Hubert Aiwanger auf einen Klassenfoto im Schuljahr 1988/1989
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Hubert Aiwanger auf einen Klassenfoto im Schuljahr 1988/1989

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Vorwurf gegen Aiwanger: Juden-Witz bei Fahrt zu KZ-Gedenkstätte

Zunächst schildert ein Schulkamerad Hubert Aiwangers Hitlergruß im Klassenzimmer, jetzt meldet sich ein weiterer Mitschüler: Aufgestoßen sei ihm, dass dieser rund um einen KZ-Gedenkstätten-Besuch einen "abstoßenden" Witz über Juden erzählt habe.

Über dieses Thema berichtet: report MÜNCHEN am .

Angesichts der Debatte über die politische Haltung Huber Aiwangers (Freie Wähler) in dessen Jugend hat ein weiterer früherer Mitschüler dem BR seine Erinnerungen geschildert. "Ich kenne Hubert Aiwanger aus der Schule, Burkhart-Gymnasium Mallersdorf. Ich war im gleichen Jahrgang mit ihm und wir haben dort 1990 das Abitur gemacht", schildert der Mann, der eine eidesstattliche Versicherung abgegeben hat, namentlich aber nicht genannt werden möchte - zum Schutz von Angehörigen.

Besonders in Erinnerung geblieben sei ihm im Zusammenhang mit Aiwanger eine Schulfahrt in der 10. Klasse in die damalige DDR im Mai 1987. Im Zuge der Fahrt sei auch eine KZ-Gedenkstätte besucht worden. "An einem Abend ist mir sehr stark aufgestoßen, dass er einen Witz über Juden gemacht hat, der mir als sehr abstoßend in Erinnerung geblieben ist", erzählt der Schulkamerad BR24. "Auch an einen Witz über Kinder in Afrika mit Hungerbauch kann ich mich gut erinnern. Es erschien mir, dass Hubert diese Art von Humor sehr köstlich fand."

Der Mitschüler hat der BR24-Redaktion auch den judenfeindlichen Witz wiedergeben, der ihm von Aiwanger in Erinnerung geblieben sein soll. Aufgrund seiner Heftigkeit wollte er diesen aber nicht veröffentlicht sehen. Die Freien Wähler ließen eine Frist mit Möglichkeit zur Stellungnahme zu der Aussage verstreichen.

Anderer Mitschüler: Witze über Juden und Auschwitz "definitiv gefallen"

Die Erinnerung des Ex-Mitschülers deckt sich mit Schilderungen von Mario Bauer, der am Dienstagabend als erster früherer Klassenkamerad Hubert Aiwangers offen vor laufender Kamera über gemeinsame Schuljahre gesprochen hatte. Auch er erinnerte sich im Interview mit dem ARD-Politikmagazin "report München" und BR24, dass Aiwanger "judenfeindliche Witze über Auschwitz und so weiter" erzählt habe. "Die sind definitiv gefallen, 100 Prozent."

Die Freien Wähler reagierten auf die gestrige Veröffentlichung mit einer Stellungnahme, in der sich Landesverband, Fraktionsvorstand und Kabinettsmitglieder geschlossen hinter ihren Vorsitzenden stellten: "Sie wehren sich gegen alle Diffamierungsversuche und Spekulationen zur Person Hubert Aiwanger." Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte am Morgen, dass auch "die neuen Vorwürfe" Teil des 25-Fragen-Katalogs seien, den Aiwanger schriftlich beantworten soll. "Da darf kein Verdacht übrig bleiben. Das gilt für die Fragen, die am Wochenende gestellt wurden, auch die neuen Vorwürfe, die jetzt bekannt geworden sind." Aber es müsse in einem fairen Verfahren stattfinden. Söder verlangt eine "zeitnahe und maximal transparente Antwort".

Aiwanger: "Schmutzkampagnen gehen nach hinten los"

Am Wochenende hatten Vorwürfe gegen Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger im Zusammenhang mit einem den Holocaust verharmlosenden Flugblatt aus seiner Schulzeit ein landespolitisches Beben ausgelöst. In dem Papier, das im Schuljahr 1987/88 an Aiwangers Schule aufgetaucht war, geht es um einen fiktiven "Bundeswettbewerb" mit dem Titel "Wer ist der größte Vaterlandsverräter?". Als erster Preis wird "ein Freiflug durch den Schornstein in Auschwitz" genannt, vierter Preis ein "einjähriger Aufenthalt in Dachau". Zudem ist vom "Vergnügungsviertel Auschwitz" die Rede.

Medienberichten zufolge fiel der Verdacht schnell auf den 16 oder 17 Jahre alten Hubert Aiwanger, weil dieser in der Klasse als Hitler-Imitator aufgefallen sei. Zwar bekannte sich mittlerweile Aiwangers Bruder Helmut dazu, Verfasser des Papiers zu sein. Noch immer steht aber zumindest eine Beteiligung von Hubert Aiwanger im Raum. Schließlich hatte gegen ihn die Schule vor 35 Jahren ein Disziplinarverfahren angestrengt, nachdem in seiner Schultasche ein oder mehrere Exemplare gefunden worden waren, wie er selbst einräumte. Ob er es verteilt hat, daran erinnert er sich nach eigenen Angaben nicht mehr. Am Mittwochmorgen veröffentlichte Aiwanger erstmals seit Tagen wieder einen Post im Kurznachrichtendienst X (früher Twitter): "Schmutzkampagnen gehen am Ende nach hinten los."

"Hitlergruß im Klassenzimmer"

Reporterinnen und Reporter des BR sprachen in den vergangenen Tagen mit zahlreichen Mitschülern Aiwangers. Deren Schilderungen waren sehr unterschiedlich, nicht jeder erinnerte sich an rechtes Gedankengut - zitiert werden wollten sie nicht. Vor der Kamera äußerte sich bislang nur Mario Bauer. Er erzählte "report München" und BR24, Aiwanger habe beim Betreten des vollbesetzten Klassenzimmers ab und zu "einen Hitlergruß gezeigt". Auch habe er oft Hitler-Reden imitiert. "Da wollte er immer damit auffallen." Man könnte natürlich sagen, es sei eine pubertäre Phase gewesen, viele hätten ihn damals "als Spinner" abgetan.

Ähnlich wie Mario Bauer kann der weitere - dem BR namentlich bekannte - Schulkamerad zum antisemitischen Flugblatt nichts aus eigener Erinnerung sagen, davon habe er erst später aus dritter Hand erfahren. "Sein Bruder Helmut war ab der 11. Klasse auch im Jahrgang. Er war vom Charakter und Aussehen ganz anders. Helmut hatte lange, lockige Haare, stand oft in der Raucherecke der Kollegstufe und hat selbstgedrehte Zigaretten geraucht."

"Von nationalsozialistischem Gedankengut geprägt"

Hubert Aiwangers politische Haltung war nach Einschätzung des Ex-Mitschülers "damals auf jeden Fall deutlich rechts der CSU angesiedelt und von nationalsozialistischem Gedankengut geprägt", wie er sagt. "Diese Einschätzung teilen auch andere Klassenkameraden, mit denen ich diese Woche im Kontakt stand." Im Alltag habe Hubert Aiwanger mehrfach abwertend über andere geredet. "Türkische Mitbürger hat er zum Beispiel als 'Kanaken' bezeichnet, Dunkelhäutige als 'Neger' und Homosexuelle als 'Schwuchtel'."

Im Video: Mario Bauer schildert seine Erinnerungen an Hubert Aiwanger

Mario Bauer im BR-Interview
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Mario Bauer im BR-Interview

Transparenzhinweis: In einer früheren Fassung des Texts war in der Überschrift verkürzt von einem "KZ-Besuch" die Rede. Die Überschrift wurde geändert, um den korrekten Begriff der "KZ-Gedenkstätte" zu verwenden.

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