Ein Mann im weißen Hemd, es ist der bayerische Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger, neben ihm ein Schild mit der Aufschrift "Stoppt die Heizungsideologie".
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Aufgeheizte Stimmung in der Heizungsdebatte: Spaltet der Populismus Deutschland?

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Spaltet der Populismus Deutschland?

"Geistiger Brandstifter": Die Kritik an Aiwangers Auftritt in Erding reißt nicht ab, die Debatte über Populismus und bürgerlichen Protest ist durch die Heizungsdebatte voll hochgekocht. Spaltet der Populismus Deutschland? Possoch klärt!

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"Heizungsideologie", "links-grüner Gender-Gaga", "Berliner Chaoten", die den "Arsch offen" haben: Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger fand vor einer Woche bei der Demo in Erding deutliche Worte. Die Diskussion um das "Heizungsgesetz" hat Deutschland ordentlich hochgekocht und die Umfragewerte für die AfD in die Höhe getrieben.

Ist das Populismus? Für Jasmin Riedl, Politikprofessorin an der Universität der Bundeswehr München, ist im BR24-Interview für das neue "Possoch klärt" (Video oben, Link unten) der Fall eindeutig: "Das ist populistischer Sprech, das kann man ganz klar sagen."

Mehr als Bierzelt-Rhetorik?

In diesem Fall sei der populistische Sprech auch nicht einfach als Bierzelt-Rhetorik zu verbuchen, sondern gefährlich und problematisch, weil "demokratisch legitimierten, gewählten Vertreterinnen und Vertretern genau dies abgesprochen wird".

Vor allem Aiwangers Satz, dass jetzt "der Punkt erreicht (ist), wo endlich die schweigende große Mehrheit dieses Landes sich die Demokratie wieder zurückholen muss" steht im Zentrum dieser Kritik.

Im Video: Heizungsdebatte – Spaltet der Populismus Deutschland?

"Große Mehrheit gegen Heizungsgesetz": wirklich?

Dass der laute Protest von Aiwanger, Söder & Co. nicht aus der Luft gegriffen sein könnte, legen einige Umfragen nahe, nach denen knapp 80 Prozent das Heizungsgesetz ablehnen. Wirtschaftsweise Veronika Grimm stellt jedoch auf Twitter heraus, dass dies auch mit der Fragestellung zusammenhängen könnte. Als gefragt wurde, ob Sie es richtig finden, dass ab 2024 Öl- und Gasheizungen verboten werden sollen, dann geben diese Umfrage tatsächlich eine große Mehrheit wieder.

Wenn allerdings so gefragt wird: Ab 2024 dürfen keine reinen Öl- und Gasheizungen mehr eingebaut werden, bestehende Heizungen dürfen jedoch bis Ende 2044 weiterbetrieben werden – wie finden Sie das? Dann war das Bild deutlich differenzierter, wie bei einer Befragung des Sachverständigenrats für Verbraucherfragen zu sehen ist.

Mit dem jetzigen Heizungskompromiss würden die Regeln für Öl- und Gasheizungen ohnehin erst ab etwa 2028 gelten.

Warum spaltet die Heizungsdebatte so?

Wie das Ergebnis dieser Umfrage zeigt: Bei diesem Wording liegt die Akzeptanz für das neue Gebäudeenergiegesetz höher. Warum aber hatte der Heizungsstreit überhaupt so ein Potenzial, die Gesellschaft zu spalten? Für Jasmin Riedl ist die Heizungsdebatte nur eine Stellvertreterdebatte:

"Es geht um die Ängste und Sorgen der Menschen, die von den Akteuren in dieser Debatte verstärkt oder beschwichtigt werden und am Ende geht es da tatsächlich auch um Geld. Was bleibt dem Einzelnen in der Tasche übrig?" Kai Arzheimer, Politikprofessor an der Universität Mainz, ergänzt im BR24-Interview: "Es geht um Machtdynamiken. Die FDP positioniert sich als Opposition in der Regierung, die Union glaubt auch, mit der Heizungsdebatte die Regierung auseinanderdividieren zu können. Natürlich hat es auch mit dem Gefühl zu tun, jetzt AfD-Wähler zurückgewinnen zu können."

AfD im Umfragehoch: wegen des Heizungsgesetzes?

Im ARD-DeutschlandTrend vom Juni erreicht die AfD den höchsten Sonntagsfragen-Wert seit langem, ist gleichauf mit der SPD.

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Sonntagsfrage zur Bundestagswahl: AfD gleichauf mit der SPD

Stärkt der Streit um grüne Themen wie aktuell das Heizen am Ende die AfD? "Nicht direkt", analysiert Politikwissenschaftler Arzheimer, "es gibt keine Wählerwanderung weg von den Grünen hin zur AfD." Grüne und AfD seien jedoch Antipoden, bei allen Themen "maximal weit weg voneinander".

Für Jasmin Riedl spielt da das Phänomen der "Negative Voting Intention" hinein, die negative Wahlabsicht: "Wählerinnen oder Wähler wählen zum Beispiel die AfD nicht deswegen, weil man sie besonders gut findet, sondern weil man damit eine Gegenposition gegen andere Parteien einnehmen möchte."

Populismus mit Populismus bekämpfen?

Wähler aus dem rechten Lager zurückzugewinnen, ist für viele Parteien ein erklärtes Ziel. Die Frage ist: mit welcher Strategie? "Die Forschung zeigt: Wenn man die Themen rechtsradikaler Parteien bespielt, wenn man deren Rhetorik kopiert, das gibt eigentlich nur diesen Parteien Auftrieb, weil die Wähler dann eben das Original wählen und nicht die billige Kopie", sagt Kai Arzheimer.

Dass in der Heizungsdebatte viel Populismus steckt, ist für Politikprofessorin Riedl sicher: "Da geht es sehr viel darum, ein 'Wir gegen die' zu konstruieren, ein 'Wir hier unten gegen die da oben'."

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