"Nicht für glücklich" halte er einige Sätze Aiwangers. Ausdrücklich nennt Thomas Kreuzer die Formulierung, die schweigende Mehrheit müsse sich "die Demokratie zurückholen": Eine solche Wortwahl müsse man vermeiden, sonst komme man in den Verdacht, der AfD oder Demokratiefeinden nahezustehen, sagte Kreuzer im BR-Interview. Er nennt es eine "Diktion, die sonst Rechte und Rechtsradikale" hätten.
Es ist seine erste öffentliche Äußerung zu Aiwangers Erdinger Rede: Als der Landtag diese Woche über Aiwanger und seinen Auftritt debattierte, schwieg der Fraktionsvorsitzende. Es fiel aber auf, dass er die Regierungserklärung des Wirtschaftsministers nicht beklatschte.
Mit seiner offenen Kritik stellt sich Kreuzer nun in eine Reihe mit anderen CSU-Politikern wie Landtagspräsidentin Ilse Aigner und Staatskanzleichef Florian Herrmann.
"Vollständiger Demokrat"
Ansonsten nimmt der Fraktionschef Aiwanger in Schutz: Der Freie-Wähler-Chef sei "ein vollständiger Demokrat", er habe sich mehrfach von Demokratiefeinden abgegrenzt, zwar "nicht bei dieser Rede, aber sonst". Bedenken gegen die Koalition mit den Freien Wählern gebe es deshalb nicht. Auch für einen Rücktritt Aiwangers sieht Kreuzer "keinen Grund". Als die Grünen Mitte der Woche Aiwangers Entlassung forderten, schmetterten CSU und FW den Antrag gemeinsam ab.
Sind solche Loyalitätsbekundungen allein dem Wahlkampf geschuldet? Immerhin präsentiert Ministerpräsident Markus Söder (CSU) seine Koalition am liebsten als harmonisches Gegenmodell zum Berliner "Ampel-Chaos".
Jedenfalls stand Kreuzer nicht immer so fest zu Aiwanger. Als der Wirtschaftsminister sich zu Corona-Zeiten als Impf-Gegner entpuppte, legte ihm der CSU-Fraktionschef den Rücktritt nahe. Das aber sei nicht vergleichbar mit den jetzigen Äußerungen in Erding, sagt Kreuzer nun: Damals sei es "um Menschenleben gegangen".
Kritik am Münchner Backstage
Dass der Münchner Club "Backstage" Aiwanger ausgeladen hat, missbilligt Kreuzer: "Ich finde, dass wir nicht Meinungsäußerungen zensieren sollten." Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, "dass man nicht mehr sagen kann, was man denkt".
"Sehr kritisch gegenüber der Staatsregierung"
Kreuzer steht vor seinem Abschied aus der Politik. Mit der Landtagswahl im Oktober wird er nicht nur als Fraktionschef aufhören, nach zehn Jahren, sondern ganz aus dem Parlament ausscheiden. Ihm wird regelmäßig vorgeworfen, der Fraktion, laut Selbstverständnis ja die "Herzkammer" der CSU, nicht genug Gehör verschafft zu haben.
Dagegen verwahrt sich Kreuzer: Er sei "sehr oft" kritisch gegenüber der Staatsregierung: "Es kommt laufend vor, dass ich sage, das macht die Fraktion nicht mit." Allerdings tue er das nicht öffentlich: Streit auf offener Bühne sei "ganz schlecht". Und das ist zugleich, klar, die Vorlage für den obligatorischen Seitenhieb auf die Ampel: Offener Streit? "Wir sehen dies in Berlin, das ist eine Katastrophe."
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