Die Angeklagte Andrea Tandler (3.v.r) steht zu Prozessbeginn an ihrem Platz im Gerichtssaal vor ihren beiden Anwältinnen Cheyenne Blum (2.v.r) und Sabine Stetter (r). Andrea Tandler und ihr Partner (2.v.l), zwei Schlüsselfiguren der Maskenaffäre in Bayern, müssen sich wegen steuerrechtlicher Vorwürfe vor dem Landgericht München I verantworten.
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Andrea Tandler, Tochter des früheren CSU-Generalsekretärs Gerold Tandler, muss sich vor dem Landgericht München I verantworten.

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Masken-Prozess: Tandler bestreitet absichtliches Steuervergehen

Prozessauftakt in München: Andrea Tandler soll bei Maskengeschäften 23,5 Millionen Euro Steuern hinterzogen haben. Vor Gericht bricht sie ihr Schweigen und bestreitet eine Betrugsabsicht. Sie habe nach "bestem Wissen und Gewissen" gehandelt.

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In einem Steuerprozess im Zusammenhang mit der bayerischen Corona-Maskenaffäre hat sich die Politikertochter Andrea Tandler gegen den Vorwurf einer absichtlichen Steuerhinterziehung gewehrt. Es sei ihr niemals darum gegangen, zu betrügen, sagte Tandler vor dem Landgericht München I. "Ich habe diese Geschäfte nach bestem Wissen und Gewissen abgewickelt und wollte, dass alles steuerlich korrekt gehandhabt wird." Allerdings räumte sie ein, dass in der damaligen hektischen Zeit "Fehler passiert sein können".

Die Tochter des früheren CSU-Generalsekretärs Gerold Tandler und ihr Geschäftspartner Darius N., die sich nun erstmals äußerten, hatten zu Beginn der Corona-Pandemie Masken, Schutzanzüge und Einmalhandschuhe an verschiedene Behörden des Bundes und der Länder vermittelt. Insgesamt flossen dafür laut Anklage Provisionszahlungen von mehr als 48 Millionen Euro.

Vorwurf der Steuerhinterziehung

Der 40-Jährigen werden Steuerhinterziehung in Höhe von 23,5 Millionen Euro sowie Subventionsbetrug wegen unberechtigt erhaltener Coronahilfen vorgeworfen. N. werden Beihilfe sowie Mittäterschaft zu Steuerdelikten in ebenfalls zweistelliger Millionenhöhe vorgeworfen. Auch N. wies über seine Rechtsanwälte zurück, gezielt Steuern hinterzogen zu haben. Beide verwiesen darauf, dass sie sich an Steuerrechtsexperten gewandt und eine Steuerberatungsgesellschaft in München beauftragt hätten.

Konkret geht es um nicht gezahlte Einkommensteuern von 8,7 Millionen Euro, gemeinschaftlich hinterzogene Schenkungssteuern von 6,6 Millionen Euro und Gewerbesteuerhinterziehung von 8,2 Millionen Euro, wie Staatsanwältin Susanne Gehrke-Haibl bei der Anklageverlesung ausführte. Den entstandenen wirtschaftlichen Schaden beziffert die Staatsanwaltschaft München I letztlich mit 15,2 Millionen Euro.

Grünwald nur zum Schein fürs Steuersparen?

Tandler soll die Provisionen etwa rechtswidrig nicht als Einzelperson, sondern über eine Firma versteuert haben, und zwar in Grünwald bei München. Dort ist im Vergleich zur Landeshauptstadt nur rund die Hälfte an Gewerbesteuern fällig. "Die Staatsanwaltschaft wirft besonders der angeklagten T. vor, dass die tatsächlichen Geschäfte von München geführt wurden und dass es nur ein Scheinsitz in Grünwald war", so Anne Leiding, Sprecherin der Staatsanwaltschaft.

"Wir sahen unsere berufliche Zukunft in Grünwald", sagte hingegen Tandler. Sie und N. hätten sich dort "auf ein richtiges Büro" gefreut und deshalb einen Büroraum dort angemietet. Zuvor hatte sie geschildert, wie N. und sie in N.'s Lokalen in München gearbeitet hätten.

Zudem sagte Tandler, die Steuerkanzlei habe sie nie darauf hingewiesen, dass sie etwas privat versteuern müsse. In den Akten findet sich aber beispielsweise ein Hinweis in einer Präsentation, dass Einkünfte aus früheren Vermittlungsleistungen privat zu versteuern seien.

Als Schenkung betrachtet die Staatsanwaltschaft, dass N. nichts in die gemeinsame, in Grünwald gegründete "Little Penguin GmbH" eingebracht habe, Tandler dagegen ihre Provisionsansprüche in Höhe von rund 26,5 Millionen Euro. Tandler und ihr Partner Darius N. waren zu gleichen Teilen an der Firma beteiligt.

CSU-Kontakte genutzt

In ihrer Aussage berichtete Tandler davon, wie ihr im Februar 2020 durch einen Bekannten über die Schweiz eine Million Corona-Schutzmasken angeboten worden seien. Sie habe über Bekannte im Umfeld der CSU versucht, diese anzubieten - dabei nannte Tandler unter anderem eine Schwester des Bundestagsabgeordneten Stephan Mayer, den heutigen CSU-Generalsekretär Martin Huber und die CSU-Europapolitikerin Monika Hohlmeier.

Im März 2020 habe sie nach diesen Kontaktanbahnungen der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) persönlich angerufen. Er habe ihr gesagt, dass er sich nun selbst um Schutzausrüstung kümmere, weil die Beschaffung bisher nicht geklappt habe. Nach dem Anruf von Spahn habe "der absolute Ausnahmezustand" in ihrem Unternehmen geherrscht.

Einmal habe ihr Spahn geschrieben: "Wir nehmen immer noch von allem alles." Auch vom bayerischen Gesundheitsministerium, das als erstes Masken bestellte, seien sie und N. unter riesigen Druck gesetzt worden.

"Ich bin in diese Familie hineingeboren"

Von ihrem Nachnamen will Tandler damals nicht profitiert und ihn jedenfalls nicht bewusst eingesetzt haben. "Ich bin in diese Familie hineingeboren und dafür kann ich nichts", sagte die Angeklagte vor Gericht. Sie habe ihren Vater auch nicht um Hilfe gebeten. "Es war uns überhaupt nicht klar, dass der Name Tandler wertvoll sein könnte."

Allerdings hätten anfangs mindestens zwei Ministerien darauf hingewiesen, dass man sich wegen ihres Namens auf sie verlasse, räumte sie ein. Bestellt worden sei am Ende aber, weil man tatsächlich geliefert habe, "und nicht weil ich Tandler heiße".

Tandler: "Ohne Darius N. nicht geschafft"

Tandler betonte im Prozess, Geschäftspartner N. sei eine wichtige und unentbehrliche Hilfe bei ihren Maskengeschäften gewesen. "Alleine hätte ich es nicht schaffen können", sagte sie. Mehrfach verwies Tandler darauf, dass ihr Partner ebenfalls sehr gute Kontakte gehabt habe, vor allem in München und im Medizinbereich. Schon früh hätten beide vereinbart, die Provisionen aus den Geschäften jeweils hälftig aufzuteilen.

Sämtliche Arbeiten und Geschäfte wickelten nach Angaben Tandlers sie selbst und N. gemeinsam ab. "Wir waren Geschäftspartner fürs Leben", sagte sie – N. sei aber nicht ihr Lebenspartner, wie die Staatsanwaltschaft behaupte, auch wenn sie ihn manchmal so bezeichnet habe. Zum Vorwurf, N. 13 Millionen Euro geschenkt zu haben, quasi aus Liebe, sagte sie, da wäre sie ja "durchgeknallt". Auch N. wies über seine Anwälte zurück, eine Lebenspartnerschaft mit Tandler zu führen. Die Gewinne, so Tandler, habe man auch für die Vision einer gemeinsamen geschäftlichen Zukunft einsetzen wollen. Als Beispiel nannte sie die Idee, hochwertige bayerische Knödel in den USA anzubieten.

Tandlers Chatprotokolle werfen Fragen auf

Nachfragen hatte das Gericht, weil Tandler im März und April 2020 in ihren Chats mit Behörden oder dem Schweizer Handelspartner "Emix" nie in der Wir-Form, sondern immer in der Ich-Form schrieb. Dennoch blieb die Angeklagte dabei, dass alle Geschäfte zusammen gemacht wurden und Darius N. stets nicht nur informiert wurde, sondern sogar "der Stratege" des Maskengeschäfts gewesen sei. Sämtliche Chats seien von Tandler geschrieben worden, weil Darius N. kein Smartphone besitze.

Darius N. lässt Anwalt sprechen

Aus gesundheitlichen Gründen ließ Darius N. seine Aussage von einem Anwalt vorlesen. Darin bestätigt er die Aussagen Tandlers und berichtet über seine Kontaktversuche beim Maskengeschäft. Er habe einen Kontaktversuch über das niederländische Konsulat und einen weiteren Kontaktversuch über das iranische Konsulat einfädeln wollen. Auch bei einem Kontakt in die Ukraine habe er als Türöffner fungiert, so Darius N.. Tandler habe danach den vorbereiteten Kontaktadressen schriftliche Angebote zugeschickt, so N. vor Gericht. Letztendlich kam es bei den Kontaktversuchen von Darius N. aber zu keinem Abschluss.

In seiner Erklärung argumentierte N. auch, dass sie stets der Überzeugung gewesen seien, einen Beitrag zur Gesundheit der Menschen zu leisten und einwandfreie, geprüfte und behördlich zugelassene Masken und andere Ausrüstung besorgt hätten.

Insgesamt acht Verhandlungstage angesetzt

Die Wirtschaftsstrafkammer hat bislang acht Hauptverhandlungstermine bis 17. November geplant. Sollte es am Ende zu einer Verurteilung kommen, drohen Tandler und ihrem Partner langjährige Haftstrafen. Die beiden Angeklagten sitzen seit Januar in Untersuchungshaft.

Mit Informationen von dpa und AFP

BR24live zum Nachschauen: Maskengeschäfte – Prozess gegen Tandler startet

04.10.2023, Bayern, München: Die Angeklagte Andrea Tandler (vorne r) wird zu Prozessbeginn von einer Justizbeamtin neben ihrer Anwältin Sabine Stetter (2.v.l) in den Verhandlungssaal geführt. Andrea Tandler und ihr Partner, zwei Schlüsselfiguren der Maskenaffäre in Bayern, müssen sich wegen steuerrechtlicher Vorwürfe vor dem Landgericht München I verantworten. Foto: Peter Kneffel/dpa - ACHTUNG: Person(en) wurde(n) aus rechtlichen Gründen gepixelt +++ dpa-Bildfunk +++
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Prozessbeginn Steuer-Verfahren gegen Tandler

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