Markus Söder in München
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Söder: Aiwanger soll 25 Fragen schriftlich beantworten

Das Koalitionstreffen zu den Vorwürfen gegen Bayerns Wirtschaftsminister Aiwanger hat laut Ministerpräsident Söder keine Klärung gebracht. Er soll nun 25 Fragen schriftlich beantworten. Die Opposition will eine Sondersitzung des Landtags einberufen.

Über dieses Thema berichtet: BR24live am .

Nach den Vorwürfen gegen den bayerischen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) wegen eines antisemitischen Flugblatts aus seiner Schulzeit verlangt Ministerpräsident Markus Söder (CSU) weitere Auskünfte seines Vizes. "Wir werden 25 Fragen, die wir zusammenstellen, an Hubert Aiwanger zur Beantwortung geben", sagte Söder nach einem Sonder-Koalitionsausschuss in München. Der Minister solle sie schriftlich beantworten.

Aiwanger sei am Vormittag befragt worden. Seine Aussagen reichten aber definitiv nicht für eine abschließende Klärung aus. Nach wie vor seien viele Fragen offen. Angesichts der schwerwiegenden Vorwürfe im Zusammenhang mit dem "widerlichen" Flugblatt dürfe es keine Hängepartie und keine Restzweifel geben.

Aiwanger habe zugesagt, "die Fragen nach bestem Wissen und Gewissen beantworten zu wollen". Zudem sei er bereit, noch vorhandene Schulakten "zu öffnen und damit auch für maximale Transparenz zu sorgen". In der bayerischen Staatsregierung gebe es keinen Platz für Antisemitismus, sagte der Ministerpräsident. "Und es ist wichtig, dass die Staatsregierung und auch ein Wirtschaftsminister dann wieder handlungsfähig sind."

Söder hält vorerst an Aiwanger fest

Söder betonte, es gehe nicht um "Vorverurteilung oder gar ein Übermaß". Bis zur abschließenden Klärung wäre eine Entlassung eines Ministers seiner Meinung nach "ein Übermaß". Es dürfe aber jetzt "auch nichts mehr dazukommen". Die Recherchen der "Süddeutschen Zeitung" allein reichten nicht aus. Es gebe auch keinen Freispruch oder Freibrief. Schon jetzt gebe es einen Schaden für den Ruf Bayerns und auch die persönliche Glaubwürdigkeit Aiwangers. Es müsse eine klare Distanzierung "von dem Dreck" erfolgen.

Zugleich sagte Söder, die Zusammenarbeit mit den Freien Wählern insgesamt habe sich bewährt. "Und wir wollen sie auch fortsetzen", sagte der CSU-Chef. Es gebe keinen Anlass, an dieser Zusammenarbeit etwas zu ändern. "Koalitionen hängen übrigens auch nicht an einer einzigen Person. Es geht mit oder ohne eine Person im Staatsamt ganz genauso." Der Ministerpräsident trat allein vor die Presse, Fragen waren keine zugelassen.

Vorwurf der "Aiwanger-Hitler-Imitation" durch Söder

Was Söder sagt, wird in diesen Tagen besonders genau verfolgt – auch bei einem Wahlkampfauftritt des Ministerpräsidenten gestern Abend in Landshut. Ein Bericht des Deutschlandfunks (DLF) legt tags darauf nahe, Söder habe seinen Stellvertreter Aiwanger dort auf der Bühne imitiert: „Ich werde in München mal auf den Tisch hauen“, sagte Söder mit veränderter Stimme und geballter Faust. Laut dem Radiobericht habe Söder diesen Satz mit „Adolf-Hitler-gleicher Stimme und Gestik“ ausgesprochen. Zwar sei Aiwanger nicht namentlich adressiert worden, dass Söder seinen Stellvertreter so nachgemacht habe, aus Sicht des Autors „unmissverständlich“.

Wie die Passage der Rede gemeint war, bleibt offen. Eine Aufnahme des BR, die auch die Senkunden vor und nach dem betreffenden Satz mit einbezieht, zeigt: Im Wortlaut erklärte Söder, gerichtet an den Landshuter CSU-Landtagsabgeordneten Helmut Radlmeier: „Manchmal wird er etwas unterschätzt, finde ich. Wissen Sie, es gibt Politiker, die sind vor Ort, daheim im Zelt, recht groß.“ Dann folgt der Satz, der für Diskussionen sorgt: „Ich werde in München mal auf den Tisch hauen“. Weiter erklärt Söder: „Überraschenderweise sind die, die daheim im Zelt recht groß sind, in München relativ klein. Mit jedem Kilometer vor allem in meine Nähe werden sie freundlicher und geschmeidiger.“ Auf seinen Kollegen im Landtag treffe genau das nicht zu.

Opposition will Sondersitzung des Landtags einberufen

Die Fraktionen von Grünen, SPD und FDP fordern indessen in der Causa Aiwanger, eine Sondersitzung des Landtags einberufen. "Die Erklärung des Ministerpräsidenten reicht nicht aus", teilte FDP-Fraktionschef Martin Hagen mit. Die schwerwiegenden Vorwürfe gegen Aiwanger seien keine exklusive Sache zwischen CSU und Freien Wählern. "Das betrifft ganz Bayern und darf nicht hinter verschlossenen Türen verhandelt werden." Aiwanger müsse dem Landtag Rede und Antwort stehen.

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Ludwig Hartmann sprach bei BR24live von einer "schwachen Reaktion des Ministerpräsidenten". Sie zeige deutlich, wie kaputt das Verhältnis zwischen Aiwanger und Söder sei. Es habe seit den ersten Vorwürfen ausreichend Zeit zum Austausch gegeben. Er warf der Staatsregierung vor, auf Zeit zu spielen. Bisher habe Söder seinem Vize alle Entgleisungen durchgehen lassen.

Ähnlich äußerte sich auch SPD-Fraktionschef Florian von Brunn. Söder sei zu schwach, um sich gegen Aiwanger durchzusetzen. "Er spielt auf Zeit, um seine Koalition bis zum Wahltag zu retten." Die Hängepartie vergrößere den Schaden für den Freistaat. "Das Mindeste wäre gewesen, dass Hubert Aiwanger sein Amt ruhen lassen muss."

Freie Wähler zufrieden

Der parlamentarische Geschäftsführer der Freie-Wähler-Fraktion, Fabian Mehring, betonte, es wäre "nicht vermittelbar gewesen", Aiwanger auf Basis einer "Verdachtsberichterstattung" zu entlassen. Dass sich Söder "unverrückbar" auf die Fortsetzung der schwarz-orangen Koalition festgelegt habe, freue ihn. Die Zusammenarbeit sei exzellent. "Ich könnte es deshalb nicht nachvollziehen, wenn dieses Erfolgsmodell beendet würde, weil der 17-jährige Bruder meines Parteichefs vor meiner Geburt ein zweifellos widerliches Flugblatt in Umlauf gebracht haben soll."

Auch die bayerische FW-Generalsekretärin Susann Enders teilte dem BR mit, Söders Entscheidung überrasche sie absolut nicht. "Dass er noch weitere Fragen hat, steht ihm zu." Aiwanger zu entlassen, weil er zu Unrecht beschuldigt werde, "wäre in meinen Augen tatsächlich ein Skandal" gewesen. "Das scheint Markus Söder ebenfalls erkannt zu haben."

Die Vorwürfe gegen Aiwanger

Aiwanger hatte am Samstag schriftlich Vorwürfe zurückgewiesen, als Schüler vor 35 Jahren ein antisemitisches Flugblatt verfasst zu haben. Er räumte aber ein, dass ein oder mehrere Exemplare des Papiers in seinem Schulranzen gefunden worden seien und er damals von der Schule bestraft worden sei. Ob er einzelne Exemplare weitergegeben habe, sei ihm "heute nicht mehr erinnerlich".

Per Interview mit der Mediengruppe Bayern verkündete kurz darauf Aiwangers älterer Bruder Helmut, Verfasser des Flugblatts gewesen zu sein. Am Montag reichte er noch eine Erklärung nach, warum Hubert Aiwanger das Papier im Schulranzen hatte: "Ich bin mir nicht mehr ganz sicher. Aber ich glaube, dass Hubert sie wieder eingesammelt hat, um zu deeskalieren."

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