Wind, Sonne, Wasser, Atom und Gas: Wie wollen die bayerischen Parteien die Energie- und Stromversorgung im Freistaat sichern?
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Wind, Sonne, Wasser, Atom und Gas: Wie wollen die bayerischen Parteien die Energie- und Stromversorgung im Freistaat sichern?

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So wollen Bayerns Parteien die Energiekrise bewältigen

In einem sind sich alle einig: Der Freistaat braucht sicheren und bezahlbaren Strom - aber wie? Mit Wind und Solar, mit mehr grünem Wasserstoff oder doch wieder mit Atomkraft? Teil 2 der BR24-Serie über die Vorhaben der Parteien.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Was die Parteien am 8. Oktober wollen, ist klar: möglichst viele Stimmen von Wählerinnen und Wählern. Aber was wollen CSU, Grüne, Freie Wähler, AfD, SPD und FDP nach der Landtagswahl umsetzen? Was sind ihre Konzepte, Ideen und Forderungen für Bayern?

Aus dem aktuellen BayernTrend ergeben sich die fünf wichtigsten Probleme im Freistaat: Zuwanderung, Energiepolitik, Umwelt und Klima, Bildung und Schule, Wirtschaft.

Zu diesen Themen hat BR24 die Wahlprogramme der sechs im Landtag vertretenen Parteien durchgeschaut und stellt deren zentrale Lösungsvorschläge in einer fünfteiligen Serie vor. Teil 2 beschäftigt sich mit einer Frage, die Wirtschaft und Verbraucher gleichermaßen umtreibt: Wie soll es weitergehen in der Energiepolitik?

CSU: 1.000 neue Windräder und Atomkraft als Brücke

Für die CSU ist entscheidend, dass der Strommix in Bayern "grundlastfähig, bezahlbar und klimaneutral" ist. Dafür will sie die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien bis 2030 verdoppeln. Die Partei setzt vor allem auf Photovoltaik, sie soll bis 2030 sogar verdreifacht werden. Das Potenzial auf staatlichen Gebäuden gelte es in den kommenden zwei Jahren voll auszuschöpfen. Die Windkraft ist laut CSU-Programm "ein unverzichtbarer Bestandteil des bayerischen Energiemixes", deshalb habe man die 10H-Abstandsregel "reformiert". Lange hatte die dafür gesorgt, dass kaum neue Windräder errichtet wurden. Das soll sich nun ändern: Ziel sind 1.000 neue Anlagen bis 2030.

Auch der Anteil der Wasserkraft an der gesamten Stromerzeugung im Freistaat soll auf 25 Prozent steigen. Und: Bayern soll zum "Wasserstoffland Nummer eins" in ganz Europa werden, die CSU will die vorhandenen Gasnetze dann auch zum Transport von Wasserstoff nutzen und den Bau einer Südpipeline von der Adria über Österreich nach Bayern "forcieren". Erneuerbare Energien sollen durch einen Ausbau der Speicherkapazitäten und weitere Pumpspeicherkraftwerke grundlastfähig gemacht werden. Außerdem brauche es einen schnellen Netzausbau. Dabei tue Bayern "alles, was nötig ist". Um die Netze stabil zu halten, setzt die CSU darauf, Atomkraft als "Brückentechnologie" weiterzuführen: "Wir wollen die bayerischen Kernkraftwerke weiterbetreiben – notfalls in eigener Zuständigkeit."

Bündnis90/Die Grünen: Solarpflicht auf Neubauten

Aus Sicht der Grünen hingegen ist die Atomkraft "gefährlich und teuer". Sie setzen auf eine klimafreundliche Energiewende ohne Kernenergie. Die Partei will die Menschen in Bayern finanziell am Ausbau der erneuerbaren Energien beteiligen und dafür "Bürgerenergie-Projekte, regionale Energiegenossenschaften und Stadtwerke in den Händen der Kommunen stärken". Dabei haben die Grünen bis 2030 ambitionierte Ziele: Die Stromproduktion aus Windkraft soll versechsfacht, die aus Sonnenenergie vervierfacht werden.

Als konkrete Maßnahme steht eine "Solarpflicht bei Neubauten aller Art" im Programm. Mindestens 50 Prozent der nicht anderweitig genutzten Fläche sollen mit Photovoltaik- und Solarthermieanlagen bebaut werden. Bei "wesentlichen Dachsanierungen" greife die Pflicht ebenfalls. Außerdem sollen in den Staatsforsten 400 Windräder gebaut werden. Nach dem "Ende der 10H-Regel" planen die Grünen, Planungs-, Genehmigungs- und Klageverfahren zu beschleunigen. Auch Geothermie, Biomasse und Wasserkraft wollen die Grünen fördern. Großes Potenzial sehen sie beim Energiesparen. So sollen die Einsparpotenziale in öffentlichen Gebäuden transparent gemacht werden, "etwa bei einer angemessenen Raumtemperatur in den Büros der Ministerien, Warmwasser-Sparen und weniger Außenbeleuchtung".

Freie Wähler: Wasserstoff für Industrie und Mobilität

Wie die Grünen setzen auch die Freien Wähler auf eine regionale, sprich dezentrale, Energieversorgung. "Bürgerenergiewende", heißt das bei den Freien Wählern: Wertschöpfung aus erneuerbaren Energien soll in die Hand der Bürger und Kommunen und nicht in die der "Monopolisten". Um beim Ausbau der Erneuerbaren "die Abhängigkeit von Importen zu verringern", sollen Hersteller von Photovoltaik- und Windkraft-Komponenten nach Bayern geholt und ihre Ansiedlung gefördert werden. Die Freien Wähler wollen das sogenannte "Merit-Order-Modell" ersetzen - einfach gesagt, bestimmt diesem Modell nach die teuerste Erzeugungsart den allgemeinen Strompreis, aktuell ist das Gasverstromung. Diese Koppelung müsse abgeschafft werden, "sodass der Strompreis fällt".

Wie alle Parteien außer CSU und AfD wollen auch die Freien Wähler die 10H-Regel abschaffen. Gleichzeitig setzen sie massiv auf Wasserstoff. Die Produktion soll deutlich intensiviert und ein Einsatz in Industrie und Mobilität vorangetrieben werden. Für den Transport von Wasserstoff wollen die Freien Wähler künftig die bestehenden Erdgasnetze nutzen. Um dem Fachkräftemangel im Bereich erneuerbarer Energien entgegenzutreten, soll die entsprechende Ausbildung im Handwerk ausgebaut werden.

AfD: Neue Kernkraftwerke für Bayern

Im Gegensatz zu den anderen im Landtag vertretenen Parteien hält die AfD nichts von der "gescheiterten Energiewende". Sie setzt sich stattdessen dafür ein, die "CO₂-Abgabe" und den CO₂-Emissionshandel abzuschaffen, Energie- und Stromsteuern zu senken sowie die Umsatzsteuer auf Energie "generell und dauerhaft" auf sieben Prozent reduzieren. Einer Wasserstoffwirtschaft steht die Partei grundsätzlich offen gegenüber, aktuell sei sie jedoch "zu teuer, zu gefährlich und zu ineffizient". Die Technologie befinde sich "im Stadium der Forschung und Entwicklung", habe jedoch großes Potenzial bei der Herstellung von synthetischen Kraftstoffen und soll gefördert werden.

Windkraft und Sonnenenergie hält die AfD für "umweltfeindlich und ineffizient". Im Programm steht dazu: "Verglichen mit Küstenregionen oder südlicher gelegenen Ländern ist der Freistaat Bayern naturgemäß ein ungünstiger Standort für Solar- und Windkraft." Historische Gebäude würden durch Solarzellen "ihres Charmes beraubt", Windkraftanlagen würden die bayerische Landschaft "verschandeln" und so dem Tourismus schaden. Die AfD setzt vielmehr auf Atomkraftwerke und will sich "für die Inbetriebnahme bestehender und neuer sicherer bayerischer Kernkraftwerke einsetzen". Die Kernenergie gehöre "fest zum Energiemix".

SPD: Bürger und Kommunen an Windrädern beteiligen

In den Augen der SPD "braucht Bayern einen Neustart in der Energiepolitik". Der Freistaat soll "zum Vorreiter bei den erneuerbaren Energien" werden. Sonne, Wind, Wasser und Geothermie sollen den gesamten Strombedarf Bayerns "bis spätestens 2035" decken. Um eine stabile und grüne Energieversorgung als Standortfaktor für die bayerische Wirtschaft sicherzustellen, setzt die SPD auf mehr Staat und weniger privat. So sollen beispielsweise die Wasserkraftwerke zwischen Main und Karwendel wieder in öffentliches Eigentum überführt werden.

Die Sozialdemokraten streben an, eine Photovoltaikpflicht für alle Neu- und Umbauten einzuführen - sowohl im gewerblichen als auch im privaten Bereich. Solche Anlagen sollen auch über Parkplätzen, Autobahnen und landwirtschaftlichen Flächen (sogenanntes Agri-PV) gefördert werden. Außerdem möchte die SPD den Denkmalschutz "überprüfen und anpassen", um Solaranlagen auch auf denkmalgeschützten Gebäuden zu ermöglichen. Von der Energiewende sollen insbesondere die Bürger profitieren - zum Beispiel durch mehr Energiegenossenschaften, aber auch durch eine Regelung, die Betreiber von Windkraftanlagen verpflichtet, Kommunen und Bürger zu beteiligen. Mit Blick auf die Energiekosten müsse Bayern "die großen Potenziale Norddeutschlands" erschließen. Deshalb will die SPD den Leitungsausbau "mit allen notwendigen Mitteln beschleunigen".

FDP: Strom vom eigenen Dach in der Nachbarschaft nutzen

Auch die Liberalen plädieren für eine verbrauchernahe Energieerzeugung. Im Gegensatz zu den Grünen oder den Sozialdemokraten setzt die FDP verstärkt darauf, die Einspeise- und Vergütungsregeln zu vereinfachen und zu liberalisieren. Mieter sollen den Strom vom Dach eines Mehrfamilienhauses gegen Geld verbrauchen dürfen. Und weiter: "Speicherkapazitäten in der Nachbarschaft sollen gemeinsam genutzt und die Kosten unkompliziert aufgeteilt werden können."

Die Liberalen sehen großes Potenzial für PV-Anlagen - über die bekannten Standorte (an Autobahnen, in Industriegebieten, auf privaten und öffentlichen Gebäuden) hinaus. Sonnenenergie könne auch an Fassaden oder mit schwimmenden Solaranlagen auf Stauseen oder anderen Gewässern genutzt werden. Landwirte, die ihre Flächen für den Betrieb von PV-Anlagen verpachten, will die FDP steuerlich entlasten. Die Stromsteuer für alle soll komplett abgeschafft werden. Um den Ausbau der Windkraft zu beschleunigen, sollen Naturschutzbelange "neu bewertet und zu starre Regelungen verändert werden". Die FDP will auch CO₂-freie Wasserstoffproduktion und Geothermie ausbauen und fordert, den Neubau "von Kernkraftwerken der neuesten Generation in Bayern" zu ermöglichen.

Dieser Artikel ist erstmals am 28. September 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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