BR24 Wahl - Die Konfrontation
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BR24 Wahl - Die Konfrontation

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TV-Debatte: Aiwanger und die "Lust am Missverständnis"

Hubert Aiwanger gegen die Ampel - SPD und FDP gegen Freie Wähler und AfD: In der BR24-Debatte zur Bayern-Wahl attackieren sich die Spitzenkandidaten gegenseitig scharf. Viel bekommt der Wirtschaftsminister ab - auch durch eigenes Zutun. Eine Analyse.

Über dieses Thema berichtet: BR24live am .

Hubert Aiwanger muss viel einstecken an diesem Abend: "Standortrisiko für Bayern", "auf dem Holzweg unterwegs", "keine seriöse Politik". Aber Aiwanger wäre nicht Aiwanger, wenn er nicht selbst ebenfalls austeilen würde: Mal ist die FDP ein Problem für Bayern, mal die SPD "unser Problem in Berlin". Mal klagt der Freie-Wähler-Chef, dass "Berlin uns hier in die Suppe spuckt", mal kritisiert er die "Ampelianer".

Wer sich beim Schlagabtausch zwischen Markus Söder (CSU) und Ludwig Hartmann (Grüne) am Dienstag mehr Attacken gewünscht hätte, bekommt im Wettstreit der Spitzenkandidaten von Freien Wählern, AfD, SPD und FDP am Mittwoch deutlich mehr davon zu sehen und zu hören. Besonders für Florian von Brunn (SPD) und Martin Hagen (FDP) ist "BR24 Wahl – Die Konfrontation" angesichts niedriger Umfragewerte noch einmal eine große Bühne, um auf sich aufmerksam zu machen. Freie Wähler und AfD hoffen derweil noch, den Grünen bei der Landtagswahl am Sonntag Platz zwei hinter der CSU streitig zu machen.

Kritik von SPD und FDP, Unterstützung von der AfD

Scharfe Kritik äußern die Vertreter von SPD und FDP vor allem an Hubert Aiwangers Bilanz als bayerischer Wirtschaftsminister. Beide werfen dem Freie-Wähler-Politiker vor, die wichtigen Stromtrassen nach Bayern blockiert zu haben. Der SPD-Politiker von Brunn erklärt Aiwanger zum "Standortrisiko für Bayern" und hält ihm vor: "Das Einzige, was Sie erfolgreich geschafft haben, wenn ich das mal so deutlich sagen darf, war, 90.000 Wischmopps zu kaufen in der Corona-Krise." Hagen beklagt, in den fünf Jahren Amtszeit von Aiwanger habe "sich nichts zum Besseren gewendet".

Zur Seite springt dem Freie-Wähler-Vorsitzenden der AfD-Spitzenkandidat Martin Böhm: "Hubert Aiwanger als Wirtschaftsminister ist an dem, was wir erleben, kaum schuld, und kann auch nichts daran ändern. Das ist die desaströse Politik der Ampel-Abriss-Truppe in Berlin", schimpft Böhm. BR-Chefredakteur Christian Nitsche will von Aiwanger wissen, was er zum Zuspruch aus der AfD sage: "Ich schaue hier nicht, vom wem Argumente kommen oder Lob oder Tadel kommt. Das wird ja politisch alles mittlerweile überbewertet", argumentiert der Freie-Wähler-Politiker. "Ich vertrete meine Position. Und wer das gut findet, ist meiner Meinung, und wer nicht, eben nicht."

Russisches Gas für Deutschland?

Kabarettist Bruno Jonas sagte kürzlich der "Welt", es gebe im Umgang mit Hubert Aiwanger eine große "Lust am Missverständnis". Vor allem die Medien freuten sich immer, wenn sie etwas falsch verstehen könnten. "Heute darf nicht nur jeder sagen, was er kann, heute darf auch jeder verstehen, was er will. Es herrscht Verstehensfreiheit." Ob es nun an der "Lust am Missverständnis" seiner Kontrahenten liegt oder an der Uneindeutigkeit seiner Aussagen: Auch im TV-Schlagabtausch sagt der Vize-Ministerpräsident wieder Sätze, für die er scharf kritisiert wird.

Beispiel Energie: Zunächst plädiert AfD-Politiker Böhm dafür, wieder Gas aus Russland zu beziehen. Daraufhin sagt Aiwanger, das große Problem sei, dass Russland Energie nun woanders hin verkaufe, dass "Länder wie Österreich und Ungarn weiter am russischen Gas hängen". Und jetzt hoffe Deutschland, "dass die das auch weiter bekommen, sonst müssten wir Österreich im kommenden Winter aus deutschen Speichern mitversorgen".

Ob er also ebenfalls für verstärkte Gas-Importe aus Russland sei, fragen die Moderatoren. "Natürlich müssen wir hier versuchen, unsere Energiespeicher weiterhin voll zu halten", antwortet Aiwanger ausweichend. Erst auf die zweite Nachfrage sagt der Minister: "Derzeit lehnen wir das ab." Florian von Brunn bezeichnet es daraufhin als "absolut verwerflich und falsch", darüber zu spekulieren, "dass man vielleicht in ein, zwei Jahren - so wie es Herr Aiwanger und Herr Böhm machen - wieder russisches Gas von Putin kauft".

Familienbild des "19. Jahrhunderts"

Ein weiteres Beispiel: Die Debatte über fehlende Kita-Plätze. Aiwanger spricht sich dafür aus, "weiter nachzurüsten, aber eben bedarfsgerecht". Und wenn Eltern und Großeltern in den ersten Jahren die Kinder noch gut zu Hause betreuen könnten, müssten diese nicht unbedingt in die Kita.

"Das sind ja wirklich Familienbilder, die sind aus dem letzten Jahrhundert, Herr Aiwanger", kritisiert von Brunn und korrigiert sich dann: "Das ist ja 19. Jahrhundert." Er sei wirklich schockiert, dass sich Aiwanger auf das Niveau der AfD herabbewege und die Notwendigkeit von Kitas infrage stelle - während 60.000 Betreuungsplätze im Freistaat fehlten.

Aiwanger: Demokratie wird "derzeit nicht gelebt"

Als über die Demokratie diskutiert wird, beklagt Aiwanger einmal mehr, dass diese in Deutschland "derzeit nicht gelebt" werde und verweist auf das Heizungsgesetz der Bundesregierung und die Zuwanderungspolitik. Die Ampel habe systematisch gegen den mehrheitlichen Bürgerwillen regiert.

Hagen mahnt, Politiker sollten nicht anfangen, die parlamentarische Demokratie infrage zu stellen. Nur weil den Freien Wählern, die bei der Bundestagswahl lediglich 2,5 Prozent der Stimmen erhalten hätten, ein Gesetz nicht gefalle, "heißt das nicht, dass unsere Demokratie nicht funktioniert". Und auch von Brunn attestiert dem Minister eine "komische Vorstellung": "Es gibt viele Leute, die wünschen sich mehr Kita-Plätze in Bayern, einen besser ausgebauten Ganztag, als es der Fall ist. Deswegen stellt man doch nicht Demokratie infrage, weil das nicht passiert."

Es wird natürlich nicht nur gestritten in der Sendung, vielmehr tauschen die Kandidaten auch Sachargumente aus - mit zuweilen wechselnden Allianzen. Bei Schule und Steuern argumentieren Hagen und von Brunn ähnlich, bei Klima und Migration ist der FDP-Politiker näher an Aiwangers Position. Böhm wiederum entdeckt öfter Gemeinsamkeiten mit dem Freie-Wähler-Chef. Immer wieder aber wird auch Aiwanger selbst durch seien Äußerungen zum Thema.

Aiwanger zeigt sich selbstbewusst

Aller Kritik der vergangenen Wochen zum Trotz - wie groß das Selbstbewusstsein der Freien Wähler angesichts ihres aktuellen Umfragehochs ist, zeigt Aiwanger gleich am Anfang der Sendung. BR-Chefredakteur Nitsche spricht ihn auf Söders Aussage vom Vorabend an, dass er auf Aiwanger aufpassen müsse, "wo der hinläuft".

Der Freie-Wähler-Chef will das als Bestätigung verstanden wissen: "Es ist ja schön, dass sich die CSU so interessiert, was wir tun, wir haben sie bei vielen Themen auf unsere Spur geführt", sagt der Minister und bezeichnet den deutlich größeren Koalitionspartner als "Nachfolger", der Ideen der Freien Wähler umsetze. "Also, ich lasse mich hier gerne von der CSU observieren."

Im Video: "BR24 Wahl – Die Konfrontation" von Dienstagabend

Der Landtagswahlkampf ist auf der Zielgeraden. Bei BR24 Wahl - Die Konfrontation trafen gestern Abend weitere Spitzenkandidaten aufeinander.
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Der Landtagswahlkampf ist auf der Zielgeraden. Bei BR24 Wahl - Die Konfrontation trafen gestern Abend weitere Spitzenkandidaten aufeinander.

Der BR24 Kandidaten-Check:

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