Journalisten schauen im Vorraum zum Fernsehstudio den TV-Schlagabtausch im BR Fernsehen zwischen Markus Söder (l.) und Ludwig Hartmann (r.).
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Journalisten schauen im Vorraum zum Fernsehstudio den TV-Schlagabtausch im BR Fernsehen zwischen Markus Söder (l.) und Ludwig Hartmann (r.).

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Analyse: Aus der schwarz-grünen Wanderung wird nichts

"Umerziehung", "Verbote": Markus Söder nutzt die TV-Debatte mit Ludwig Hartmann zur Abrechnung mit den Grünen. Dass der Herausforderer selbst über Bundespolitik spricht, spielt dem CSU-Chef in die Karten. Und Hubert Aiwanger ist irgendwie auch dabei.

Über dieses Thema berichtet: BR24live am .

Angriffslustig zeigt sich Markus Söder schon Stunden vor der Sendung. In den sozialen Netzwerken verbindet Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef am Dienstagnachmittag seinen Hinweis auf die Debatte mit dem Grünen-Fraktionsvorsitzenden Ludwig Hartmann im BR Fernsehen mit einer Attacke auf die Grünen, seinen Lieblingsgegner im aktuellen Landtagswahlkampf. "Die Grünen wollen das ganze Land bevormunden", schreibt Söder. "Das nervt viele Bürgerinnen und Bürger."

Und zu Beginn der TV-Debatte am Abend nutzt Söder die erste Gelegenheit zur Kritik an Hartmanns Partei. "Die Grünen haben in Berlin nicht den Nachweis einer Regierungsfähigkeit erbracht," sagt der Ministerpräsident und erneuert sein kategorisches Nein zu Schwarz-Grün im Freistaat. Eine solche Koalition würde nicht zu Bayern passen, "weil die Grünen eine andere Philosophie von Politik haben, mit Umerziehungsideen, mit vielen Verboten".

Auch in "BR24 Wahl – Die Konfrontation" wenige Tage vor der Landtagswahl bleibt Söder seiner Wahlkampfstrategie der vergangenen Monate treu: Lobgesang auf die bayerische Politik gepaart mit einem Abgesang auf die Grünen und die Ampel.

Hartmann: "Welche Verbote, welche Umerziehung?"

Hartmann und seine Co-Spitzenkandidatin Katharina Schulze haben ihre Attacken auf die CSU dagegen seit Tagen merklich zurückgefahren. Auf dem kleinen Grünen-Parteitag am Sonntag in München beklagten sie ganz allgemein eine aufgeheizte Stimmung im Land und warben einmal mehr für Schwarz-Grün.

In der TV-Debatte legt Hartmann nach: Es gehe doch darum, "unser Land gemeinsam voranzubringen". Und Schwarz-Grün könne die richtige Antwort sein, "große Herausforderungen gemeinsam zu meistern". Wenn Söder den Grünen das Bayern-Gen abspreche, schließe er Nicht-CSU-Wähler aus. "Das finde ich eine Spaltung, die ich so nicht akzeptieren möchte", kritisiert der Grünen-Politiker. "Da frage ich mich immer, ob Sie eigentlich das selber noch glauben, was Sie gerade erzählen: Welche Verbote, welche Umerziehung?"

Auf die Frage von BR-Chefredakteur Christian Nitsche, warum er die Grünen eine Verbotspartei nenne, antwortet Söder mit weiterer Ampel-Kritik: "Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland hat eine Regierung einen so schlechten Stand in der Bevölkerung gehabt wie derzeit", sagt der CSU-Chef. "Und die Grünen tragen ein ganz großes Maß an Verantwortung, weil die Grünen ein sehr dominanter Teil sind in Berlin."

Hartmann tut, was er vermeiden wollte

Um Söders Pauschalkritik an der Ampel-Politik etwas entgegenzusetzen, macht Hartmann, was er eigentlich nicht machen wollte in diesem Schlagabtausch: Er lenkt die Debatte auf die Bundespolitik. Er hoffe, "dass wir keinen vorgezogenen Bundestagswahlkampf führen", hatte der Grünen-Politiker am Sonntag im BR24-Interview gesagt. Nun aber spricht er selbst über seiner Meinung nach wichtige Erfolge der Bundesregierung, von denen auch Bayern profitiere.

Und so diskutieren die beiden dann zum Beispiel über das Bürgergeld, das mit Landespolitik streng genommen nichts zu tun hat. Es geht auch um Lebensmittelpreise, um den Atomausstieg, Kernfusion, Strompreiszonen und Netzentgelte. Für Söder nichts Neues – er spricht im Wahlkampf seit Monaten viel über Bundespolitik. Die Oppositionsparteien versuchten zuweilen vergeblich, mit ihren landespolitischen Themen durchzudringen.

Die Spitzenkandidaten von CSU und Grünen liefern sich auch zur Migrationspolitik einen Schlagabtausch. Hartmann fordert, dass Flüchtlinge leichter auf den bayerischen Arbeitsmarkt können, dass Berufsabschlüsse schneller anerkannt werden. Aber auch in diesem Teil der Sendung geht es vor allem um Aspekte, die im Bund oder in Brüssel entschieden werden: effektiver Grenzschutz und mehr Rückführungen (Söder), "Humanität und Ordnung an den EU-Außengrenzen" (Hartmann).

Söder weist indirekt Aiwanger in die Schranken

Und die bayerische Landespolitik? Um die geht es schon auch. Beispiel Klimaschutz: Hier kritisiert Hartmann erwartungsgemäß, dass Bayerns bisheriges Tempo nicht ausreiche. Söder weist dagegen zumindest indirekt seinen Stellvertreter Hubert Aiwanger (Freie Wähler) in die Schranken. Aiwanger hatte zuletzt angezweifelt, dass der Freistaat - wie gesetzlich verankert - tatsächlich bis zum Jahr 2040 klimaneutral wird. Söder sagt dazu: Er sei nicht zuständig dafür, was jemand glaube. "Klar bekennen wir uns zum Klimaschutz." Er gehe davon aus, dass Bayern die gesteckten Ziele schaffen werde.

Tatsächlich ist Aiwanger zwar nicht im TV-Studio, sondern erst am Mittwoch, wenn sich die Spitzenkandidaten der vier anderen im Landtag vertretenen Parteien zum Schlagabtausch treffen. Für Söder ist der Freie-Wähler-Chef im Wahlkampf strategisch mittlerweile vermutlich die größere Herausforderung als die Grünen.

Söder warnt vor "Leihstimmen", Hartmann will "mehr im Wir" denken

Einerseits will Söder auf jeden Fall auch künftig mit den Freien Wählern koalieren. Andererseits steht er vor einem Problem: Aiwangers Partei hat in den vergangenen Wochen in Umfragen deutlich zugelegt, auch zulasten der CSU, die Freien Wähler treten zunehmend selbstbewusst und fordernd auf. Insofern ist es kein Zufall, dass Söder in seinem Schlusswort folgendes unterbringt: "Meine Bitte: keine Leihstimmen an jemand anderes geben, auch keinen Denkzettel verteilen."

Hartmann wiederum sagt in seinem Schlusswort: "Ich möchte, dass wir endlich wieder Bayern als ein Land begreifen, als ein Land, das wieder mehr im Wir denkt und weniger im Ich." Das knüpft an die Wahlkampfstrategie der Grünen um Schulze und Hartmann an, sich als "Team Bayern" zu präsentieren – das sie als Gegenentwurf zu Söders "Ego-Show" verstanden wissen wollen.

Gemeinsame Wanderung? Fehlanzeige

Vor fünf Jahren hatten sich Söder und Hartmann schon einmal im BR Fernsehen gegenübergestanden. Damals verabredeten beide am Ende der Sendung, gemeinsam wandern zu gehen. "Würden Sie mit mir mal wandern gehen, um wirklich die Schönheit der bayerischen Alpen und Natur zu genießen?", frage der Grünen-Politiker den Ministerpräsidenten. Söder sagte spontan zu und erhöhte von einer auf zwei gemeinsame Ausflüge in die Natur: "Wir wandern einmal in den Alpen, und dann wandern wir einmal in Franken."

Tatsächlich gab es bisher keine solche schwarz-grüne Wanderung, wie jetzt in der Sendung deutlich wird. Es habe sogar ein Angebot eines CSU-Landrats gegeben, schildert Hartmann. "Ich habe beim Landrat umgehend zugesagt, wäre gern in der Rhön wandern gegangen, aber das war vielleicht auch ein Versprechen, was wieder gebrochen worden ist", stichelt er gegen Söder.

Es habe sich "nicht ergeben", räumt der CSU-Chef ein – und gibt dafür wieder den Grünen die Schuld. "Weil ich auch ein bisschen enttäuscht war von den Sondierungsgesprächen, die wir geführt haben." Die Grünen hätten der CSU "alles Mögliche vorschreiben wollen", beklagt Söder, wobei Hartmann damals "der freundlichste Teil" gewesen sei. Und dann sei auch noch Corona dazwischengekommen.

Söder macht Hartmann auch für die Zukunft keine Hoffnung darauf, die Verabredung von 2018 doch noch einzuhalten. "Im Zweifelsfall muss ich ja dann eher auf Hubert Aiwanger aufpassen, wo der hinläuft. Das ist im Moment, glaube ich, die ernsthafte Herausforderung."

Im Video: Der Schlagabtausch zwischen Söder und Hartmann

Ministerpräsident Söder (CSU) und Oppositionsführer Hartmann (Grüne)
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Ministerpräsident Söder (CSU) und Oppositionsführer Hartmann (Grüne)

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