Windrad bei Ebersbach in Bayern
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Ein Windrad, aufgenommen am 24.06.2014 bei Ebersbach (Bayern) vor der tief stehenden Sonne.

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"Immer diese Bayern": Die Energiewende-Wenden des Freistaats

Stromtrassen, Windräder, Atomkraft: Die bayerische Energiepolitik der vergangenen Jahre ist voller Kehrtwenden. Was sind die Folgen? Und warum überhaupt dieses Hin und Her? Darum geht es in der zweiten Episode des BR24-Podcasts "Immer diese Bayern".

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Bayerns Staatsregierung und CSU-Spitze war jahrzehntelang für die Atomkraft. Der langjährige CSU-Chef und Ministerpräsident Franz Josef Strauß besuchte medienwirksam Reaktoren, von denen es im Freistaat viele gab. Der erste deutsche Forschungsreaktor stand bis zum Jahr 2000 in Garching bei München, sein Nachfolger ist bis heute in Betrieb.

Wie groß die Begeisterung einst war, zeigt der Blick auf eine Speisekarte. Bei der Eröffnung des Ur-Forschungsreaktors 1957 gab es sogar eine "Atom-Mahlzeit": Uranstäbe (Weißwürste), Neutronenschlegel (Kalbfleisch), radioaktives Kühlwasser (Bier).

Deutschlands Atom-Ausstieg 2011 – Bayern vorne dabei

Aber dann, lange nach Strauß, kam im Frühjahr 2011 die Atomkatastrophe im japanischen Fukushima. Und der damalige bayerische Umweltminister Markus Söder (CSU) sagte: "Japan verändert alles, auch bei mir persönlich. Man muss seine eigene Position grundlegend hinterfragen."

Die schwarz-gelbe Bundesregierung unter Angela Merkel (CDU) entschied sich rasch für einen Ausstieg aus der Atomkraft – noch relativ kurz davor hatten Union und FDP die Laufzeiten verlängert. Für Bayern konkretisierte CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer damals im Landtag, wie der Freistaat den Ausstieg umsetzen wollte: "Die bayerischen Kernkraftwerke, meine Damen und Herren, werden abgeschaltet, und zwar Schritt für Schritt und endgültig." 2022 sei in Bayern kein Kraftwerk mehr am Netz, betonte Seehofer: "Verlässlich und ohne Hintertürchen."

Energie-Krise 2022 – Staatsregierung wieder für Atomkraft

Doch der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und die damit verbundene Energiekrise änderte im vergangenen Jahr die Sichtweise der bayerischen Staatsregierung auf die Atomkraft erneut. Dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die verbliebenen deutschen Atomkraftwerke nochmal bis April 2023 und damit einige Monate länger als geplant am Netz ließ, reicht den Christsozialen nicht.

Mittlerweile sind auch im Freistaat alle Atomkraftwerke abgeschaltet. Und Markus Söder, inzwischen CSU-Chef und Ministerpräsident, hat mehrmals angekündigt: Die Union möchte im Falle eines Wahlsiegs 2025 die Atomenergie reaktivieren. Fachleute haben angesichts des begonnenen Rückbaus gleichwohl Zweifel, inwiefern das machbar wäre.

Stromtrassen und Windräder: Bayerns Hin und Her

Der Umgang mit der Atomenergie ist nur ein Beispiel für die Kehrtwenden der bayerischen Energiepolitik. Ähnlich ist es bei den großen Stromleitungen. Hier sagte der damalige Ministerpräsident Seehofer noch 2011: "Das Tempo der Energiewende wird sich nach dem Tempo des Netzausbaus bestimmen. Und deshalb müssen wir allen sagen: Wir brauchen eine Investitionsoffensive für Stromnetze."

Doch als es lokal immer mehr Widerstand gegen die geplanten Stromtrassen gab, änderte Seehofer seine Meinung. Bei einer Demonstration in Neuburg an der Donau im April 2014 sagte er unter Applaus über die geplante Gleichstrompassage Südost: "Ich persönlich und die bayerische Staatsregierung halten diese Stromtrasse von Sachsen-Anhalt nach Meitingen in Schwaben nicht für notwendig." Man werde alles dafür tun, damit diese Stromtrasse nicht komme. 2015 erklärte Seehofer nach zähen Verhandlungen in Berlin: Alle "Monstertrassen" seien vom Tisch.

Stromtrassen unter der Erde – teurer und später fertig

Tatsächlich sind die Stromtrassen nicht vom Tisch, sondern werden weitgehend unter der Erde verlegt statt oberirdisch. Das war Seehofers Verhandlungserfolg – der freilich auch große Nachteile mit sich bringt: Das Projekt ist deutlich teurer und später fertig, wohl erst 2027 oder 2028.

Dabei bräuchte es die Stromtrassen schon jetzt, um in Deutschland Strom aus Windkraft vom windreichen Norden in den Süden zu transportieren. Denn auch wenn Bayern bei der Photovoltaik sehr gut dasteht: Mit seiner energiehungrigen Industrie verbraucht der Freistaat aktuell deutlich mehr Energie als er selbst produziert.

"Vom Winde verweht": Podcast-Folge über Bayerns Energiepolitik

Um die bayerischen Energiewende-Wenden geht es im BR24-Podcast "Immer diese Bayern". In der Folge "Vom Winde verweht" schauen sich die Hosts Lisa Weiß und Maximilian Heim an, welche Folgen die bayerische Energiepolitik der vergangenen Jahre hat – und wie es jetzt weitergeht. Autor der Episode ist Lorenz Storch.

In der Podcast-Episode geht es auch um die umstrittene 10H-Regel, wegen der jahrelang in Bayern kaum noch neue Windkrafträder gebaut wurden. Mittlerweile sagt Ministerpräsident Söder: "Wir haben zwar kein Meer, also keine Nord- oder Ostsee. Aber was Land betrifft, werden wir bis 2030 die Nummer eins in Deutschland bei Wind sein können. Und da gibt es eben jetzt sozusagen vollen Rückenwind für den Wind."

Konkret erzählt die Podcast-Episode die Geschichte von Michael Sterner, Energiewende-Experte und Professor in Regensburg. Er freute sich, als die bayerische Staatsregierung vor gut zehn Jahren auf Windkraft statt auf Atomkraftwerke setzte. Aber bei diesem Kurs blieb es nicht – und Sterner glaubt heute: Ein Fernsehauftritt brachte ihn damals in Schwierigkeiten.

"Immer diese Bayern" – der neue BR24-Podcast

Bayern polarisiert. Schon immer. Weil dieses Bundesland oft eine Extrawurst braucht. Um diese Extrawürste geht’s im neuen BR24-Podcast "Immer diese Bayern". In sieben Folgen beleuchten Lisa Weiß und Maximilian Heim die speziellen Wege der bayerischen Politik und die besondere Rolle des Freistaats in Deutschland. Wann und warum ist Bayern anders abgebogen als andere Bundesländer – und welche Folgen hat das bis heute, mit Blick auf die Landtagswahl und darüber hinaus?

Ein Podcast für Bayern und Nicht-Bayern, für Fans dieses Bundeslands und für Kopfschüttler: Alle Episoden von "Immer diese Bayern" gibt’s hier in der ARD Audiothek – und überall, wo es Podcasts gibt. Und wer lieber Radio hört: Ab dem 10. September immer sonntags um 10.05 Uhr und 13.05 Uhr bei BR24.

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Podcast-Logo "Immer diese Bayern" – Episode "Vom Winde verweht"

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