Wollen Bayerns Regierung weiter anführen: Die CSU-Delegation um Parteichef Söder (vorne rechts) auf dem Weg zu den Sondierungen mit den FW.
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Wollen Bayerns Regierung weiter anführen: Die CSU-Delegation um Parteichef Söder (vorne rechts) auf dem Weg zu den Sondierungen mit den FW.

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Bayerns Politik nach der Wahl: Zwischen Frust und Feierei

Alles beim alten und doch ganz anders: Die Dynamik zwischen CSU und FW ist eine neue. Am lautesten jubelt die AfD - ganz anders ist die Stimmung in der übrigen Opposition. Wie geht es für die Parteien nun weiter? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

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So langsam verzieht sich der Rauch: Eine knappe Woche ist die bayerische Landtagswahl nun her. Zeit für ein erstes Zwischenfazit: Wie haben die Parteien ihre Wahlergebnisse verarbeitet? Gibt es bereits erste personelle Rochaden? Wohin steuert die nächste Staatsregierung? Und welche Folgen hat das beste bayerische AfD-Ergebnis aller Zeiten? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Bleibt in der Staatsregierung alles beim alten?

Formell ja. CSU und Freie Wähler haben am Freitag Koalitionsverhandlungen aufgenommen und es deutet alles darauf hin, dass auch die nächste Staatsregierung die Farben schwarz-orange tragen wird. Die Tage nach der Wahl haben aber auch klar gezeigt, dass die Dynamik zwischen den Koalitionären eine andere werden könnte.

Die Parteichefs warfen sich gegenseitig "mädchenhaftes" (Hubert Aiwanger/FW) und "pubertäres" (Markus Söder/CSU) Verhalten vor. Nicht umsonst sagte Freie-Wähler-Fraktionschef Florian Streibl nach dem Sondierungsgespräch am Donnerstag, es sei nötig gewesen, "dass man wieder Vertrauen aufbaut". Das hatte in den Tagen zuvor offenbar stark gelitten. Der Fraktionsvorsitzende der CSU, Klaus Holetschek, berichtete von einer Aussprache, die "gut, sehr offen und klar" verlaufen sei. Der nächste Koalitionsvertrag soll nun eine Präambel bekommen, in der beide Parteien ein gemeinsames Demokratie- und Wertebekenntnis festhalten wollen.

Fest steht: Die Freien Wähler sind deutlich selbstbewusster als noch in der letzten Legislatur. Sie leiten aus ihrem Stimmenplus eine größere Rolle innerhalb der Koalition ab und wollen ein zusätzliches viertes Staatsministerium, die CSU lehnt das bislang ab. Wie die Ressortverteilung am Ende aussieht, wird sich vermutlich erst am Ende der Verhandlungen übernächste Woche entscheiden. In der Woche darauf, am 30. Oktober, tritt der neue Landtag erstmals zusammen. Am Tag darauf soll Söder als Ministerpräsident wiedergewählt werden.

Am Wochenende treffen sich die Freien Wähler zu ihrer Landesversammlung in Straubing. Dort wird man sich laut Parteichef Aiwanger "den Segen der Basis holen", um in Verhandlungen und letztlich eine Koalition mit der CSU eintreten zu dürfen. Inhaltlich sei man bereits umfassend aufgestellt: "Wir werden nicht mehr neue Themen beschließen", so Aiwanger. Stattdessen soll bei der Versammlung vor allem gute Laune über das historisch beste Ergebnis der Freien Wähler von 15,8 Prozent im Vordergrund stehen: "Wir werden uns gegenseitig in die Arme nehmen und froh sein, dass wir jetzt nach vorne wieder vernünftig weiterarbeiten können", sagte Aiwanger dem BR.

Was ist von der AfD als Oppositionsführerin zu erwarten?

Die AfD rückt jedenfalls deutlich stärker in den Fokus als bisher. Ein Plus von 4,4 Prozentpunkten und ein bayerisches Allzeithoch von 14,6 Prozent macht die Partei zur drittstärksten Kraft im Landtag. Im Fall einer schwarz-orangen Koalitionsbildung bedeutet das: Die AfD wird Oppositionsführerin im Parlament, darf stets als Erstes auf die Regierung antworten, bekommt mehr Redezeit und mehr Zugriffsrechte auf Ausschussvorsitze.

Die neue AfD-Fraktion ist größer, jünger und politisch rechter. Fast zwei Drittel der Abgeordneten stehen dem radikalen Lager nahe. Wer die Fraktion anführen wird, ist noch nicht klar. In der kommenden Woche soll es ein erstes Treffen geben. Aus AfD-Kreisen heißt es aber schon jetzt: Der Fraktionsvorsitz werde unter den Mitgliedern des formell aufgelösten "Flügel"-Netzwerks aufgeteilt. Gleichzeitig will die AfD auch einen Posten im Landtagspräsidium und im Parlamentarischen Kontrollgremium, das unter anderem den Verfassungsschutz beaufsichtigt. Die anderen Parteien im Landtagen haben in dieser Woche aber bereits gesagt, dass sie weiterhin keine AfD-Vertreter auf diese Stellen wählen werden.

Stellen sich Grüne und SPD neu auf?

Bei den Grünen ist die Stimmung gemischt. Zwar haben sie einerseits an Zustimmung verloren, und andererseits trotz heftigem Gegenwind im Wahlkampf doch ihr mit Abstand zweitbestes Ergebnis (14,4 Prozent) der Geschichte eingefahren. Es scheint, als verfügten die Grünen inzwischen über eine feste Kernwählerschaft im Freistaat. Anfang kommender Woche trifft sich die neue Fraktion zur konstituierenden Klausur. Dabei soll auch ein neuer Fraktionsvorsitz gewählt werden. Noch gibt es keine offiziellen Kandidaten, es gilt jedoch als sehr wahrscheinlich, dass Katharina Schulze und Ludwig Hartmann ihre Posten aus der vergangenen Legislatur behalten werden.

Auch die SPD muss sich nach der Wahl mit historisch schlechten 8,4 Prozent neu orientieren. Die Fraktion besteht nun nur noch aus 17 Abgeordneten (vier weniger als bislang), und von denen sind sieben neu in den Landtag eingezogen. In den ersten Sitzungen der SPD ging es deshalb vor allem ums Kennenlernen: Wer ist neu? Wo ist was? Wie läuft das eigentlich im Landtag?

In der kommenden Woche dann wollen die Sozialdemokraten auch erste Entscheidungen fällen - und einen neuen Fraktionsvorstand wählen. Die bayerischen Jusos hatten ihrem Frust direkt nach der Wahlschlappe Luft gemacht und einen "umfassenden Erneuerungsprozess" gefordert, das betreffe auch personelle Fragen. Dabei steht vor allem Spitzenkandidat Florian von Brunn im Fokus. Der will aber weitermachen. Gut möglich, dass von Brunn für seinen Job als Fraktionsvorsitzender wiedergewählt wird.

Was wird nun aus den Liberalen?

Nur 3,0 Prozent für die FDP in Bayern – in keinem anderen Bundesland hat die Partei aktuell ein schlechteres Ergebnis. Durch den verpassten Wiedereinzug sind die Liberalen nun nur noch in neun von 16 Landesparlamenten vertreten. Der bayerische Partei- und Fraktionschef Martin Hagen hatte nach dem desaströsen Votum bereits kurz nach dem Wahlsonntag seinen Rücktritt angeboten – was der FDP-Landesvorstand allerdings ablehnte. "Es gab keine Ja-Stimme für diesen Antrag", erklärte Hagen am Dienstag – er bleibt also fürs Erste im Amt.

Trotzdem könne man jetzt nicht einfach mit "business as usual" weitermachen. Besonders in Berlin müsse sich nun etwas ändern – das geringe Vertrauen der Bevölkerung in die Bundesregierung samt FDP-Beteiligung sei mit Schuld am bayerischen Wahlausgang. Die Debatte um das Heizungsgesetz habe enorm geschadet, so Hagen. "Die Ampel muss besser werden", betonte er. Festes Ziel der Liberalen sei, 2028 wieder in den Landtag einzuziehen. Dann wolle man nicht von Null beginnen, auch nicht personell. Ob er in fünf Jahren erneut als Spitzenkandidat zur Verfügung stehe, ließ Hagen offen.

Freie Wähler im Landtag
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Freie Wähler im Landtag

Grafik: Vorläufiges Endergebnis der Landtagswahl

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