungsgesetz gehe "unverändert" in die Bundestagsabstimmung, stimmt nur in Bezug auf den Gesetzentwurf selbst. Maßgeblich für die Entscheidung ist aber die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Klimaschutz und Energie, über die der Bundestag ebenfalls abstimmt. Darin wurden Änderungen vermerkt - und auch Regelungen zur Nutzung von Holz und Pelletheizungen aufgenommen. Heizen mit Holz ist demnach erlaubt. Was eine Beschlussempfehlung ist, können Sie hier nachlesen.

Die Fakten:

Der Bundestag soll am Freitag, den 8. September 2023, über das Gebäudeenergiegesetz - das sogenannte "Heizungsgesetz" - entscheiden. Zur Abstimmung steht der Entwurf der Bundesregierung sowie die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Klimaschutz und Energie.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung lag kurz vor der Sommerpause vor und sollte damals schon nach dem Willen der Koalition verabschiedet werden. Diese Fassung wurde in der Zwischenzeit nicht mehr verändert. "Maßgeblich für die Entscheidung am Freitag ist eine Beschlussempfehlung des zuständigen Ausschusses in Kombination mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung", schreibt BR-Hauptstadtkorrespondent Mario Kubina dem #Faktenfuchs. "Die Ampelkoalition hat ihre Pläne noch dahingehend geändert, dass die geplante Umrüstung auf klimafreundliches Heizen mit der kommunalen Wärmeplanung und entsprechenden Übergangsregelungen verzahnt wurde."

In diese Beschlussempfehlung (5. Juli 2023) nahm der Ausschuss für Klimaschutz und Energie auch "Regelungen zur Nutzung von Biomasse im Neubau, von Solarthermie-Hybridheizungen, zu Holz und Pelletheizungen sowie zu Quartieren (verbundene Gebäude)" auf (Seite 3 der Beschlussempfehlung). Auf Seite 5 heißt es: "Für viele Menschen, besonders im ländlichen Raum, spielt das Heizen mit Holz oder Pellets eine wichtige Rolle. Daher soll es auch weiterhin einen Beitrag leisten und als 65 Prozent erneuerbare Energien angerechnet werden."

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Auch über das Thema Staatsangehörigkeit wurde in "Wahl - Der Talk" diskutiert.

Themenbereich Migration: Beschäftigungsquoten und Staatsangehörigkeitsrecht

Die Behauptung:

Martin Böhm, AfD: "Fakt ist, in anderen europäischen Ländern sind eben 70 Prozent der Geflohenen aus der Ukraine in Lohn und Brot, bei uns bloß 30 Prozent."

Richtig oder falsch?

Teilweise richtig. Die Erwerbsquote ukrainischer Geflüchteter in Deutschland liegt bei etwa 19 Prozent. Andere Länder haben in der Tat höhere Erwerbsquoten bei geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainern. Experten sehen einen Vergleich allerdings kritisch, zum Beispiel weil sich die Definition von Erwerbstätigkeit unterscheidet.

Die Fakten:

Bei der Bundesagentur für Arbeit liegen Daten mit Stand Februar 2023 vor. Sie wurden bis Juni 2023 hochgerechnet - denn die Daten aus der Beschäftigungsstatistik unterliegen einer gewissen Verzögerung. Demnach kann man näherungsweise sagen, dass 19 Prozent der erwerbsfähigen Schutzsuchenden aus der Ukraine einer Beschäftigung in Deutschland nachgehen.

Andere Länder weisen deutlich höhere Quoten auf als Deutschland: In Dänemark beispielsweise sind 75 Prozent der erwerbsfähigen Ukrainerinnen und Ukrainer in Arbeit, in den Niederlanden sind es 46 Prozent. Laut einer Analyse des UN-Flüchtlingskommissariats UNHCR waren mit Stand Juni 2023 43 Prozent der geflüchteten Ukrainer in Nachbarstaaten der Ukraine und anderen Gastländern in Europa erwerbstätig.

Allerdings: Experten sehen den Vergleich zwischen den Erwerbstätigenquoten verschiedener europäischer Länder kritisch. Laut Silvia Schwanhäuser vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) seien die Quoten auch deshalb nicht vergleichbar, weil unterschiedliche Aktivitäten als "Erwerbstätigkeit" gewertet werden. In den Niederlanden würden zum Beispiel auch Personen berücksichtigt, die auf Abruf einen Job ausüben könnten - die Personen hätten aber eigentlich aktuell noch nicht gearbeitet, schreibt Schwanhäuser in einer Mail an den #Faktenfuchs. Und: Die Integrationssysteme- und -strategien der verschiedenen Länder seien unterschiedlich. In Deutschland etwa stehe der Spracherwerb zunächst im Vordergrund, um eine nachhaltige Integration zu ermöglichen.

Die Behauptungen:

Hubert Aiwanger (Freie Wähler): “Warum beschleunigt die Ampel dann die Aushändigung des deutschen Passes? Dass auch Syrer nach fünf Jahren den deutschen Pass bekommen, wenn sie nicht integriert sind."

Dem widersprach Martin Hagen (FDP) vehement: “Nein, falsch, Lüge, Fake News. Wir verschärfen die Kriterien sogar, Herr Aiwanger.”

Richtig oder falsch?

Es ist richtig, dass auch Syrerinnen und Syrer nach der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts nach fünf Jahren die deutsche Staatsangehörigkeit bekommen können. Die Behauptung, dies sei auch möglich, wenn sie nicht integriert seien, ist falsch.

Dass nach der Reform nicht eingebürgert werden kann, wer Geld vom Staat bekommt, wird als Verschärfung des Gesetzes angesehen: "Bislang galt eine Ausnahme für all diejenigen, die die Inanspruchnahme staatlicher Leistungen 'nicht zu vertreten' haben", wie in diesem Tagesschau-Artikel anhand eines Beispiels dargelegt wird.

Die Fakten:

Die Ampel-Koalition im Bund hat am 23. August 2023 die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts auf den Weg gebracht: Das Kabinett verabschiedete den entsprechenden Gesetzentwurf. Das Bundesinnenministerium rechnet damit, dass der Entwurf im ersten Halbjahr 2024 im Parlament verabschiedet wird.

Im Kern sieht die Reform vor, dass Zugewanderte ihre bisherige Staatsbürgerschaft nicht mehr aufgeben müssen - das war bislang der Fall. Die Einbürgerung soll beschleunigt werden: Statt nach acht Jahren soll eine Einbürgerung bereits nach fünf Jahren möglich sein. Bereits nach drei Jahren (statt bisher sechs) kann eingebürgert werden, wer "besondere Integrationsleistungen" vollbracht hat. Einbürgerungswillige aus der sogenannten Gastarbeiter-Generation sollen keinen Einbürgerungstest mehr absolvieren müssen.

Auf der Webseite des Bundesinnenministeriums wird außerdem dargelegt: "Wer die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben möchte, muss für sich und seine Angehörigen den Lebensunterhalt grundsätzlich selbst bestreiten können. Für einen Anspruch auf Einbürgerung dürfen keine Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB II oder XII) bezogen werden, wie etwa die Grundsicherung für Arbeitssuchende (Bürgergeld)."

Ausnahmen soll es unter bestimmten Voraussetzungen für ehemalige Gastarbeiter geben, sowie für "ausländische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die in Vollzeit erwerbstätig sind und dies innerhalb der letzten 24 Monate mindestens 20 Monate waren". Auch Eheleute einer voll erwerbstätigen Person sollen unter Voraussetzungen von der Regelung ausgenommen sein.

Die Sicherung des eigenen Lebensunterhalts war also und soll weiterhin Voraussetzung für eine Einbürgerung sein. Wer Geld vom Staat bekommt, soll in der Regel nicht eingebürgert werden. An dieser Stelle würde das Staatsangehörigkeitsrecht strenger werden als bisher, wenn es der Bundestag so beschließt.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung hält in Bezug auf die Einbürgerung von syrischen Staatsangehörigen, die infolge des Bürgerkriegs nach Deutschland gekommen seien, fest: "Bei ihnen besteht, das lässt sich aus den Einbürgerungsstatistiken der Jahre 2021/2022 entnehmen, eine sehr große Einbürgerungsbereitschaft, die auch dazu geführt hat, dass in großer Zahl besondere Integrationsleistungen erbracht wurden."

Das Statistische Bundesamt nennt in seinen Pressemitteilungen vom Juni 2022 und Mai 2023 als Voraussetzung für die Einbürgerung "unter anderem ausreichende Sprachkenntnisse" sowie einen gesicherten Lebensunterhalt.

Laut Statistischem Bundesamt machten im Jahr 2022 Syrerinnen und Syrer mit einem Anteil von 29 Prozent die größte Gruppe der Eingebürgerten aus. "Insgesamt wurden 48.300 syrische Staatsangehörige eingebürgert."

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Frühkindliche Bildung, Kita-Plätze, Ganztagsschulen - Themen im Wahlkampf.

Themenbereich Bildung: Immer wieder in der Diskussion

Die Behauptung:

Martin Hagen, FDP: “Es würde Eltern in Bayern helfen, wenn wir hier nicht diesen akuten Kitaplätzemangel hätten. Es würde Eltern und Familien in Bayern helfen, wenn wir nicht in Bayern mit die geringste Quote an Fachpersonal in den Kitas hätten. Es würde den Menschen in Bayern helfen, wenn wir hier nicht die geringste Quote von Ganztagsschulplätzen hätten.”

Richtig oder falsch?

Hagen stellt in diesem Zitat drei Behauptungen auf - und er liegt bei allen drei richtig. Bei der Fachpersonal-Quote hätte er sich "mit" sogar sparen können. Bayern weist auch hier die geringste Quote auf.

Die Fakten:

Akuter Kitaplatzmangel: Hier liegt Martin Hagen richtig. Das hat zuletzt das Bundesfamilienministerium in einer Untersuchung von 2022 bestätigt. Darin werden (auf Seite 20) der Betreuungsbedarf der Eltern und die Betreuungsquote von Kindern unter drei Jahren nach Ländern aufgeschlüsselt. In Bayern lag die Betreuungsquote in dieser Altersgruppe 2022 bei 30,5 Prozent. Demgegenüber hatten 42,4 Prozent der Eltern von Kleinkindern unter drei Jahren einen Betreuungsbedarf angegeben. Zwischen Angebot und Nachfrage besteht also eine Lücke von knapp zwölf Prozentpunkten. 2021 betrug diese Lücke laut derselben Studie noch 10,2 Prozentpunkt. Die Lücke ist also größer geworden.

Bei der Betreuung der Über-Dreijährigen liegt die Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage 2022 bei sechs Prozentpunkten. Im selben Jahr lag die Betreuungsquote der Über-Dreijährigen bei 91,7 Prozent (Quelle: Bundesamt für Statistik), der Betreuungsbedarf hingegen bei 97,7 Prozent. Aber: 2021 waren es noch knapp drei Prozentpunkte. Auch hier ist die Lücke also größer geworden.

Quote Kita-Fachpersonal: Auch hier liegt Hagen grundsätzlich richtig. Bayern hatte 2021 im Bundesländervergleich nicht nur "mit den geringsten Anteil", sondern sogar den geringsten Anteil an Kita-Personal mit fachlich einschlägigem Abschluss. 2021 lag dieser bei 48,3 Prozent. In Gesamtdeutschland lag die Quote dahingegen bei 67,5 Prozent. Das geht aus dem Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme der Bertelsmann Stiftung hervor.

Quote Ganztagsschulplätze: Auch hier hat Hagen recht. Im Schuljahr 20/21 hatte Bayern die geringste Quote an Schulkindern in Ganztagsgrundschulen. Sie lag im Freistaat bei 17,5 Prozent. In Gesamtdeutschland lag die Quote hingegen bei 44,1 Prozent. Auch das geht aus dem Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme der Bertelsmann Stiftung hervor.

Die Behauptung:

Hubert Aiwanger, Freie Wähler: "Also nochmal zum Thema der Kitabetreuung: Wenn Sie sagen, in Bayern sei die Betreuungsquote der Ein- bis Dreijährigen sehr niedrig: Ja, weil wir eben in Bayern noch häufig Drei-Generationen-Familien haben, wo die Omi noch sagt: Ich geb das Kind mit einem Jahr noch nicht in die Kita, sondern das bleibt noch zu Hause. Das heißt ja nicht automatisch, dass jedes Kind mit zwölf oder 13 Monaten an eine Kita gegeben würde, wenn sie eine Kita hätten. Die sagen gezielt: Das soll noch zu Hause bleiben."

Der Kontext:

Aiwanger spricht, nachdem sich bereits mehrere andere Kandidaten zum selben Thema geäußert hatten. Katharina Schulze von den Grünen hatte argumentiert, dass mehr Frauen in Bayern arbeiten könnten und würden – wenn es mehr Kitaplätze gäbe. Als Aiwanger an die Reihe kommt, antwortet er mit dem oben genannten Zitat.

Richtig oder falsch?

Die Behauptung ist überwiegend falsch. Richtig ist, dass nicht "jedes" Kind in eine Kita kommen würde, wenn es einen Platz hätte. Aber: Drei-Generationen-Haushalte machen in Bayern nur einen sehr kleinen Teil der Lebensformen aus. Und Auswertungen zeigen eindeutig, dass sich mehr Eltern einen Kitaplatz wünschen, als ihn derzeit bekommen.

Die Fakten:

Nicht ganz klar ist, wie hoch die Betreuungsquote in Bayern ist. Laut dem Statistischen Bundesamt lag sie in Bayern im Jahr 2022 bei den Unter-Dreijährigen bei 30,5 Prozent (Seite 110). Das Bayerische Sozialministerium geht hingegen von 35,6 Prozent aus. Letzteres ist auch in etwa die Zahl, die in der Diskussion immer wieder genannt wird (35 Prozent).

Gegen Aiwangers Behauptung, die Betreuungsquote würde auch mit mehr verfügbaren Plätzen nicht steigen, weil die Familien die Kinder lieber zu Hause betreuten, sprechen die Auskünfte von Eltern selbst. Laut einer Studie des Bundesfamilienministeriums gaben 2022 42,4 Prozent der Eltern von Unter-Dreijährigen an, dass sie einen Kitaplatz suchen. Je nachdem, welche Betreuungsquote man heranzieht, beträgt die Lücke also knapp sieben oder knapp zwölf Prozentpunkte.

Bei der Betreuung der Über-Dreijährigen liegt die Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage 2022 bei sechs Prozentpunkten. Im selben Jahr lag die Betreuungsquote der Über-Dreijährigen bei 91,7 Prozent (Quelle: Bundesamt für Statistik), der Betreuungsbedarf hingegen bei 97,7 Prozent. Aber: 2021 waren es noch knapp drei Prozentpunkte. Auch hier ist die Lücke also größer geworden.

Dass die niedrige Betreuungsquote - wie Aiwanger behauptet - vor allem mit dem vermeintlich hohen Anteil der Drei-Generationen-Haushalte in Bayern zusammenhängt, ist sehr unwahrscheinlich. Denn der ist in Bayern - wie überall in Deutschland - seit den 1970er-Jahren kontinuierlich gesunken. Im Jahr 2019 (dem letzten Jahr, für das Daten verfügbar sind) lebten in Bayern in nicht mehr als 0,5 Prozent aller Haushalte drei Generationen zusammen. Eine häufige Lebensform ist das also auch in Bayern nicht.

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Windkraft ist ein viel diskutiertes Thema - auch im Wahlkampf

Themenbereich Klima: Viele Behauptungen zur Windkraft und ein bisschen Klimawandel

Die Behauptung:

Martin Böhm, AfD: "Es gab schon immer Wandel und Änderung im Klima. Und der Glaube, dass wir als Bayern oder als Deutschland durch Reduzierung von CO₂-Ausstoß irgendwas am Weltklima ändern können, ja, dieser abstruse Gedanke (...)"

Richtig oder falsch?

Diese Aussage ist irreführend. Zu behaupten, dass die derzeit beobachtete Erwärmung wie frühere Phasen sei, impliziert, der Mensch sei nicht dafür verantwortlich. Das ist falsch. Warum das so ist, steht ausführlich in diesem #Faktenfuchs.

Die Fakten:

In der Erdgeschichte gab es Zeiten, in denen es sehr warm und die CO₂-Konzentration in der Atmosphäre hoch war. Experten sagen aber: Diese Ereignisse in der Vergangenheit lassen sich nicht mit den heutigen Ereignissen vergleichen - denn für die aktuelle Klimaerwärmung ist vor allem das Verbrennen fossiler Energieträger wie Kohle, Erdöl und Gas verantwortlich. Das Treibhausgas Kohlenstoffdioxid (CO₂) wird vor allem durch das Verbrennen solcher fossilen Energieträger verursacht.

Außerdem erwärmt sich die Erde deutlich schneller als in der Vergangenheit. Frühere Temperaturanstiege entwickelten sich über Jahrtausende oder Millionen von Jahren. Lebewesen hatten dadurch die Möglichkeit, sich an das Klima anzupassen. Das ist heute nicht mehr der Fall. Nun vollzieht sich der Wandel in der Spanne von Jahrzehnten.

Aus dem irreführenden Gleichsetzen verschiedener Wärmephasen wird häufig - wie hier von Böhm - geschlussfolgert, ein einzelnes Land (oder Bundesland) könne nichts tun, um den Klimawandel zu verlangsamen. Richtig ist zwar, dass Deutschland alleine den Klimawandel nicht aufhalten wird. Klimaschutz kann nur gemeinsam geschehen. Das wiederum ist aber kein Argument, um gar nichts zu tun.

Denn: Deutschland verursacht etwa zwei Prozent des jährlichen weltweiten CO₂-Ausstoßes. Das klingt nach wenig - es ist damit aber der siebtgrößte CO₂-Emittent weltweit. Zudem liegt der Pro-Kopf-Ausstoß in Deutschland mit acht Tonnen pro Person deutlich über dem weltweiten Durchschnitt von 4,7 Tonnen. Und: Betrachtet man die historischen Emissionen, hat Deutschland rund vier Prozent zur Gesamtmenge des CO₂ in der Luft beigetragen - je nach Ranking landet es damit auf Platz vier bis sechs der historischen Verursacher.

Auch rechtlich gesehen ist die Frage, ob Deutschland eine Pflicht hat, das Klima zu schützen, längst geklärt: Durch das Pariser Klimaschutzabkommen, EU-Verordnungen und seine eigenen Gesetze hat Deutschland sich auf konkrete Klimaschutz-Ziele verpflichtet.

Die Behauptung:

Martin Hagen, FDP: "Die bayerische Staatsregierung sagt, wir sind Spitzenreiter, und meint damit, Bayern hat mehr Ausbau an Photovoltaik und Windkraft als zum Beispiel Bremen und das Saarland (...) Wenn wir uns Bayern anhand der Fläche und anhand der Einwohner anschauen, dann sehen wir, dass wir insgesamt im unteren Mittelfeld sind. Was die Windkraft angeht, sind wir bei den Schlusslichtern." (Martin Hagen, FDP)

Richtig oder falsch?

Die Aussage von Martin Hagen ist größtenteils richtig. Ein #Faktenfuchs aus dem Jahr 2022 hat das bereits dargelegt: Wissenschaftler halten es für verkürzt, wenn die bayerische Staatsregierung Bayern als Spitzenreiter beim Ausbau der Erneuerbaren bezeichnet.

Denn die oft verwendeten absoluten Zahlen müssten ins Verhältnis etwa zur Fläche oder zum Stromverbrauch gesetzt werden. Dann rangiert der Freistaat im Bundesvergleich eher im Mittelfeld.

Die Fakten:

Photovoltaik: Bei den absoluten Zahlen - in Megawatt (MW) installierte Leistung - liegt Bayern aktuell zwar im Bundesländervergleich vorne. Auf die Fläche gerechnet belegt Bayern beim Netto-Zubau von Photovoltaik im ersten Halbjahr 2023 jedoch einen Mittelfeldplatz, wie eine Aufstellung der Bundesnetzagentur zeigt, die das BMWK dem #Faktenfuchs zur Verfügung stellte. Nach Einwohnern gerechnet, liegt Bayern auf Platz zwei.

"Das Bundesland Bayern steht - auf die Zahlen für Photovoltaik geschaut - in der Tat sehr gut da", schreibt eine Sprecherin des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) dem #Faktenfuchs. Dabei sei aber zu beachten, dass die erfolgte Strommenge aus Photovoltaik nur halb so viel Leistung hat wie aus Windenergie pro Megawattstunde installierter Leistung.

Windkraft: Beim Zubau von Windkraftanlagen ist Bayern am hinteren Ende des Rankings zu finden: 2023 wurden bislang vier Anlagen genehmigt, neu in Betrieb genommen wurden elf (siehe Seite 6, Grafik: Windenergie an Land - Erteilte Genehmigungen (noch nicht in Betrieb) nach Bundesland). Beim Ausbau von Windkraftanlagen an Land, der wichtig sei für die Wintermonate, ist Bayern laut BMWK gemeinsam mit Baden-Württemberg das Schlusslicht.

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Netto-Zubau der Photovoltaik nach Landesfläche beziehungsweise Einwohnern. Zeitraum: Januar bis Juli 2023

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Neuinbetriebnahmen und Genehmigungen in 2023

Die Behauptung:

Katharina Schulze, Bündnis90/ Die Grünen: "In NRW, wo schwarz/grün regiert, wurden im ersten Halbjahr 183 neue Windräder genehmigt. In Bayern, wo Sie beide koalieren, ganze vier.“

Richtig oder falsch?

Größtenteils richtig. Die Zahlen, die Schulze für Bayern nennt, stimmen. Für NRW weicht die Zahl leicht ab.

Die Fakten:

In Bayern wurden tatsächlich 2023 bislang vier Windräder genehmigt, das zeigen Zahlen der Bundesnetzagentur mit Stand Juli und des Bayerischen Wirtschaftsministeriums, die sich konkret auf das erste Halbjahr 2023 beziehen. "Genehmigt" bedeutet in diesem Fall, dass die Genehmigung erteilt wurde, das Windrad aber noch nicht in Betrieb ist. In NRW waren es im gleichen Zeitraum 203 genehmigte Windräder.

Schulze spricht vom ersten Halbjahr und 183 genehmigten Windrädern in NRW. Laut einer Pressemitteilung der Landesregierung Nordrhein-Westfalen wurden im ersten Halbjahr 2023 178 Anlagen genehmigt.

Die Behauptung:

Joachim Herrmann, CSU: “Der CO2-Ausstoß pro Kopf in Bayern ist wesentlich niedriger als im Bundesdurchschnitt.”

Richtig oder falsch?

Richtig.

Die Fakten:

In Bayern liegt der CO₂-Ausstoß pro Kopf tatsächlich niedriger als im bundesweiten Durchschnitt. Wie aus Zahlen des Landesamts für Statistik hervorgeht, die der #Faktenfuchs per Mail erhalten hat, betrug der CO₂-Ausstoß je Einwohner in Bayern im Jahr 2019 5,9 Tonnen. In Deutschland lag der CO₂-Ausstoß pro Einwohner bei 8,5 Tonnen.

Die Behauptung:

Florian von Brunn, SPD: "Wenn wir die Windkraft stärker ausgebaut hätten (...), das sind ja die günstigen, die bezahlbaren Energien."

Richtig oder falsch?

Richtig. Windkraft produziert Strom im Vergleich zu den meisten anderen Energieträgern billiger. Nur Strom aus Photovoltaik von Großanlagen ist günstiger.

Die Fakten:

Um verschiedene Technologien zur Stromgewinnung miteinander zu vergleichen, nutzt man die sogenannten Stromgestehungskosten. Sie enthalten alle Kosten für die Errichtung und den Betrieb einer Anlage und stellen diese der Summe der erzeugten Energiemenge gegenüber.

Eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme vom Juni 2021 schlüsselt diese Kosten für verschiedene Energieträger auf. Die Kilowattstunde Strom aus Braunkohlekraftwerken kostet demnach 10,38 bis 15,34 Cent. Bei Erdgas kostet die Kilowattstunde 7,79 bis 13,06 Cent.

Photovoltaik aus der Großanlage kostet laut der Berechnung 3,12 bis 5,7 Cent pro Kilowattstunde, bei Photovoltaik aus der Kleinanlage sind es 5,81 bis 11,01 Cent. Bei Offshore-Windkraft betragen die Kosten für eine Kilowattstunde zwischen 7,23 und 12,13 Cent. Die Kilowattstunde bei Windkraftanlagen an Land kostet 3,94 bis 8,29 Cent.

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