Die Freie-Wähler-Politiker Hubert Aiwanger und Fabian Mehring
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Die Freie-Wähler-Politiker Hubert Aiwanger und Fabian Mehring

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Rechtsruck in Bayern? Zoff zwischen Freien Wählern und SPD

Nach dem Umfrageplus für Freie Wähler und AfD warnen Teile der Opposition vor einem Rechtsruck in Bayern. Die Freien Wähler sind empört – insbesondere über eine Äußerung von SPD-Landeschef von Brunn. Aber der legt nach.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

In die Begeisterung über ihr Umfragehoch mischt sich bei den Freien Wählern Wut. FW-Spitzenvertreter sehen ihre Partei von Teilen der Opposition zu Unrecht in die rechte Ecke gestellt – und blasen zum Gegenangriff. Denn nachdem im BR24 BayernTrend am Dienstag einzig Freie Wähler und AfD ein Plus verbucht hatten, warnten Grüne und SPD vor einem Rechtsruck.

"Ich mache mir Sorgen um unsere Demokratie. Und ich habe auch Sorge vor einem Rechtsrutsch in Bayern", sagte Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze dem BR und beklagte einen zunehmenden Populismus. Ihr SPD-Kollege Florian von Brunn mahnte, im Wahlkampf müsse verhindert werden, "dass Bayern nach rechts driftet". Im BayernTrend seien "rechtspopulistisch agierende" Freie Wähler und "Rechtsextreme wie die AfD" gestärkt worden, während "alle demokratischen Parteien verlieren".

Insbesondere von Brunns Äußerung empört die Freien Wähler. "Was für eine perverse Entgleisung", schrieb der parlamentarische Geschäftsführer der FW-Landtagsfraktion, Fabian Mehring, im Kurznachrichtendienst X.

Freie Wähler verlangen öffentliche Entschuldigung

Kurz darauf legte Mehring im BR-Interview nach: Der SPD-Spitzenkandidat scheine "jeden demokratischen Kompass" verloren zu haben. Wenn von Brunn die 45.000 Mitglieder und zahlreichen Wähler der Freien Wähler "als Antidemokraten" bezeichne, disqualifiziere er sich nachhaltig für den politischen Diskurs unter Demokraten. "Ich erwarte ausdrücklich von ihm, dass er sich für diesen verbalen Aussetzer schnellstmöglich öffentlich entschuldigt", betont der Landtagsabgeordnete.

Die bayerische FW-Generalsekretärin Susann Enders kritisiert, von Brunns Verhalten sei "an Armseligkeit nicht mehr zu überbieten". Nachdem die "Schmutzkampagne" gegen FW-Chef Hubert Aiwanger "gnadenlos in die Hose" gegangen sei, stelle der SPD-Landeschef nun die "komplette Partei, alle unsere Mitglieder an den rechten Rand". Dies habe mit Respekt und Anstand der einstigen Arbeiterpartei SPD "nichts mehr zu tun". Denn eines stehe fest, betont Enders, die Freien Wähler seien "Bürgerpartei, politische Mitte und nichts anderes".

SPD: "Raus aus der demokratischen Mitte"

Florian von Brunn lässt auf BR-Anfrage durchblicken, dass er den Freien Wählern nicht ihre demokratische Gesinnung grundsätzlich absprechen möchte: "Natürlich sind die Freien Wähler nicht die AfD", sagt er. "Aber sie folgen Aiwanger brav ohne jeglichen Widerspruch raus aus der demokratischen Mitte: nach rechts."

Aiwanger kenne in seinen rechtspopulistischen Aussagen offensichtlich keine Grenzen mehr, kritisiert von Brunn. Der Umgang mit den Vorwürfen zu einem Neonazi-Flugblatt aus seiner Schulzeit sei seines Amtes nicht würdig gewesen. Selbst die CSU habe im Zusammenhang mit Aiwangers Rede auf der Erdinger Heizungsdemo von einem AfD-Sound gesprochen und ihn mit Trump verglichen. "Bayern braucht aber soziale Politik und Anstand, statt Rechtspopulismus und Spaltung."

Politologe: "Ein Jargon, den man von der AfD kennt"

Insbesondere seit Aiwangers umstrittenem Auftritt auf der Erdinger Heizungsdemo im Juni und seinem Aufruf, sich von "denen in Berlin" die Demokratie zurückzuholen, werfen Politiker anderer Parteien dem Freie-Wähler-Chef immer wieder Rechtspopulismus vor. Bei der Sondersitzung des Landtags zu den Antisemitismus-Vorwürfen gegen Aiwanger vergangene Woche sagte von Brunn: Der Minister wiegele Menschen auf und schlage daraus politischen Profit. "Das ist für mich ein Kennzeichen für Rechtspopulismus." Und auch Schulze warnte davor, "das Lied der Rechtspopulisten zu singen".

Der Politologe Albrecht von Lucke sieht durchaus eine Grundlage für den Rechtspopulismus-Vorwurf. Mit Blick auf Aiwangers Erdinger Rede sagte er kürzlich bei Phoenix: "Das ist natürlich ein Jargon, den man ansonsten von der AfD kennt."

Für die Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing, Ursula Münch, gibt es auch "die eine oder andere Parallele" zu Donald Trump. "Dieses Argument, da gebe es Eliten in der Politik, in den Medien, in der Wirtschaft, in der Wissenschaft und diese Eliten haben eine eigene Agenda gegen das, in Anführungszeichen, normale Volk – diesen Populismus hat Aiwanger faktisch übernommen", sagte Münch der "Zeit". Aiwanger spiele auf dieser Klaviatur. "Viele, denen die AfD dann doch zu unappetitlich ist, wählen die Freien Wähler als bürgerlichen Widerpart zur CSU."

Aiwanger: "Haben das Ohr am Bürger"

Aiwanger selbst sieht sich durch den neuen BayernTrend, der den Freien Wählern einen Zuwachs von fünf Prozentpunkten auf einen Rekordwert von 17 Prozent bescheinigte, rundum bestätigt. "Die Leute sehen: Wir machen ehrliche, gute Politik für die Bürger, wir haben das Ohr am Bürger." Und die "Kampagne" gegen ihn habe dieser Zustimmung "noch das Sahnehäubchen" aufgesetzt.

Dagegen ging es für die CSU, für Grüne, SPD und FDP - die Aiwanger für seinen Umgang mit den Antisemitismus-Vorwürfen wiederholt kritisiert hatten - bei der Sonntagsfrage abwärts. "Viele Menschen haben Zukunftsängste, haben Sorgen vor einem sozialen Abstieg - und haben das Gefühl, dass sie von den etablierten Parteien keine Antworten auf ihre Gefühle und ihre Ängste bekommen, auch von der klassischen Opposition nicht", sagte der Passauer Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter der Deutschen Presse-Agentur dazu. "Davon profitieren die Freien Wähler und Hubert Aiwanger." Die Debatte über den Freie-Wähler-Chef habe die Partei noch mehr ins Bewusstsein der Menschen gerückt.

"Freie Wähler sind keine Volkspartei"

Ist es vor diesem Hintergrund für die Opposition wahlkampftaktisch vielversprechend, die Freien Wähler als rechts zu brandmarken? Oberreuter zweifelt das an. "Je mehr nun der Eindruck entsteht, man wolle Aiwanger in eine bestimmte Ecke rücken, desto mehr folgen ihm manche Leute", erläuterte der Politikwissenschaftler. "Nach dem Motto: Der ist nah bei uns, der versteht uns - und jetzt wird er diffamiert und in eine rechte Ecke abgeschoben."

Mehring wähnt die Freien Wähler mittlerweile sogar "auf dem Weg zur zweiten Volkspartei in Bayern". Ihr Bündnis mit der CSU sei ein "Zukunftsmodell für Bayern und Deutschland", schwärmt er. Politikwissenschaftlerin Münch teilt diese Einschätzung nicht. "Die Freien Wähler sind keine Volkspartei, sie sprechen nur ein Milieu an, das die CSU nicht mehr so gut erreicht", sagte sie im "Zeit"-Interview. Die Städter könne Aiwanger nicht begeistern. "Aiwanger kann sehr vieles, aber er kann keine Volkspartei ersetzen."

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