Der Co-Spitzenkandidat der Grünen, Ludwig Hartmann, in der BR-Wahlarena.
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Der Co-Spitzenkandidat der Grünen, Ludwig Hartmann, in der BR-Wahlarena.

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Ludwig Hartmann in der Wahlarena: Inhalt statt Angriff

Der Spitzenkandidat der Grünen hält sich mit Attacken auf die Staatsregierung zurück und legt den Fokus auf eigene Ideen bei Energie, Mobilität und Pflege. Der Blick soll offenbar nach vorne gehen - trotz derzeit fehlender Machtoption. Eine Analyse.

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Die Grünen in Bayern haben aktuell vor allem zwei Probleme – das eine sitzt in Berlin, das andere in München. Von der Ampel im Bund gibt es keinen Rückenwind für den bayerischen Landtagswahlkampf, im Gegenteil. Interne Streitereien und kontroverse Reformen wie das Heizungsgesetz sind besonders den Grünen nicht gut bekommen. Mancherorts schlägt ihnen inzwischen blanker Hass von Teilen der Bevölkerung entgegen. Diese Stimmung drückt sich auch auf Landesebene aus. Im aktuellen BR24 BayernTrend verliert die Partei leicht und gibt den zweiten Platz an die Freien Wähler ab.

Das zweite Problem der bayerischen Grünen heißt Markus Söder. Der CSU-Ministerpräsident wettert nur allzu gern Richtung Berlin und schmäht die Grünen als Verbotspartei. Vor allem aber hat sich Söder bereits klar auf einen Koalitionspartner nach der Wahl am 8. Oktober festgelegt: Er will mit Hubert Aiwangers Freien Wählern weitermachen und hat eine Koalition mit den Grünen ausgeschlossen. Denen fehlt also eine klare Machtperspektive – zumindest aktuell.

Hartmanns Ideen: mehr Erneuerbare, mehr Kurzzeitpflegeplätze

Wie dem also begegnen? Co-Spitzenkandidat Ludwig Hartmann versuchte es in der BR24 Wahlarena am Mittwochabend vor allem mit inhaltlichen Argumenten. Viele Fragen gab es zum Komplex Energiepolitik und Klimaschutz - zwar Leib- und Magenthemen der Grünen, aber eben auch zentraler Grund für die Unzufriedenheit mit der Berliner Ampel. Hartmann verteidigte die Schritte der Bundesregierung (Atomausstieg, Heizungsgesetz) und verwies auf nun vereinfachte bürokratische Prozesse beim Ausbau von erneuerbaren Energien.

Der Grünen-Fraktionschef machte deutlich, was Bayern in seinen Augen künftig braucht, nämlich mehr Wind- und Solarkraft. Auch bei weiteren Fragen aus dem Publikum machte Hartmann die Vorstellungen seiner Partei deutlich: Investitionen in den Ausbau der Kurzzeitpflege statt pauschal 1.000 Euro Pflegegeld für alle, Wahlalter ab 16, schnellere Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt.

Kritik an CSU und FW äußert Hartmann eher unterschwellig

Bei all diesen Punkten hielt sich Hartmann mit direkten oder gar persönlichen Attacken auf die bayerische Staatsregierung zurück. Kritik und mögliche Verfehlungen von CSU und Freien Wählern klangen unterschwellig an – beispielsweise, wenn Hartmann auf die Verzögerung beim Nordzulauf des Brennerbasistunnels hinwies. Den Personen Söder und Aiwanger räumte der Grünen-Kandidat in seinen Ausführungen keinen Platz ein.

Stattdessen fokussierte sich Hartmann auf das, was er und seine Partei in Bayern umsetzen wollen. Die Strategie scheint zu lauten: Inhalt statt Angriff. Den Blick stärker nach vorne richten als zurück.

Ländlicher Raum: "Auto immer erste Form der Mobilität"

In der öffentlichen Wahrnehmung kämpfen die Grünen mit dem Eindruck, sie würden Politik gegen Automobil und Eigenheim vorantreiben. Als es in der Wahlarena um Mobilität auf dem Land ging, legte Hartmann ein deutliches Bekenntnis zum Individualverkehr ab: "Ich bin fest davon überzeugt: Im ländlichen Raum wird das Auto immer die erste Form von Mobilität sein, deshalb muss es ein sauberes Auto werden", sagte Hartmann mit Blick auf E-Mobilität. Den öffentlichen Verkehr will er trotzdem ausbauen und so mehr Wahlmöglichkeiten schaffen.

In der Vergangenheit sind Grünen-Wahlkämpfe mehrmals durch Reglementierungsideen ins Straucheln geraten. Insofern ist es nicht ganz risikofrei, dass Hartmann beim Thema Pflege und Betreuung von Menschen mit Behinderung ein verpflichtendes soziales Praktikum in Spiel brachte. Allerdings sagte auch Ministerpräsident Söder in seiner Wahlarena, er sei "sehr offen" für ein soziales Pflichtjahr.

Regierungsperspektive der Grünen hängt auch an Aiwanger

Grundlage für ernsthafte Gedankenspiele in Richtung Schwarz-Grün dürfte diese Gemeinsamkeit nicht sein. Allerdings hatte sich bereits Co-Spitzenkandidatin Katharina Schulze in der BR-Talkrunde vergangene Woche bemüht, inhaltliche Überschneidungen mit der CSU herauszuarbeiten – gerade beim Klimaschutz, und auf diesem Gebiet gerade im Gegensatz zu den Freien Wählern.

Die Grünen haben klar gesagt, dass sie Teil der nächsten bayerischen Staatsregierung sein wollen. Dem steht aktuell eine genauso klare Absage von CSU-Chef Söder gegenüber. Ob sich daran noch etwas ändert, liegt nur begrenzt in den Händen der Grünen - es hängt viel mehr davon ab, ob sich FW-Chef Aiwanger bis zur Wahl noch einen Fehltritt erlaubt, der Söder von ihm abrücken ließe. In diesem Fall stünden die Grünen wohl als Koalitionspartner bereit.

Zum Video: BR24 Wahlarena mit Söder und Hartmann

BR24 Wahlarena mit Ludwig Hartmann am 13.09.2023 in Hirschaid
Bildrechte: BR/Tobias Bönte
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BR24 Wahlarena mit Ludwig Hartmann

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