Abgeordnete der AfD freuen sich nach der Abstimmung über die Grunderwerbssteuer im Plenarsaal des Thüringer Landtag. Die Opposition will eine Steuersenkung gegen die rot-rot-grüne Minderheitskoalition durchsetzen. Foto: Martin Schutt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Martin Schutt

Abgeordnete der AfD freuen sich nach der Abstimmung über die Grunderwerbssteuer im Plenarsaal des Thüringer Landtag.

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Eingerissene Brandmauer oder sachpolitischer Einzelfall?

Die CDU bringt einen Steuersenkungs-Antrag im Thüringer Landtag durch – auch mit AfD-Stimmen. Ein gesetzgeberisches Novum auf Landesebene, das die AfD feiert. Ist die Brandmauer der CDU zur AfD nun gefallen? Und wie definiert man Zusammenarbeit?

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

"Ein Einzelfall". "Keine Zusammenarbeit". So beschreibt die Führung der Bundes-CDU, was gestern im Erfurter Landtag geschah. Dass die Thüringer CDU-Landtagsfraktion einen Antrag zur Senkung der Grunderwerbsteuer auch mit der Unterstützung der AfD-Abgeordneten durchbrachte, will die Parteiführung der Christdemokraten am Tag danach nicht als grundsätzlichen Strategiewechsel sehen. Den Vorwurf, der unter anderem von SPD, Linken und Grünen kommt, die CDU arbeite mit der AfD zusammen, wies die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Karin Prien am Morgen im Deutschlandfunk zurück. Sie könne eine Zusammenarbeit mit der AfD ausschließen, sagte Prien und sie betonte, es habe vor der Abstimmung in Erfurt keine Absprachen mit der AfD gegeben.

Absehbares Abstimmungsverhalten

Dass die Abgeordneten der AfD, deren Thüringer Landesverband vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird, sich bei der Abstimmung über den Gesetzentwurf der CDU anschlossen und dem Vorhaben so eine Mehrheit verschafften, war keine Überraschung, sondern so erwartet worden. Die AfD hatte die Senkungspläne bereits im Haushaltsausschuss des Landtages unterstützt. Die CDU konnte davon ausgehen, dass sie das Gesetz im Landtags-Plenum mit den Stimmen der AfD würde durchsetzen können. Ohne diese Unterstützung hätte es keine Mehrheit gegeben.

Er könne gute Entscheidungen nicht davon abhängig machen, dass die Falschen zustimmen, rechtfertigte sich der Thüringer CDU-Partei- und Fraktionschef Mario Voigt. Für diese Aussage bekam er Unterstützung von CDU-Vize Jens Spahn und dem CSU-Vorsitzenden Markus Söder. Dass ein Gesetz auf Landesebene mit AfD-Stimmen beschlossen wird und anders nicht zustande gekommen wäre, gab es bisher nicht. Die sich daran nun anschließenden Debatten kommen für die CDU-Führung nicht überraschend.

Rückendeckung und etwas Kritik

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann verteidigte das Vorgehen der Thüringer Parteifreunde als "Sacharbeit". Der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein und CDU-Landesvorsitzende Daniel Günther unterstrich allerdings für seinen Landesverband gelte, ein wie auch immer geartetes Zusammenwirken mit der AfD sei ausgeschlossen. Günther hält eine konsequentere Haltung gegen die AfD für nötig. Das Vorgehen in Thüringen widerspreche dem, erklärte er. Das ist eher leise Kritik. Deutlich kritischer äußerte sich der ehemalige saarländische Ministerpräsident und CDU-Politiker Tobias Hans. Er erklärte, mit der AfD politische Mehrheiten durchzusetzen sei falsch, und das bleibe es auch.

Was sagt der Parteichef?

Und Friedrich Merz? Der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU, der jede Kooperation mit der Linken und der AfD ausschließt, war für den Parteivorsitzenden immer ebenso unverhandelbar wie das Aufrechterhalten der sogenannten Brandmauer gegen die AfD. Das betont Merz seit Jahren. Im Dezember 2021 zum Beispiel sagte er dem Spiegel:

"Die Landesverbände vor allem im Osten bekommen von uns eine glasklare Ansage: Wenn irgendjemand von uns die Hand hebt, um mit der AfD zusammenzuarbeiten, dann steht am nächsten Tag ein Parteiausschlussverfahren an." Friedrich Merz, Parteivorsitzender der CDU

Dass nun eine gesamte Landtagsfraktion der CDU die Hand hob, als sie auch die AfD-Abgeordneten hoben, verteidigte Merz schon bevor es passierte. Seine Partei mache nicht von anderen Fraktionen abhängig, was sie in Parlamenten diskutiere, sagte Merz dem Sender RTL und er betonte, eine Zusammenarbeit mit der AfD werde es auf Bundes- und Landesebene nicht geben.

Fällt Merz' Brandmauer?

Für ihre Kritiker hat die CDU die Grenze zur Zusammenarbeit nun aber bereits überschritten. Fällt die Brandmauer-Strategie von Friedrich Merz? CDU-Politiker aus dem Osten Deutschlands kritisieren diese Linie schon länger als nicht mehr zeitgemäß. Im kommenden Jahr wird in drei ostdeutschen Bundesländern gewählt. Die Wahlausgänge sind für den parteiintern nicht unumstrittenen Friedrich Merz voraussichtlich auch ein wichtiger Stimmungstest. Schlechte Ergebnisse wären kein Rückenwind für eine mögliche Kanzlerkandidatur. Opfert er die klare Abgrenzung gegen die AfD parteistrategischen Überlegungen, wie es ihm von Politikern der Ampelkoalition vorgeworfen wird? Friedrich Merz hat sich bisher nicht zum Verlauf der Abstimmung in Erfurt geäußert und so den Eindruck zugelassen, er ducke sich weg.

Im Video: Merz äußert sich nicht zu Thüringen

In Thüringen hat die CDU, dort in der Opposition, einen Gesetzentwurf zur Grunderwerbssteuer gegen die rot-rot-grüne Landesregierung durchgesetzt, mit den Stimmen der AfD.
Bildrechte: BR
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

In Thüringen hat die CDU einen Gesetzentwurf zur Grunderwerbssteuer gegen die rot-rot-grüne Landesregierung durchgesetzt.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!