Borkenkäfer an einer Baumrinde
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Kleiner Schädling, große Schäden: Förster sind in diesen Tagen auf der Suche nach dem Borkenkäfer.

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"Befall von null auf 100": Borkenkäfer-Zahlen sind explodiert

Der Borkenkäfer ist der Feind der Fichten. Nach dem relativ nassen Frühjahr hofften die Waldbesitzer auf Entspannung. Doch es könnte wieder ein schlimmes Borkenkäferjahr werden. Das zeigen die ersten Suchaktionen, zum Beispiel im Bayerischen Wald.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Niederbayern und Oberpfalz am .

Forstwirt Michael Saller hatte in den letzten Tagen weder Motorsäge noch Arbeitshelm dabei. Seine einzige Ausrüstung: eine Spraydose, ein Fernglas und ein Handy mit der "Käfer-App."

Der ganze Arbeitstag besteht aus der Suche nach Fichten, die vom Borkenkäfer befallen sind. Dafür muss man gut zu Fuß sein und braucht einen geübten Blick. Denn gesucht wird nach den zunächst unauffälligen Spuren, die das wenige Millimeter große Insekt an Fichten hinterlässt, in die es sich hineingebohrt hat. Die kleinen Bohrlöcher in der Rinde selbst sind kaum zu sehen.

Auf Spurensuche: Der Sherlock Holmes des Waldes

Michael Saller achtet auf einzelne dürre Äste an Fichten, auf die vermehrte Abgabe von Baumharz am Stamm, mit dem der Baum versucht, sich gegen den Käfer zu wehren, und auf Bohrmehl am Stammfuß. "Das braune Pulver hier, das ist das Bohrmehl. Sieht aus wie Schnupftabak. Das zeigt, der Baum ist ganz frisch befallen. Ein Zeichen ist auch, wenn am Waldboden viele grüne Nadeln liegen", sagt Forstwirt Saller. Denn grüne Nadeln wirft eine Fichte sonst nicht ab.

Es ist kaum zu glauben, dass eine befallene Fichte dem Tod geweiht ist. Denn man sieht ihr anfangs kaum etwas an. Michael Saller schneidet mit einem Taschenmesser ein Stück Rinde ab. Dann sieht man: Darunter krabbelt ein Käfer und er ist nicht allein. Wer genauer schaut, entdeckt überall Bohrlöcher. Hunderte Borkenkäfer zerstören den Baum von innen her.

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Dieser Baum muss weg: Forstwirt Michael Saller markiert im Wald bei Zwiesel einen befallenen Baum mit Farbspray.

Käferlarven zerstören die Bastschicht

Borkenkäfer bohren sich in Fichten, um unter der Rinde ihre Eier abzulegen. Die Larven ernähren sich nach dem Schlüpfen von der Bastschicht des Baums. Diese dünne Schicht unter der Rinde ist aber das lebenswichtige Adersystem des Baums. In ihr werden Wasser und Nährstoffe transportiert. Wird sie zerstört, stirbt der Baum. Das Problem am Borkenkäfer ist, dass in der Regel nicht einer, sondern gleich Massen von Käfern einen einzigen Baum und dann auch noch viele Bäume rundherum befallen. Deshalb findet man meistens auch regelrechte "Käferlöcher", also eine ganze Fichtengruppe, die vom Borkenkäfer befallen ist.

Per App werden Fundstellen markiert

Befallene Fichten markiert Michael Saller mit rotem Signalspray und einer Ziffer. Außerdem gibt der Forstwirt die Fundstelle auf Waldkarten in einer App auf seinem Handy ein. Und Michael Saller sucht nicht als einziger. Im Forstbetrieb Bodenmais zum Beispiel sind in den Suchwochen knapp 50 Forstwirte und Förster gleichzeitig unterwegs, jeder allein, weil man sich konzentrieren muss. Rund die Hälfte der etwa 17.000 Hektar großen Wälder werden zu Fuß abgesucht. Ausgenommen sind nur Laubwälder und Jungbestand. Über die App, in die alle ihre Funde eingeben, kann man später im Büro genau planen, wo Holzfäller und Harvester ausrücken müssen, um das Käferholz zu fällen.

Bekämpft wird durch das Fällen der Bäume

Nach dem Finden befallener Bäume muss es schnell gehen. Die betroffenen Fichten werden gefällt, dann schnell aus dem Wald heraustransportiert und entrindet. Denn selbst in gefällten Bäumen im Wald würden sich die Käferlarven weiterentwickeln. Vier bis sechs Wochen später würden sie als fertige Käfer ausfliegen und ihrerseits neue Fichten befallen, um sich dann selbst zu vermehren. Ein zerstörerischer Kreislauf:

"Aus einem einzigen befallenen Käferbaum können, wenn die Jungkäfer schlüpfen, zwanzig neue Bäume befallen werden. Wenn wir das gleiche Spiel noch einmal vier bis sechs Wochen später haben, werden aus den zwanzig befallenen Bäumen 400. Das potenziert sich also." Jürgen Völkl, Leiter des Forstbetriebs Bodenmais

Nichts dagegen zu tun, kann also ganze Fichtenwälder absterben lassen. Als langfristige Lösung gegen den Borkenkäfer sieht man Mischwälder. Zwar wachsen von selbst auch immer wieder Fichten durch Naturverjüngung, also durch Samen, nach. Man fördert aber auch andere Baumarten, pflanzt sie teils aktiv nach, von Buchen bis zu Tannen und Douglasien. Je mehr verschiedene Baumarten ein Wald hat, umso stabiler ist er. Denn eigentlich hat jede Baumart ihre speziellen Schädlinge. Tritt einer davon in Massen auf wie eben der Borkenkäfer, stirbt in einem Mischwald trotzdem nicht gleich der ganze Wald.

Wird es ein schlimmes Borkenkäferjahr?

Das vergleichsweise kühle und nasse Frühjahr 2023 hat viele Waldbesitzer hoffen lassen, dass es heuer zumindest erst später losgeht mit dem Borkenkäferproblem. Denn der Käfer schwärmt erst ab 16,5 Grad, braucht es auch sonst warm und trocken. Im rund 17.000 Hektar großen Staatsforstbetrieb Bodenmais, der von Deggendorf bis zum Arber reicht, gab es bei einer ersten Suchaktion vor vier Wochen tatsächlich noch wenig Befall. Jetzt sind die Zahlen explodiert. "Wir haben an einem einzigen Tag gut 1.000 Festmeter befallene Fichten gefunden. Ich rechne mit einem schlimmeren Käferjahr als 2022", sagt Jürgen Völkl.

Sind die Fichten jetzt widerstandsfähiger?

Ähnlich schätzt es zum Beispiel die Waldbesitzervereinigung Regen ein. Der Befall sei in den letzten Wochen relativ unerwartet "von Null auf Hundert" gestiegen, so Geschäftsführer Markus Wirsich. Sogar große vitale Fichten und Bäume in schattigen Nordlagen seien betroffen - sonst eher die Ausnahme. Eine Prognose ist aber schwer.

Die Bayerischen Staatsforsten gehen davon aus, dass die Fichten nach dem nassen Frühjahr widerstandsfähiger gegen den Borkenkäfer sind als in den Jahren, in denen sie von Anfang an Trockenstress hatten. Der erste Schwärmflug der Borkenkäfer habe zudem später begonnen als in den Dürrejahren 2018 und 2019. Im letzten Forstjahr, das Ende Juni endet, gab es in Niederbayern und der Oberpfalz knapp 169.000 Festmeter Käferholz in den Staatsforsten, also Fichtenholz, das wegen Befall umgeschlagen wurde.

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