SPD-Spitzenkandidat Florian von Brunn
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SPD-Spitzenkandidat Florian von Brunn

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Florian von Brunn – Bereit für den Aufwärtstrend

Parteichef, Fraktionschef, Spitzenkandidat. Der Historiker Florian von Brunn ist so mächtig wie bis zum Jahr 2000 nur Renate Schmidt. Bei der Landtagswahl in Bayern will er den weiteren Abstieg der SPD stoppen und deutlich zulegen. Ein Porträt.

"Wir suchen einen Langstreckenläufer. Mal schau'n ob er es ist", fragt sich ein Lokalpolitiker beim Jahresempfang der Nürnberger SPD unter dem hölzernen Tonnengewölbe im Großen Saal des Alten Rathauses. Denn für alle ist klar: Von Brunns erster Landtagswahlkampf dient vor allem dazu, den langjährigen Münchner Umweltpolitiker und ehemaligen IT-Berater im Freistaat bekannter zu machen. Nur ein Drittel kennt ihn laut BR-BayernTrend vom Mai, seit September sind es immerhin 42 Prozent.

SPD-Spitzenkandidat von Brunn als Nicht-Franke in Nürnberg

Bei der stolzen Nürnberger SPD, die den aktuellen CSU-Oberbürgermeister nur als vorübergehenden Wahl-Unfall sehen will, hat der Münchner von Brunn natürlich ein Heimspiel. Er trägt wie immer: schwarzen Anzug, weißes Hemd, keine Krawatte. Eigentlich etwas schüchtern wirkt er auf der Bühne, aber sehr konzentriert. Nach dem Ja!, auf seine Frage, ob man ihn hier als Nicht-Franke denn auch verstehe, ist sein einziger Gegner die schlechte Akustik. Ab und zu wird er etwas lauter – aber für eine Rede, die wirklich mitreißt, ist es hier nicht der richtige Anlass.

Das war auf dem Münchner Odeonsplatz anders, als es nach Hubert Aiwangers Erdinger "Wir müssen uns die Demokratie zurückholen"- Rede um ein Zeichen gegen Populismus und gegen Rechts ging. Unter dem Motto "AusgeTrumpt!" ging von Brunn dort ganz anders aus sich heraus. So wie auch immer wieder in hitzigen Landtagsdebatten, dann vor allem im Zusammenhang mit der AfD, oder im Nachgang der CSU-Maskenaffäre, als er die CSU hart attackierte und dafür ein Rüge kassierte.

Für gute Stimmung im Nürnberger Rathaussaal und dafür, dass die Rede nicht nur das erste Drittel der 300 Stehtisch-Besucher erreicht, sorgt auch der klatschfreudige Nürnberger SPD-Chef Nasser Ahmed, seit Januar nebenamtlich stellvertretender Generalsekretär der Bayern-SPD.

"Machen statt Södern" und "SPD = Soziale Politik für Dich"

"Machen statt Södern" ist derzeit von Brunns Lieblings-Wahlkampfspruch. Und "Soziale Politik für Dich" als Lesart für SPD. Sein Mantra: Hauptgegner Markus Söder, der CSU-Ministerpräsident, sei lediglich Meister im Ankündigen, mache aber tatsächlich zu wenig. Ob 10.000 staatliche Bayernheim-Wohnungen, 1.500 Windräder oder Bayern klimaneutral 2040: Ständig nur extra-ehrgeizige Ziele zu verkünden, wie er Söder vorwirft, ist für von Brunn keine seriöse Politik. Das würde die SPD besser machen.

Zu einer sozialen SPD-Politik gehören für von Brunn mehr günstige Mietwohnungen und Ganztags-Kinderbetreuungsplätze. Auch gut bezahlte, sichere Arbeitsplätze dank Versöhnung von Klimaschutz und Wirtschaft und starken Gewerkschaften. Den Menschen soll ein starker Staat mit guten Schulen, genügend Pflegern und Polizistinnen Sicherheit bieten. Dazu gehören für von Brunn neben weniger Baulandspekulation und mehr Neubau für erschwingliche Mieten auch gerechte Steuern. "Starke Schultern sollen stärker belastet werden", das gelte für Erbschaften und Grundstücksgeschäfte.

Alles Positionen, die bei der Nürnberger SPD gut ankommen. Am lautesten ist der Beifall für von Brunn aber, wenn er Markus Söder für dessen Wahlkampfsprüche kritisiert. Ständig von angeblich drohendem Fleischverbot zu reden etwa nennt von Brunn "Spaltung durch Fake News". Die wolle die SPD verhindern und für mehr Zusammenhalt in der Gesellschaft sorgen.

Von Brunn: Stamme aus sozialdemokratisch geprägter Familie

Mit sozialdemokratischen Idealen sei er groß geworden, so Florian von Brunn im Gespräch mit BR24. Sein Vater war Rechtsanwalt und SPD-Wähler, ein großer Willy-Brandt-Fan und Anhänger der sozial-liberalen Koalition unter Bundeskanzler Helmut Schmidt. Als der 1982 per Misstrauensvotum gestürzt wurde, habe er am Fernseher vor seinem Teenager-Sohn geweint.

1990, nach dem Abitur, trat Florian von Brunn in die SPD ein, wurde schnell Vorsitzender in seiner Heimatgemeinde Berg am Starnberger See und später Pressesprecher und Mitarbeiter des linken Gewerkschafters und SPD-Bundestagsabgeordneten Klaus Barthel, ein erklärter Gegner der Reform-Agenda 2010 von SPD-Kanzler Gerhard Schröder. Stolz ist von Brunn, dass seine Ur-Großtante Toni Pfülf am 23.3.1933 als SPD-Reichstagsabgeordnete gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz gestimmt hat. Der Kampf gegen Rechts und vor allem gegen die AfD ist von Brunn ein Herzensanliegen. Im Landtag begrüßt er etwa AfD-Abgeordnete bewusst nicht per Handschlag.

Vom Historiker zum selbständigen IT-Berater

Bevor Florian von Brunn 2013 in den Bayerischen Landtag kam, hat er als selbständiger IT-Berater PC-Server eingerichtet und Netzwerke betreut. Für ihn als Historiker, der zuvor etwa an der Ausstellung der Bundeszentrale für politische Bildung und der Bundesrechtsanwaltskammer zu "50 Jahre Grundgesetz" mitgearbeitet hat, ein ganz neues Feld. Ein Schulfreund habe ihn angesprochen, das gerade neue Internet habe ihn interessiert und so sei er als Quereinsteiger eben IT-Berater geworden.

Software-Updates und neue Internet-Router schrecken Florian von Brunn auch heute noch nicht. In seinem Bürgerbüro in München-Sendling kümmert er sich immer noch selbst um die Computertechnik. Dann allerdings in Jeans und Sneaker – und nicht wie auf dem Weg von München nach Nürnberg im modern geschnittenen, schwarzen Anzug, in weißem Hemd und Business-Lederschuhen.

Rotes Fahrrad in der Stadt – Partei-Limousine am Land

Mit seiner Partei- und Landtagskarriere hin zum Spitzenkandidaten hat von Brunn sein Auftreten professionalisiert, früher war er oft in praktischer Outdoor-Kleidung unterwegs. Zwar fährt er in der Stadt "so oft wie möglich" mit seinem roten Fahrrad. Aber weil seine dicht getakteten Termine oft über ganz Bayern verstreut sind, nutzt er auch gerne seine beiden Dienst-Limousinen inklusive Chauffeur; für Nürnberg nicht den Fraktions-BMW, sondern den Partei-Audi.

"Zwischen Fraktions-Termin und Wahlkampfeinsatz für die Partei wird streng getrennt", so von Brunn im Gespräch während der Fahrt über die Autobahn. Der langjährige Umwelt- und Verbraucherschutzpolitiker hofft aber sehr darauf, dass jetzt bald Elektroautos mit großen Reichweiten kommen. Um keinen Zweifel an seinem Klimabewusstsein aufkommen zu lassen: Privat sei er schon seit Jahren nicht mehr geflogen.

Viel unterwegs für mehr Bekanntheit und Beliebtheit

Die Präsenz vor Ort ist Florian von Brunn wichtig. Einerseits kann er so einige der über 200 SPD-Bürgermeisterinnen und Bürgermeister (rund zehn Prozent der über 2.000 Gemeinden) in Bayern besuchen, die mit rund vier Millionen Bürgern immerhin fast ein Drittel der Bevölkerung regieren. Andererseits kann von Brunn nur so im Land bekannter werden und auch parteiintern Sympathiepunkte sammeln. Denn nicht immer und überall war er beliebt.

Er galt als extrem ehrgeizig und nicht als Teamplayer. Schließlich wollte er schon als noch recht frischer Landtagsabgeordneter 2017 bayerischer SPD-Chef werden, scheiterte aber an Natascha Kohnen. Als diese bei der letzten Landtagswahl 2018 als SPD-Spitzenkandidatin gegen Markus Söder nur 9,7 Prozent holte (nach 20,6 Prozent mit Spitzenkandidat Christian Ude 2013), witterte von Brunn zunächst im Landtag seine Chance auf die wichtige Machtposition: den Fraktionsvorsitz. Dort unterlag er aber knapp im Rennen gegen Horst Arnold. Die SPD-Fraktion war seitdem tief gespalten. Weil ein Abgeordneter dann aber die Seiten wechselte, konnte sich von Brunn im Mai 2021 den Posten des Fraktionschefs doch noch holen. Kurz zuvor hatte von Brunn bereits zusammen mit Ronja Endres den SPD-Parteivorsitz gegen den langjährigen Generalsekretär Uli Grötsch gewonnen.

Alle Ergebnisse waren sehr knapp, die derzeit breitere Unterstützung in seiner Partei musste sich Florian von Brunn erarbeiten. Sein Wille, sein Einsatz und sein Fleiß werden von der Partei anerkannt. Dass einer seinen Führungsjob engagiert und gerne macht, darüber sind die Genossen froh und dankbar. Von Brunn und CSU-Chef Markus Söder haben da also viel gemeinsam, beide werden nicht unbedingt gemocht, aber respektiert. Und so kürten die Genossen Florian von Brunn im Oktober 2022 beim Parteitag mit rund 93 Prozent zum SPD-Spitzenkandidaten.

Dass sein Bekanntheitsgrad steigerungsfähig ist, findet von Brunn "nicht weiter tragisch". Das werde nach der Wahl schon besser sein. Und überhaupt, man solle nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Selbstvermarktungsprofi Markus Söder sei schließlich schon seit "ewigen Zeiten" Minister und CSU-Promi.

Trotz Ehrgeiz: Jedes SPD-Plus über 9,7 Prozent wäre ein Erfolg

Am Ehrgeiz und darin, in der Außenwirkung alles alleine machen zu wollen, ähnelt Florian von Brunn seinem Hauptgegner Markus Söder. Die finanziellen und logistischen Möglichkeiten sind aber völlig unterschiedlich. Während Ministerpräsident Söder schon seit Anfang des Jahres voll im Wahlkampfmodus ist, täglich bis zu vier gut gefüllte Volksfeste besucht, setzt von Brunn auf einen Wahlkampfsprint in den Wochen vor der Wahl und auf die Kampagne der Werbeagentur, die Olaf Scholz aus einem Umfragetief heraus überraschend zum Kanzler gemacht hat.

Der bayerische SPD-Spitzenkandidat sagt zwar tapfer: "Wir wollen regieren." Realistisch ist das aber nicht, denn in den Umfragen schwankt die SPD um die zehn Prozent. Da müssten CSU und Freie Wähler schon einen dritten Koalitionspartner brauchen und die FDP den Wiedereinzug verpassen.

Sollte die Bayern-SPD nach den desaströsen 9,7 Prozent bei der Landtagswahl 2018 aber (wie von Brunn hofft) "deutlich zulegen" – dann wäre jedes Prozent mehr sein persönlicher Erfolg. Sein ursprüngliches Wahlziel von 2021 – "15 plus X" – hat von Brunn in diesem Jahr übrigens vorsichtshalber nicht mehr wiederholt.

Mit Sicherheit zu wenig Freizeit in den Bergen

Bei der nächtlichen Rückfahrt vom Jahresempfang bei der Nürnberger SPD ist Florian von Brunn zufrieden. In den Gesprächen mit Bauunternehmern, Stadträtinnen, Sportvereinsvorständen und Bahngewerkschaftern konnte er sich als Spitzenkandidat präsentieren, Wünsche und Anregungen aufnehmen. Netzwerken eben.

Ob in den nächsten Tagen genug Zeit ist, um zum Ausgleich Sport zu machen, ist noch nicht klar. Aber ein wenig Klettern in der Halle, Schwimmen oder Joggen sollte für Florian von Brunn eigentlich drin sein. In seine geliebten Berge wird er es – auch bis weit nach der Landtagswahl – sicher nur viel zu selten schaffen.

Video: Florian von Brunn im Porträt

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