Charlotte Knobloch
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Knobloch zu Hetzschrift-Affäre: "Ich bin sprachlos und entsetzt"

"Ich bin sprachlos und entsetzt über das Pamphlet aus dem Umfeld von Staatsminister Aiwanger" - so reagierte Charlotte Knobloch, Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, auf die Affäre um eine antisemitische Hetzschrift.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Charlotte Knobloch, Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, hat eine Stellungnahme zu dem antisemitischen Flugblatt abgegeben, das aus dem Umfeld des bayerischen Wirtschaftsministers Hubert Aiwanger (Freie Wähler) stammen soll.

"Ich bin sprachlos und entsetzt über das Pamphlet aus dem Umfeld von Staatsminister Aiwanger, das jetzt bekannt geworden ist, und mich im Tonfall an die übelsten Hetzschriften der NS-Zeit erinnert. Der Staatsminister hat sich zu den Vorwürfen inzwischen erklärt. Aber schon der Verdacht, dass ein Spitzenpolitiker mit diesem Text verbunden sein könnte, ist brandgefährlich. Die Debatte der letzten Tage hat viel Vertrauen zerstört, das jetzt mühsam wiederhergestellt werden muss." Charlotte Knobloch

Knobloch: Fall muss "Weckruf" sein

In Knoblochs Stellungnahme, die dem Bayerischen Rundfunk vorliegt, heißt es weiter: "Außerdem zeigt der Vorfall, wie existenziell wichtig es ist, dass unsere Kultur von Demokratie und Gedenken die Jugend erreicht. Dieses Problem war 1987 schon erkennbar und ist seitdem nur noch größer und drängender geworden". Die jüdische Gemeinschaft erlebe seit langem, wie gefährlich es sein kann, wenn junge Menschen sich vom gesellschaftlichen Konsens abwenden. Die aktuelle Episode müsse deshalb auch ein Weckruf sein, eine demokratische Bildung in Kenntnis der Geschichte zu fördern. "Eine Auseinandersetzung wie jetzt würde ich jedenfalls nicht noch einmal erleben wollen", so Knobloch.

Bericht: Aiwanger soll Hetzschrift verfasst haben

Die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) hatte am Freitag berichtet, dass Aiwanger als Gymnasiast eine antisemitische Hetzschrift verfasst haben soll. Darin ist vom "Vergnügungsviertel Auschwitz" die Rede, es geht um einen fiktiven "Bundeswettbewerb" mit dem Titel "Wer ist der größte Vaterlandsverräter?" Als erster Preis wird "ein Freiflug durch den Schornstein in Auschwitz genannt", vierter Preis ist ein "einjähriger Aufenthalt in Dachau".

Die Schrift tauchte im Schuljahr 1987/88 in der Schultoilette auf. Geschrieben wurde das Flugblatt mit einer Schreibmaschine. Es liegt dem BR vor. Die "SZ" beruft sich bei ihrem Bericht auf Gespräche mit "mehreren" Personen. Demnach wurde der Elftklässler Aiwanger damals wegen des Flugblattes vom Disziplinarausschuss der Schule zur Verantwortung gezogen. Er habe als Strafe ein Referat über das "Dritte Reich" halten sollen.

Aiwangers Bruder: "Ich bin der Verfasser"

Fast 24 Stunden nach der Veröffentlichung von Vorwürfen gegen Aiwanger wies der bayerische Vize-Ministerpräsident die Anschuldigung in einer schriftlichen Erklärung rundum zurück. "Ich habe das fragliche Papier nicht verfasst und erachte den Inhalt als ekelhaft und menschenverachtend", teilte der Freie-Wähler-Chef am Samstagabend mit. Der Verfasser sei ihm bekannt, er werde sich selbst erklären, kündigte Aiwanger an. "Weder damals noch heute war und ist es meine Art, andere Menschen zu verpfeifen." Zuvor hatten Politiker mehrerer Parteien von Aiwanger öffentliche Aufklärung verlangt, unter ihnen auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU).

Am Samstagabend dann überraschte Aiwangers älterer Bruder Helmut im Gespräch mit der Mediengruppe Bayern mit der Aussage, Urheber des 35 Jahre alten Schreibens zu sein: "Ich bin der Verfasser dieses in der Presse wiedergegebenen Flugblatts." Vom Inhalt distanziere er sich in jeglicher Hinsicht. "Ich bedaure die Folgen der Aktion", sagte er. Beide Brüder hatten im Schuljahr 1987/88 die elfte Jahrgangsstufe des Burkhart-Gymnasiums in Mallersdorf-Pfaffenberg in Niederbayern besucht.

Zu dem Schreiben sei es damals gekommen, nachdem er eine Jahrgangsstufe habe wiederholen müssen, schilderte Helmut Aiwanger der Mediengruppe Bayern. "Ich war damals total wütend, weil ich in der Schule durchgefallen bin und aus meinem Kameradenkreis herausgerissen wurde."

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