Archivbild: Hubert Aiwanger und Markus Söder
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Landtagswahlkampf: Aiwanger erhöht Druck auf die CSU

Drei Wochen vor der Landtagswahl nimmt Freie-Wähler-Chef Aiwanger verstärkt den Koalitionspartner CSU ins Visier. Egal, ob es um die Flugblatt-Affäre oder die Migrationspolitik geht: Söders Spielraum, dagegenzuhalten, ist beschränkt. Eine Analyse.

So gern Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger auch nach der Landtagswahl weiterhin mit der CSU in Bayern regieren möchte - besonders zimperlich ist er im Umgang mit dem Koalitionspartner nicht. "Jeder kämpft natürlich in dieser Zeit für sich", sagte der bayerische Wirtschaftsminister dem TV-Sender Welt auf die Frage, ob er Mitleid mit der schwächelnden CSU habe. Doch Aiwanger beließ es nicht bei diesem naheliegenden Hinweis, sondern brachte neben der SPD auch die CSU in Verbindung mit der angeblichen "Medien-Kampagne" gegen ihn.

"Natürlich wollten auch andere Parteien mit dieser Kampagne gegen Aiwanger Profit schlagen", sagte der Freie-Wähler-Chef dem Sender. Nach wie vor sei offen, welche Rolle die SPD dabei gespielt habe. "Und die CSU hat ungefähr seit 2008 gewusst, dass hier gegen Aiwanger irgendwo herumgeschnüffelt wird." Auch die "Süddeutsche Zeitung" sei "mit Sicherheit" schon länger informiert gewesen. "Da haben viele was gewusst und wollten mich eben jetzt zum passenden Zeitpunkt hochgehen lassen."

Söders Spielraum ist beschränkt - und Aiwanger nutzt das

Neben seinem Lieblingsgegner - den Grünen - nimmt Aiwanger gut drei Wochen vor der Wahl verstärkt die CSU ins Visier. Auch inhaltlich. Nachdem CSU-Chef Markus Söder sich in dieser Woche bemüht hat, beim Thema Migration in die Offensive zu gehen, folgte Aiwangers Konter auf dem Fuß. Im Welt-TV-Interview attestierte er CDU und CSU eine "ganz klare" Mitschuld am Ausmaß der illegalen Migration und dem Aufstieg der AfD. Zugleich verlangte er eine Wende in der Asylpolitik - und ging damit über die Forderungen der CSU hinaus.

Der neue BR24 BayernTrend, die wohl umfangreichste landespolitische repräsentative Umfrage im Freistaat, brachte dem Freie-Wähler-Chef zwei wertvolle Erkenntnisse: zum einen, dass der Wirbel um die Antisemitismus-Vorwürfe gegen ihn den Freien Wählern sogar genutzt statt geschadet hat, während es für die CSU abwärts ging. Zum anderen, dass das für Söder etwas heikle Thema Migration nach Ansicht der Bayern ganz oben auf der Liste der drängendsten Probleme steht. Beides macht sich Aiwanger zunutze - im Wissen, dass Söders Spielraum hier jeweils beschränkt ist.

"Sahnehäubchen" für die Freien Wähler

Nachdem Aiwanger gut eine Woche lang geschwiegen hatte zu den Antisemitismus-Vorwürfen gegen ihn, ist seit Dienstag klar: Die Gelegenheit, damit im Wahlkampf zu punkten, lässt er sich nicht entgehen. Schon in seiner ersten Reaktion auf den neuen BayernTrend zeigte er Genugtuung: Die "Kampagne" gegen ihn habe der ohnehin wachsenden Zustimmung für die Freien Wähler "noch das Sahnehäubchen" aufgesetzt. Im Welt-TV-Interview betonte er: "Hier sagt der Bürger, das ist ein Skandal, hier wird der Aiwanger fertiggemacht und deshalb unterstützen wir den gerade extra." Und im Interview mit der "Augsburger Allgemeinen" deutete er die Berichterstattung zum Angriff auf "ganze Landstriche und Bevölkerungsschichten" um.

Am Rande der BR24 Wahlarena ließ Ministerpräsident Söder zwar noch einmal Unzufriedenheit mit seinem Stellvertreter durchblicken, aber eher vorsichtig: "Ich würde mir nur manchmal wünschen, dass man auch mit Demut gerade verloren gegangenes Vertrauen aufarbeitet, aber das muss Hubert Aiwanger selbst entscheiden." Mehr war von Söder dazu seit Tagen nicht mehr zu hören. Sein Problem: Er kann dieser Opfer-Erzählung schwer etwas entgegensetzen, ohne Gefahr zu laufen, den Solidarisierungseffekt noch zu verstärken.

Söders Dilemma in der Migrationspolitik

Genauso groß ist das Dilemma des Ministerpräsidenten beim Thema Migration. Seit 2018 steht er im Wort, eine rhetorische Annäherung an die AfD wie im damaligen Wahlkampf nicht zu wiederholen - entsprechend zurückhaltend war Söders Wortwahl dazu lange Zeit. Seit Monaten aber beklagen viele Kommunen eine Überlastung bei der Unterbringung von Flüchtlingen. Diese Woche dann ergab der BayernTrend, dass mehr als jeder Vierte im Freistaat (27 Prozent) Zuwanderung und Flucht für das derzeit wichtigste Problem hält.

Schon seit mehreren Wochen bemühen sich Söder und die CSU, in der Flüchtlingspolitik wieder ihr Profil zu schärfen: Ende Juni wurde ein gemeinsames Strategiepapier von CDU und CSU präsentiert, das im Kampf gegen illegale Migration unter anderem Schutz der nationalen Grenzen fordert. Vier Wochen später folgte eine Pressekonferenz mit mehreren führenden CSU-Politikern, um einen starken Akzent zur Migrationspolitik zu setzen: mehr Sach- statt Geldleistungen, möglichst schnelle Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern, verpflichtende Sprachtests vor der Einschulung und ein Konzept, wie Zuwanderer zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet werden können.

Diese Woche machte Söder die Migrationspolitik zum Thema einer Kabinettssitzung, zu der er Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) eingeladen hatte. "Wir brauchen einen Deutschland-Pakt gegen unkontrollierte Zuwanderung", sagte der Ministerpräsident. Der Bund müsse "seine Blockadehaltung" in der europäischen Asylpolitik beenden. Auch seinen Auftritt in der BR24 Wahlarena am Mittwoch nutzte Söder für Kritik an der Migrationspolitik der Ampel.

Aiwanger: Die Mitte muss liefern

Aiwanger wiederum warf nun CDU und CSU im Welt-TV-Interview vor, mit ihren "Versäumnissen" in der "Merkel-Ära" die Gesellschaft gespalten zu haben. Die mediale und die politische Öffentlichkeit hätten über Jahre die Alltagssorgen der Menschen ausgeblendet, jede Kritik an einer verfehlten Zuwanderung sei als "rechts abgestempelt" worden. "Jetzt haben wir den Salat", kritisierte Aiwanger. AfD-Wähler seien nicht lauter Rechtsradikale. "Sondern das waren früher Wähler der Mitte, sind jetzt nach rechts, weil die Mitte versagt. Also muss die Mitte wieder liefern, dann kommen die Wähler wieder zurück."

Aiwanger betonte: "Wir müssen jetzt diese Themen lösen und nicht immer nur den Menschen sagen: 'Wir können als Politik hier nichts machen, wir müssen hier das Asylgesetz anwenden, und das heißt: Jeder kann hier Asyl beantragen.'" Es brauche vielmehr Maßnahmen in den Herkunftsregionen und die klare Botschaft: "Wer illegal nach Deutschland kommt, der wird in seine Herkunftsregion zurücktransportiert. Sonst spielen die Leute dieses Spiel nicht mehr lange mit." Welche Asyl-Regelungen er im Sinn hat, sagte der Freie-Wähler-Politik nicht. Ein klares Bekenntnis zur "Humanität" fehlte bei ihm, anders als bei Söder.

"Hubert, halt endlich die Klappe"

Drei Wochen vor der Wahl sucht die CSU nach dem richtigen Umgang mit ihrem Partner und schärfsten Konkurrenten. Wie angespannt die Christsozialen wegen Aiwanger ist, zeigt vielleicht am besten der Zornesausbruch des CSU-Politikers Ludwig Spaenle. Auf Facebook schrieb der bayerische Antisemitismusbeauftragte mit Blick auf die "Kampagnen"-Vorwürfe des Freie-Wähler-Chefs: "Hubert, halt endlich die Klappe." Mit seiner "Verfolgungsgeschichte" und der "bizarren Täter-Opfer-Umkehr" setze Aiwanger bewusst "den Sprech der Rechtsaußen und klassische Verschwörungsmythen ein".

Der CSU-Landtagsabgeordnete Jürgen Baumgärtner würde sich von der Parteispitze mehr wünschen. Aiwanger vergaloppiere sich manchmal und spreche eine populistische Sprache, sagte er der "Süddeutschen Zeitung". "Da muss man ihn stärker stellen. Auch wir in der CSU. Bis jetzt hat man ihm viel durchgehen lassen. Das dürfen wir nicht mehr."

In der "Frankenpost" kritisierte Baumgärtner es zudem als Fehler, dass sich Söder eindeutig auf die Freien Wähler als Koalitionspartner festgelegt hat - obwohl er mehrere Optionen hätte. Die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch verweist in den "Nürnberger Nachrichten" aber darauf, dass Söder durch seine frühzeitige Koalitionszusage "nur dem Wunsch seiner eigenen Partei entsprochen" habe.

Ein viertes Ministerium für die Freien Wähler?

Sollte sich der Umfragetrend auch bei der Landtagswahl bewahrheiten, muss sich Söder jedenfalls auf Koalitionsverhandlungen mit deutlich selbstbewusster auftretenden Freie Wählern einstellen. Der "Augsburger Allgemeinen" sagte Aiwanger auf die Frage, ob er ein viertes Ministerium fordern würde: "Jetzt erst mal die Wahl abwarten, aber Landwirtschaft ist uns schon sehr wichtig."

Aiwanger stellte in dem Interview sogar Söders wiederholte Zusage infrage, dass die CSU auf keinen Fall mit den Grünen in Bayern koalieren werde - in eine Frage gepackt: Was, "wenn es die Grünen für einen Minister weniger machen?" Der CSU stehen ungemütliche Wochen bevor.

Im Video: Zuspruch für Hubert Aiwanger (Freie Wähler)

BayernTrend: Alles spricht für ein heißes Wahlkampf-Finale
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