SPD-Spitzenkandidat Florian von Brunn in der BR24 Wahlarena.
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SPD-Spitzenkandidat Florian von Brunn in der BR24 Wahlarena.

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Florian von Brunn in der Wahlarena: Marktlücke gesucht

Der SPD-Spitzenkandidat spricht über Kernanliegen seiner Partei: Wohnen, faire Löhne, Kinderbetreuung. Der Wahlkampf ist auf soziale Themen und von Brunn als Person zugeschnitten - setzen die Sozialdemokraten damit den richtigen Fokus? Eine Analyse.

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In gewisser Weise war die Wahlarena ein Heimspiel für SPD-Spitzenkandidat Florian von Brunn. Die Menschen im Publikum stellten ihm keine Fragen zur unbeliebten Berliner Ampelpolitik, zum Hin und Her beim Heizungsgesetz oder zu belasteten Kommunen und einer etwaig nötigen Begrenzung der Zuwanderung.

Stattdessen ging es um viele Themen, die tief verwurzelt sind in der sozialdemokratischen DNA: bezahlbaren Wohnraum, faire Bezahlung in der Pflege, Bildungsgerechtigkeit, Rente. Diese Anliegen kommen von Brunn entgegen in einem Wahlkampf, den die SPD inhaltlich voll auf soziale Themen zugeschnitten hat. Es ist die Marktlücke, die die Partei im Wettstreit der politischen Ideen für sich ausgemacht hat.

SPD will mehr Geld für Bildung und bezahlbaren Wohnraum

Von Brunn legte Konzepte vor, mit denen er die Probleme lösen will: eine Milliarde Euro pro Jahr für Bildung, weniger Druck für Schüler vor dem Übertritt nach der vierten Klassen, genügend Plätze in der Ganztagesbetreuung für alle ab 2026, staatliche Flächen und Investitionen für mehr bezahlbaren Wohnraum, Dienstwohnungen für Pflegekräfte - um nur einige Maßnahmen zu nennen.

Man darf sich aber nicht täuschen lassen: Die Schwerpunkte des Publikums in der Wahlarena waren wenig repräsentativ. Im aktuellen BayernTrend landeten die Themen Wohnen und soziale Ungerechtigkeit bei der Frage nach den drängendsten Problemen im Freistaat nur auf einem geteilten siebten Platz. Mehrheitlich treiben die Mehrheit der Menschen in Bayern derzeit andere Fragen um, zuvorderst Migration und Energiepolitik.

Soziale Themen spielen aus SPD-Sicht eine zu geringe Rolle

Hat sich die SPD mit ihrer vermuteten Marktlücke also vertan? Schafft sie ein Angebot, für das es nicht genügend Nachfrage gibt? Zu wenig bezahlbarer Wohnraum, zu wenige Pflege- und Lehrkräfte sind zweifelsohne auch in Bayern Probleme, die es anzugehen gilt. Es sieht nur aktuell nicht danach aus, als ließe sich darauf ein gesamter Wahlkampf aufbauen, dafür spielen soziale Themen in der Debatte eine zu geringe Rolle.

Bereits bei der Landtagswahl 2018 stellte die SPD Wohnen ins Zentrum ihrer Kampagne. Damals lag das Thema in der Priorität der Menschen sogar auf Platz zwei - dennoch verlor die Partei massiv und landete bei historisch niedrigen 9,7 Prozent.

Von Brunn legt in Beliebtheit zu - aber ist weiter wenig bekannt

Wobei die Sozialdemokraten bei der diesjährigen Landtagswahl ja noch auf einen zweiten Trumpf setzen: ihren Spitzenkandidaten selbst. Der Wahlkampf ist ganz auf Florian von Brunn zugeschnitten, der Partei- und Fraktionschef ist das Gesicht der Kampagne. Seine Bemühungen, Profil zu gewinnen, seine meinungsstarke Art und Präsenz in den vergangenen Monaten zeigen auch teilweise Wirkung.

Als einziger bayerischer Spitzenpolitiker legte von Brunn im jüngsten BayernTrend bei den persönlichen Zufriedenheitswerten deutlich zu (plus fünf Prozentpunkte) und kletterte auf Platz vier. Allerdings liegt der SPD-Chef in der Bekanntheit weiter deutlich hinter Ministerpräsident Markus Söder (CSU), Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger und der Spitzenkandidatin der Grünen, Katharina Schulze, zurück.

Scharfe Kritik an Aiwanger in der Flugblatt-Affäre blieb ohne Erfolg

In der Wahlarena wurde ein weiteres Problem der SPD deutlich: mangelnde Kompetenzzuschreibung und Unterscheidbarkeit. Mehrere Fragesteller klagten über zu viel Bürokratie, sei es für Unternehmer, Landwirte oder in der Pflege. Von Brunn kündigte an, in Regierungsverantwortung eine Kommission einzusetzen, die unnötige Regelungen binnen eines Jahres abbauen soll. Allerdings setzen sich dieser Tage praktisch alle Parteien dafür ein, Prozesse zu vereinfachen und Bürokratie, Nachweis- und Dokumentationspflichten zurückzudrängen - zumindest verbal. Der SPD gelingt es nicht, deutlich zu machen, dass sie an diesem Punkt einen wirklichen Unterschied machen könnte.

Es gibt durchaus Themen, wo sich die Sozialdemokraten von ihren Mitbewerbern unterscheiden. Kaum jemand geht so hart mit Söders Staatsregierung ins Gericht wie von Brunn. Der SPD-Chef war einer der schärfsten Kritiker von FW-Chef Aiwanger in der Flugblatt-Affäre und forderte vehement dessen Rücktritt - die Umfragewerte der Freien Wähler gingen anschließend jedoch nach oben.

SPD und Migration: Prinzipientreu aber vorbei an der Bevölkerung?

In der Migrationspolitik vertritt die SPD zusammen mit den Grünen den wohl liberalsten Kurs aller Parteien. Die sogenannten "Ankerzentren" will sie beispielsweise abschaffen. Menschen ohne deutschen Pass sollen ab dem dritten Aufenthaltsjahr ein Wahlrecht bei Kommunal- und Landtagswahlen erhalten. Eine Obergrenze und ein schärferer Kurs gegenüber Geflüchteten sind mit der SPD nicht zu machen. Man kann das als Prinzipientreue einer Partei sehen, die Überzeugung und Programm nicht nach Umfragen ausrichtet – den Schlussspurt um Wählerstimmen macht das dennoch nicht einfacher, schließlich tendiert die allgemeine Stimmung hin zu mehr Restriktion.

Vom ursprünglich ausgerufenen Ziel "15 Prozent plus X" ist die SPD derzeit weit entfernt, die Meinungsforschung sieht sie aktuell bei neun Prozent. Das schlechte Ergebnis der Landtagswahl 2018 droht sich zu wiederholen. Doch allen Umfragen zum Trotz: Die Sozialdemokraten wollen mitregieren. Interessant ist, dass Schwarz-Rot gar nicht mal die unbeliebteste Koalition wäre. Eine Mehrheit befürwortet laut BayernTrend einen Fortbestand von CSU und Freien Wählern – dahinter sähen die Menschen in Bayern aber lieber die SPD als Alternativpartner in der Staatsregierung als FDP oder Grüne.

Die BR24 Wahlarenen

An drei Abenden finden sechs einzelne Wahlarenen in der Länge von jeweils 30 Minuten statt. Das Konzept der BR24 Wahlarenen ist angelehnt an die Sendung "jetzt red i", ein Sendeformat des BR, in dem Bürgerinnen und Bürger live vor Ort mit verantwortlichen Politikerinnen und Politikern über aktuelle Themen diskutieren. Es moderieren Franziska Eder und Christian Nitsche, Helene Reiner greift die Fragen aus dem Netz auf.

Bei jeder der drei Sendungen haben etwa 90 Studiogäste die Möglichkeit zur Teilnahme. Um den speziellen Anforderungen der Wahlsendungen gerecht zu werden, soll das Publikum in seiner Zusammensetzung die ganze Breite der bayerischen Bevölkerung widerspiegeln – die Auswahl des Publikums besorgt jeweils das Institut Infratest dimap.

Die weiteren BR24 Wahlarenen, in denen sich die Spitzenkandidaten der im Landtag vertretenen Parteien den Fragen von Bürgern stellen, fanden bereits statt: Am 13. September waren Markus Söder (CSU) und Ludwig Hartmann (Grüne) zu Gast in der Wahlarena, am 20. September Katrin Ebner-Steiner (AfD) und Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Am 27. September waren Martin Hagen (FDP) und Florian von Brunn (SPD) dabei.

Der BR24 Kandidaten-Check:

BR24 Kandidaten-Check: Wofür stehen die Direktkandidatinnen und -kandidaten der Landtagswahl in Bayern? Ihnen allen haben wir dieselben Fragen zu den relevantesten Themen des Wahlkampfs gestellt, mehr als 800 haben teilgenommen. Geben Sie im Tool Ihren Wohnort, Stimmkreis oder Ihre Postleitzahl ein und finden Sie heraus, wie die Bewerber geantwortet haben:

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