Freie-Wähler-Plakat "Heizungsgesetz stoppen!"
Bildrechte: BR/Claudia Hammerschmidt

Freie-Wähler-Plakat "Heizungsgesetz stoppen!"

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

"Gruselig" - Kulturzentrum Backstage lädt Aiwanger aus

Nach dem Wirbel um Hubert Aiwangers Demo-Auftritt in Erding hat das Münchner Kulturzentrum Backstage eine Veranstaltung mit dem Freie-Wähler-Chef abgesagt: Rote Linien seien überschritten worden. Die Opposition zeigt Verständnis, Aiwanger stichelt.

Die Plakate hängen vielerorts im Münchner Stadtgebiet: "Heizungsgesetz stoppen" steht unter einem großen Foto des Freie-Wähler-Chefs und bayerischen Vize-Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger. Darunter Veranstaltungsort und Datum: 29. Juni, Backstage. Seit dem späten Mittwochabend steht fest: Den auf den Freie-Wähler-Plakaten beworbenen Aiwanger-Abend wird es in dem Münchner Kultur- und Veranstaltungszentrum für Pop- und Rockkonzerte nicht geben. Nach dem bundesweiten Wirbel um Aiwangers Auftritt und Wortwahl bei einer Demo gegen das Heizungsgesetz in Erding hat das Backstage die Notbremse gezogen.

Als zentralen Grund führt das Kulturzentrum Aiwangers Äußerungen und Auftritte der vergangenen Wochen "und noch schlimmer die aktuellen Vorkommnisse am vergangenen Wochenende in Erding" an. In einer Mitteilung heißt es: "Für so etwas können wir nicht zur Verfügung stehen und lehnen das strikt ab." Aiwangers Äußerungen seien mit den Werten des Backstage nicht vereinbar.

Der Freie-Wähler-Chef hatte am Samstag bei einer Anti-"Heizungsideologie"-Demo vor 13.000 Menschen der Bundesregierung vorgeworfen, Deutschland kaputt machen zu wollen, und forderte ihren Rücktritt - wenn sie noch einen "Funken Anstand" habe. Und er rief die Bevölkerung dazu auf, die "Berliner Chaoten" vor sich herzutreiben: "Jetzt ist der Punkt erreicht, wo endlich die schweigende große Mehrheit dieses Landes sich die Demokratie wieder zurückholen muss." Politiker mehrerer Parteien warfen Aiwanger anschließend Populismus und Fischen am rechten Rand vor.

"Stark populistisch und sogar eher hetzerisch"

Das Backstage wertete Aiwangers Auftritt als "wohl stark populistisch und sogar eher hetzerisch". Der Vize-Ministerpräsident habe sich ohne Gegenpositionierung von Rechtsextremen, Demokratiefeinden und AfDlern beklatschen lassen. "So was darf und wird sich bei uns nicht wiederholen." Zudem kritisierte das Kulturzentrum Aiwangers "populistische" und queer-feindliche Aussagen zu einer Drag-Lesung in München. Rote Linien seien für das Backstage dort überschritten, "wo gehetzt, menschenfeindliche oder minderheitendiskrimierende Haltungen verbreitet" würden oder keine klare Abgrenzung gegen Rechtsextreme stattfinde.

In einer "persönlichen Anmerkung" rief Backstage-Gründer und -Geschäftsführer Hans-Georg Stocker die Freien Wähler auf, "die Art und Form der Aussagen zu überdenken und auch ggf. ihren Spitzenkandidaten zur Räson zu rufen". Im Fall einer eindeutigen Positionierung sei das Backstage zu einem offenen Dialog mit den Freien Wählern bereit. Angesichts von Aiwangers jüngsten Äußerungen steige bei ihm aber leider der Pessimismus. "Das wird gerade zunehmend gruseliger, vor allem wenn man bedenkt, dass dieser bis jetzt unser stellvertretender Ministerpräsident ist".

Dem BR sagte Stocker, das Backstage habe zudem befürchtet, dass die Veranstaltung organisatorisch aus dem Ruder läuft. Die Freien Wähler hätten ursprünglich für 50 bis 100 Teilnehmer angefragt. "Danach hatten wir aber eine riesige Plakataktion in München beobachtet und uns gefragt, ob das tatsächlich bei dieser Veranstaltungsgröße bleiben kann."

Aiwanger: "Schon krass"

Laut Freie-Wähler-Sprecher Christoph Hollender war der Abend unter dem Motto "Heizungsgesetz stoppen" als Teil eines bayernweiten Wahlkampfformats geplant, das in den vergangenen Wochen in der Bevölkerung auf eine sehr positive Resonanz gestoßen sei. Aiwanger selbst sagte dem BR mit Blick auf die Absage: "Denen ist das Thema und das Drumherum wahrscheinlich zu heiß geworden." Verständnis für die Entscheidung hat der Vize-Ministerpräsident nicht: "Schon krass, dass das Thema, wie man seine Wohnung warmhalten darf, zu einem solchen gesellschaftlichen Streit führt."

Der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler im Landtag, Florian Streibl, zeigt sich überrascht: "Diese Reaktion, die ich nicht erwartet habe, macht mich zutiefst betroffen. Insbesondere, da wir im Landtag von Anfang an klargemacht haben, wie wir zur AfD stehen." Streibl distanziert sich in Landtagsdebatten immer wieder unmissverständlich von der AfD - Aiwanger allerdings überließ das zuletzt eben Streibl und anderen Parteifreunden.

AfD pocht auf Meinungsfreiheit

Der Vize-Fraktionschef der AfD-Landtagsfraktion Gerd Mannes, der den Minister am Mittwoch für seine Erdinger Wortwahl ausdrücklich gelobt hatte, kritisierte die Backstage-Entscheidung. "Die AfD steht zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und verteidigt Rede- und Meinungsfreiheit, weil sie für die Demokratie unverzichtbar sind", teilte er dem BR mit. "Wir akzeptieren keinen übergriffigen Dirigismus mit dem Hang zur Haltungsdiktatur."

Die AfD habe immer vor der "ideologisch motivierten links-grünen Katastrophen-Politik" gewarnt. Seine Partei freue sich, wenn sich nun sogar Politiker in Regierungsverantwortung dieser Meinung anschließen.

FDP: Wichtiges Zeichen

Dagegen sprach der FDP-Landtagsabgeordnete Wolfgang Heubisch auf Twitter von einem wichtigen Zeichen: "Die liberale Stadtgesellschaft in München möchte nichts mit einem Politiker zu tun haben, der im rechten Lager fischt."

Nach Meinung von Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann bekommt Aiwanger nun die Konsequenzen seiner "Grenzüberschreitungen" zu spüren. Nach wie vor zeige der Minister keine Einsicht. Aiwanger lege jeden politischen Anstand ab, trete die Demokratie mit Füßen und spalte die Gesellschaft. "Eine Münchner Kulturinstitution will hier nicht unterstützen – das finde ich richtig“, betonte Hartmann. Das Backstage stelle sich gegen Aiwangers populistische Stimmungsmache.

Die bayerische SPD-Generalsekretärin Ruth Müller forderte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zum Handeln auf. Nach dem Verband der bayerischen Energiewirtschaft distanziere sich mit dem Backstage jetzt der nächste Unternehmer vom bayerischen Wirtschaftsminister: "Wie lange will Markus Söder noch zusehen, wie sein Stellvertreter der bayerischen Wirtschaft schadet und den Freistaat lächerlich macht?"

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!