Die Co-Spitzenkandidatin in Bayern, Katrin Ebner-Steiner, und die AfD-Bundessprecherin Alice Weidel (rechts)am Tag nach der bayerischen Landtagswahl.
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Die Co-Spitzenkandidatin in Bayern, Katrin Ebner-Steiner, und die AfD-Bundessprecherin Alice Weidel (rechts) am Tag nach der Landtagswahl.

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AfD als Oppositionsführer: Was das für den Landtag bedeutet

Sollten CSU und Freie Wähler wie angekündigt erneut eine Koalition bilden, würde die AfD die Opposition im bayerischen Landtag anführen: Welchen Einfluss hätte das auf Redezeiten, Ausschussvorsitze, U-Ausschüsse oder das Landtagspräsidium?

Über dieses Thema berichtet: BR24live am .

Die AfD ist die größte Gewinnerin der Landtagswahl in Bayern. Ein Plus von 4,4 Prozentpunkten bringt die Partei auf 14,6 Prozent und macht sie hinter der CSU und den Freien Wählern zur drittstärksten Kraft im Parlament.

Das hat Folgen: Sollten die bisherige schwarz-orange Staatsregierung sich erneut auf eine Koalition einigen und ihre Arbeit wie angekündigt fortsetzen, wäre die AfD die größte Oppositionspartei. In der abgelaufenen Legislatur fiel diese Rolle den Grünen zu. Die haben zwar mit Blick auf das vorläufige amtliche Endergebnis genauso viele Abgeordnete wie die AfD (je 32 von insgesamt 203), allerdings erreichten die Grünen nur 14,4 Prozent der Gesamtstimmen und müssen sich hinten anstellen.

Grafik: Vorläufiges amtliches Endergebnis

Rederecht: AfD darf Regierung zuerst antworten

Die neue Reihenfolge hat unter anderem Auswirkungen auf das Rederecht. So darf die AfD künftig als Erstes auf Erklärungen der voraussichtlichen Staatsregierung von CSU und Freien Wählern antworten. Außerdem erhält die Rechtsaußen-Partei, die nun über zehn Mandate mehr verfügt als nach der Landtagswahl 2018, aufgrund ihres Stimmenzuwachses längere Redezeiten. Wie diese genau ausfallen werden, steht nach Angaben der Pressestelle des Landtags aktuell noch nicht fest. Die genaue Verteilung muss nach dem sogenannten "Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren" erst noch ermittelt werden.

AfD hat wohl Anspruch auf mehr Ausschüsse - Wahl aber ungewiss

Die einzelnen Fraktionen im Landtag haben Anspruch auf Vorsitze in den verschiedenen Ausschüssen. In der abgelaufenen Legislatur gab es davon insgesamt 14 Stück, wobei diese nicht gleichmäßig von den Fraktionen besetzt werden. Wer wie viele Vorsitze bekommt, bemisst sich ebenfalls an der Stärke im Parlament. Nachdem Zugriffsrechte und Reihenfolge feststehen, wählen die Fraktionen nacheinander welchen Ausschuss sie übernehmen möchten.

Erst Anfang November, nach der Regierungsbildung und der konstituierenden Sitzung des Landtags, wird feststehen, wie viele Ausschüsse es in der kommenden Wahlperiode geben wird. Die Pressestelle des Landtags teilt jedoch mit, dass die AfD aufgrund ihres gestiegenen Stimmanteils mehr Ausschussvorsitze für sich beanspruchen könnte als bisher.

Aus dem Vorschlagsrecht für den Vorsitz ergibt sich jedoch kein Automatismus - der Kandidat oder die Kandidatin der Partei muss von den Ausschussmitgliedern gewählt werden: In der abgelaufenen Legislatur hatte die AfD zum Beispiel Anrecht auf einen Ausschuss - sie wählte "Bildung und Kultus". Der Kandidat der Partei, Markus Bayerbach, wurde als Vorsitzender von der Mehrheit gewählt. Dann wurde jedoch öffentlich, dass Bayerbach Mitglied eines AfD-Charts war, in dem sich andere Nutzer teils rechtsradikal geäußert hatten. Bayerbach hatte zunächst behauptet, nicht Teil der Chatgruppe gewesen zu sein, was nicht stimmte. Der Bildungsausschuss wählte ihn im Januar 2022 von seinem Vorsitz ab. Einen solchen Vorgang hatte es im Bayerischen Landtag zuvor noch nie gegeben.

Als die AfD später Oskar Atzinger als Ausschussvorsitzenden vorschlug, versagten ihm die Mitglieder eine Mehrheit der Stimmen. Bis zum Ende der Legislatur wurde der Ausschuss vom stellvertretenden Vorsitzenden Tobias Gotthardt (Freie Wähler) geleitet. Bayerbach trat später aus der AfD-Fraktion und auch aus der Partei aus, blieb aber als fraktionsloses Mitglied im Landtag.

Grafik: Sitzverteilung zur Bayern-Wahl

Landtagspräsidium: AfD-Kandidaten bisher immer abgelehnt

Ähnlich wie bei den Ausschussvorsitzen ist es auch mit einem Sitz im Parlamentspräsidium - dort hat die AfD gemäß der Geschäftsordnung des Landtags Anspruch auf einen Posten als Landtagsvizepräsident. Allerdings muss ein Kandidat von der Mehrheit des Parlaments gewählt werden. Als freie Abgeordnete können die Parlamentarier ihre Zustimmung verweigern. So geschehen in der abgelaufenen Legislatur: Neunmal hatte die AfD Kandidaten für das Amt vorgeschlagen, neunmal wurden sie vom Parlament abgelehnt. Somit war die AfD als einzige Landtagsfraktion nicht im Präsidium vertreten.

Ob sich daran nun etwas ändert, ist fraglich. Auch in der Rolle als Oppositionsführer müsste ein AfD-Kandidat als Vizepräsident erst vom Parlament gewählt werden - "Oppositionsführer" in der Geschäftsordnung des Landtags grundsätzlich kein offizieller Begriff. Es entstehen somit keine Sonderrechte für die größte Oppositionsfraktion.

Am Tag nach der Landtagswahl betonte AfD-Bundessprecherin, Alice Weidel, dass ihrer Partei Vize-Posten in den Parlamenten zustünden. Eine "weitere Ausgrenzung der AfD wäre undemokratische Wählerverachtung", sagte Weidel. Auch der Bundestag verwehrte ihrer Partei bislang stets eine Stelle als Vizepräsident, eine Klage der AfD gegen dieses Vorgehen vor dem Bundesverfassungsgericht scheiterte.

In Bayern wollte die Partei einen Sitz im Parlamentarischen Kontrollgremium einklagen, das die Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz überwacht. Für diesen Posten wurden AfD-Kandidaten ganze elfmal abgelehnt. Der bayerische Verfassungsgerichtshof wies die Klage als unzulässig ab. Aktuell wird die bayerische AfD als Gesamtpartei vom Landesverfassungsschutz beobachtet.

Untersuchungsausschüsse: Grüne und SPD nicht auf AfD angewiesen

In der abgelaufenen Legislatur gab es vier Untersuchungsausschüsse - zu den Themen "Maske", "NSU", "Zukunftsmuseum" und "Stammstrecke". Sogenannte "U-Ausschüsse" sind das schärfste Kontrollinstrument des Parlaments gegenüber Regierung und Verwaltung - und sie gehören zu den sogenannten "Minderheitenrechten". In Bayern reicht ein Fünftel der Abgeordnetenstimmen, um einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Da Grüne und SPD nach aktuellem Stand zusammen 49 von 203 Abgeordneten im neuen Landtag stellen (rund 24 Prozent der Mandate), können die Fraktionen gemeinsam einen U-Ausschuss in die Wege leiten und sind nicht auf Stimmen der AfD angewiesen.

Welche Fraktion Anspruch auf den Vorsitz eines Untersuchungsausschusses hat, ergibt sich ähnlich wie bei den regulären Ausschüssen aus einem rollierenden Verfahren - an welchem Punkt der Reihe die AfD am Zug wäre, steht nach Angaben der Landtagspressestelle aktuell noch nicht fest.

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