Die Parteien haben sehr unterschiedliche Vorstellungen vom Mindestlohn.
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Ein Schild in Form einer roten Hand mit der Aufschrift "Mindestlohn".

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Umstrittener Mindestlohn: Die Konzepte der Parteien

Seit sechs Jahren gibt es in Deutschland einen gesetzlichen Mindestlohn. Seitdem wird aber auch immer wieder darüber gestritten, wie hoch er sein sollte. Und auch in den Wahlprogrammen findet man recht unterschiedliche Vorschläge dazu.

Mit 8,50 Euro bekam Deutschland 2015, was viele andere Staaten schon längst hatten: eine gesetzliche festgelegte Untergrenze beim Lohn. Die müssen alle Arbeitgeber in Deutschland ihren Beschäftigten mindestens zahlen. Es wurde damals heftig diskutiert, ob es so einen Mindestlohn auch in Deutschland braucht. Die Gewerkschaften hatten ihn schon lange gefordert.

Bislang keine Entlassungen wegen Mindestlohn

Einige fürchteten jedoch, dass dadurch ihre gültigen Einkommenstarife nach unten rutschen. Die Arbeitgeber liefen Sturm gegen das Vorhaben der Regierung. Gestützt von einigen Instituten und Wirtschaftsforschern warnten sie vor Folgen am Arbeitsmarkt: Viele Betriebe könnten sich die 8,50 Euro nicht leisten und würden Mitarbeiter entlassen.

Doch das trat nicht ein. Die Gegner verwiesen darauf, dass das nur daran liege, weil der Mindestlohn im Aufschwung eingeführt wurde. Die Befürworter fühlten sich dagegen bestätigt. Der Mindestlohn führte laut Studien dazu, dass der Niedriglohnsektor leicht zurückging.

Mindestlohnkommission hat das Sagen

Alle zwei Jahre wird der Mindestlohn angepasst. Laut der im Grundgesetz verankerten Tarifautonomie muss sich der Staat aus der Lohnfindung heraushalten. Deshalb legt eine eigene Kommission aus Vertretern von Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden und der Wissenschaft einen Vorschlag auf den Tisch des Arbeitsministeriums.

Sie orientiert sich dabei vor allem an der Entwicklung der Tariflöhne, betrachtet aber auch mögliche Wirkungen auf die Wirtschaft. Seit Juli 2021 beträgt der Mindestlohn 9,60 Euro. In zwei weiteren Schritten wird er bis Mitte 2022 auf 10,45 Euro angehoben. Minijobber müssen entsprechend weniger Arbeitszeit erbringen. Im Wahlkampf wird der Ruf derer immer lauter, die zwölf Euro fordern. Das entspräche in etwa 60 Prozent des mittleren Bruttolohnes. Wer noch weniger bekommt, der gilt nach internationalen Bewertungen als Niedrigverdiener.

CDU verbindet Mindestlohn mit Minijobs

Ein Fan des Mindestlohns war die Union bisher nicht. Arbeitsminister Hubertus Heil vom Koalitionspartner SPD wollte zuletzt noch zwölf Euro in der Stunde festlegen und die Vorgaben für die Mindestlohnkommission ändern. Beides scheiterte am Widerstand der Union.

Im CDU-Wahlprogramm "für Stabilität und Erneuerung" taucht das Wort Mindestlohn nur einmal auf und zwar in Zusammenhang mit den Minijobs. Die wollen die Christdemokraten nicht nur erhalten, sondern von 450 auf 550 Euro im Monat erhöhen und "diese Grenze mit Blick auf die Entwicklung des Mindestlohnes regelmäßig überprüfen". Dabei spielen sie auf das Problem an, dass sich mit steigender Lohnuntergrenze die Arbeitszeit der Minijobber reduziert. Im Programm vor der Wahl setzt die CDU auf die Tarifpartner und die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen, die sie stärken will.

CSU betont Tarifautonomie

Die CSU erklärt auf Nachfrage, dass sie Vertrauen in die Mindestlohnkommission habe. Die Christsozialen stünden zur "Tarifautonomie und Sozialpartnerschaft" und wollen "nicht politisch in diesen Prozess eingreifen".

SPD will mindestens zwölf Euro Mindestlohn

In ihrem sogenannten Zukunftsprogramm "Aus Respekt vor Deiner Zukunft" sprechen sich die Sozialdemokraten für den gesetzlichen Mindestlohn von mindestens zwölf Euro pro Stunde aus. Damit wollen sie bei den Gewerkschaften oder Wohlfahrtsverbänden punkten, aus deren Sicht diese zwölf Euro noch zu wenig sind.

Außerdem will die SPD die Spielräume der Mindestlohnkommission für künftige Erhöhungen ausweiten. Das greift den nicht mehr umgesetzten Gesetzesvorschlag von Arbeitsminister Heil in der zu Ende gehenden Legislaturperiode auf. Eine Prognos-Studie im Auftrag des Arbeitsministeriums hatte ergeben, dass der Mindestlohn die Arbeitslosigkeit nicht erhöht, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen nicht beeinträchtigt und das gesamtwirtschaftliche Preisniveau nicht beeinflusst habe. Die SPD verweist auf die, die mit ihrem Lohn nicht über die Runden kommen und zusätzlich Hartz IV beantragen. "Wer den ganzen Tag arbeitet, muss von seiner Arbeit ohne zusätzliche Unterstützung leben können", heißt es im Zukunftsprogramm zur Wahl.

Die Grünen wollen "sofort" Mindestlohn von zwölf Euro

"Alles ist drin" versprechen Bündnis90/Die Grünen in ihrem Programm. Der Mindestlohn taucht auf Seite 103 auf, sogar in der Überschrift. "Arbeit muss gerecht bezahlt werden", meinen die Grünen und versprechen, den Mindestlohn in Regierungsverantwortung auf zwölf Euro anzuheben und zwar "sofort".

Allerdings dürfte da ein möglicher Koalitionspartner auch noch ein Wörtchen mitzureden haben. Sollten es Union oder FDP sein, dürfte es schwer werden. Die Mindestlohnkommission will die Partei reformieren und zwar so, dass die Lohnuntergrenze mindestens der Entwicklung der Tariflöhne folgt. In diesem Punkt hat sie ganz ähnliche Vorstellungen wie die SPD.

Die Linken wollen 13 Euro und mehr Kontrollen

Für die Linkspartei steht schon lange fest, wie hoch der gesetzliche Mindestlohn zurzeit ausfallen müsste. Er wird "auf 13 Euro erhöht", steht im Wahlprogramm. Und sie will künftig Zuschläge wie am Sonntag oder in Schicht nicht verrechnen.

Ein großes Problem bei der Umsetzung des Mindestlohnes spricht die Partei auch an: die Kontrollen. Die zuständige Stelle beim Zoll ist überfordert. Kontrollen finden zu wenig statt. Das bemängeln auch andere Parteien und Gewerkschaften. Die Linkspartei will die Zahl der Kontrolleure auf 15.000 verdoppeln und ein offizielles Meldeportal gegen Mindestlohnbetrug einrichten.

FDP will keinen Überbietungswettbewerb beim Mindestlohn

Sie war lange Zeit die Partei, die sich überhaupt nicht mit einem gesetzlichen Mindestlohn anfreunden konnte – gleich welcher Höhe. Nach wie vor stellt sich aber in Umfragen die deutliche Mehrheit der Deutschen hinter die gesetzliche Lohnuntergrenze. Die wollen die Liberalen in Regierungsverantwortung nicht wieder abschaffen. Die Mindestlohnkommission soll nach den jetzt gültigen Vorgaben weiterarbeiten.

Was die FDP ablehnt, ist ein politischer Überbietungswettbewerb bei der Höhe des Mindestlohnes. "Das halten wir gerade in Wahlkampfzeiten für gefährlich", so eine Sprecherin auf Nachfrage. Es gehe um eine gelungene Balance zwischen sozialen, wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Faktoren. Die Grenzen beim Minijob und den Midijobs will die Partei erhöhen und an die Entwicklung des Mindestlohnes koppeln. Da hat sie ähnliche Vorstellungen wie die Union.

AfD: "Mindestlohn schützt für Lohndruck durch Massenmigration"

Die AfD ordnet den Mindestlohn dem Wesen der Sozialen Marktwirtschaft zu, mit dem er "eng verbunden" sei. Die Niedriglohnempfänger seien die schwächeren Marktteilnehmer. Dabei greift die Partei zu eher links-verortetem Vokabular. Mindestlöhne verhinderten "die Privatisierung von Gewinnen bei gleichzeitiger Sozialisierung der Kosten" – spricht sie in ihrem Wahlprogramm "Deutschland – aber normal" das Problem staatlicher Hilfen für Geringverdiener an.

Die AfD bleibt aber ihren Themen treu. Der Mindestlohn schütze auch vor dem "durch die derzeitige Massenmigration zu erwartenden Lohndruck". Ob der angesichts des Kräftemangels in vielen Teilen der Wirtschaft überhaupt eingetreten wäre, darauf geht das Programm nicht ein.

Freie Wähler sehen im Mindestlohn Bedingung für Fairness

"Ehrlichkeit & Fleiß" unter dieser Überschrift taucht der Mindestlohn im Programm der Freien Wähler auf. Dabei geht die Partei, die ja Ende September bundesweit antritt, von einem aus: Wer Vollzeit in Arbeit ist, der sollte genug verdienen, um ohne staatliche Hilfen leben zu können. Dabei bringen die Freien Wähler das Wort "fair" ins Spiel. Entsprechende Löhne würden Leistungsanreize schaffen. Dafür braucht es aus Sicht der Partei den Mindestlohn. Was dessen Höhe anbelangt, so sollte der regelmäßig angepasst werden.

Die Freien Wähler könnten sich aber auch vorstellen, dass er an Bedeutung verliert: wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer qualifiziert werden. Ob das immer auch zu einer besseren Bezahlung führt, sei dahingestellt. Aber auch für die Arbeitgeber hat die Partei ein Zuckerl in diesem Teil ihres Programmes parat: Die Bürokratie, die der Mindestlohn für Firmen mit sich bringt, sollte abgebaut werden. Die sei gerade für den Mittelstand überbordend.

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