Ralf Stadler von der AfD stört die Abschlussrede von Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze, während rechts ein Saaldiener dazu kommt.
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Ralf Stadler von der AfD stört die Abschlussrede von Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze, während rechts ein Saaldiener dazu kommt.

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Landtag: Klare Kante, Rüge für die AfD, Seitenhiebe auf Aiwanger

Flammende Plädoyers für Demokratie, Abgrenzung gegen rechts, Seitenhiebe gegen Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger, eine Provokation aus der AfD: In der letzten Landtagssitzung der Wahlperiode gibt es emotionale Reden und noch eine Rüge.

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Sie nennt die AfD nicht beim Namen, lässt aber keinen Zweifel daran, wen sie meint. Es sei kein Zufall, dass der Ton im Landtag "verroht" sei, "seit 2018 eine neue Fraktion eingezogen ist", betont Ilse Aigner in ihrem Schlusswort zur letzten Landtagssitzung dieser Wahlperiode. Ihr Amt als Landtagspräsidentin übe sie unparteiisch aus, aber sie sei keine neutrale Person, sie sei Demokratin. "Was wir hier bis 2018 nicht kannten, sind permanente Störungen, die Verächtlichmachung des politischen Gegners und viel schlimmer: des Parlaments an sich, der Verfassungsorgane!" 25 Rügen seien in dieser Wahlperiode ausgesprochen worden, "die meisten in eine Richtung".

Die Landtagspräsidentin nutzt diese letzte Plenarsitzung vor der Landtagswahl für ein leidenschaftliches Plädoyer für Demokratie und eine klare Abgrenzung gegen den "äußersten rechten", aber auch den "extrem linken" Rand. Die Demokratie sei zwar stark, stehe aber massiv unter Beschuss von außen und von innen. "Wir müssen um sie kämpfen, und ja: Wir müssen sie verteidigen!" Oppositionsführerin Katharina Schulze (Grüne) dankt der Präsidentin anschließend "für ihre klaren Worte zur AfD – die kann ich alle unterschreiben".

Als Schulze auf "Demokratiefeinde" zu sprechen kommt, stört der AfD-Abgeordnete Ralf Stadler die Rede der Grünen-Fraktionschefin: Er stellt sich neben das Rednerpult, hält ein Schild mit der Aufschrift "Wahlbetrüger" in die Höhe und ruft: "So schaut's aus." Landtagspräsidentin Aigner erteilt ihm sofort eine Rüge: "Das ist dann die 26." So steht die letzte Plenarsitzung sinnbildlich für die zum Teil sehr aufgeheizte Stimmung dieser Legislaturperiode.

"Demokratie muss nicht zurückgeholt werden"

Auch den Namen von Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger nennt Aigner nicht, dennoch versteht jeder ihren Seitenhieb auf den Freie-Wähler-Chef und dessen Erdinger Aufruf, die Demokratie zurückzuholen. "Unsere Demokratie ist echt, sie ist lebendig und keinesfalls formal", betont die Landtagspräsidentin. "Wir müssen uns die Demokratie auch nicht zurückholen. Wir müssen gemeinsam für unsere Demokratie kämpfen."

Ähnlich äußert sich kurz darauf Schulze. Abgeordnete und Regierungsmitglieder müssten Vorbild dabei sein, "wie wir sprechen, wie wir mit einander ringen, und vor allem wie wir es mit der Demokratie halten", mahnt die Grünen-Politikerin. "Und unsere Demokratie muss nicht zurückgeholt werden, sie ist hier und sie ist lebendig!"

Söder dankt Freien Wählern

Dass der Ton "rauer geworden" ist, stellt auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) als dritter Redner fest, aber nicht nur durch eine Seite, sondern er sei "insgesamt etwas schriller geworden". Doch die Demokratie habe in den vergangenen fünf Jahren in Bayern funktioniert. Zwar habe die repräsentative Demokratie hierzulande sicherlich ihre Schwächen. "Aber vergleichen wir trotzdem mal wie es wo anders in der Welt ist", sagt Söder und betont mit Blick auf die Provokation durch Stadler: "Ich rate jedem bei uns, der der Meinung ist, unser Land sei eine Katastrophe, einmal in Moskau vor dem Kreml mit solchen Schildern aufzutreten. Mal sehen, was dann passiert."

Seine Kritik an Aiwanger erneuert Söder im Plenum nicht. Im Gegenteil – er lobt den Koalitionspartner, die Freien Wähler. Zwar gebe es unterschiedliche Stile, unterschiedliche Temperamente, manchmal auch unterschiedliche Ansichten. Am Ende aber sprächen Ergebnisse und Stil des Regierens für sich: "Deswegen 'danke' nicht nur an die Mehrheitsfraktion, sondern ausdrücklich an unsere Partner der Freien Wähler und alle Kabinettskollegen für die hervorragende und sehr gute Zusammenarbeit."

Schulze: "Anstand statt Kulturkampf"

Aigner ermahnt aber auch die Mitte der Gesellschaft und der Politik, bittet nicht zuletzt mit Blick auf den Landtagswahlkampf in Bayern um Zurückhaltung bei Fundamentalkritik. "Scharfe inhaltliche Auseinandersetzung: ja, her damit! Aber: Kein kurz und klein schlagen, bis alle beschädigt sind. Das schadet am Ende unserer Demokratie. Das kostet Vertrauen in die Fähigkeit und Funktionalität der Demokratie."

Auch Schulze betont: "Es ist ein Unterschied, hart um die Sache zu streiten oder politischer Konkurrenz Unterstellungen und Falschbehauptungen an den Kopf zu werfen." Für die Demokratie sei die Diskussion mit Argumenten und Fakten zentral. Die Menschen erwarteten ernsthafte Debatten von der Politik – und "Anstand statt Kulturkampf". "Das ständige Runtermachen und die verbalen Rundumschläge vergiften das politische Klima – und das in einer Zeit, in der es mehr denn je Zusammenarbeit bräuchte." Schulze rief zu einem Wahlkampf auf, der zu einem Wettstreit der besten Ideen führe und der eine Brandmauer gegen rechts hochziehe.

Im Video: Landtagspräsidentin Ilse Aigner zur Debatte am Donnerstag

Landtagspräsidentin Aigner richtete ernste Worte an die Abgeordneten und hatte dabei vor allem eine Fraktion im Blick.
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Landtagspräsidentin Aigner richtete ernste Worte an die Abgeordneten und hatte dabei vor allem eine Fraktion im Blick.

Söder: Draht zu den Menschen behalten

Söder ruft die Abgeordneten zur Bürgernähe auf: "Mein Wunsch ist nur, dass wir in diesen Krisen eines schaffen: den Draht zu den Menschen zu behalten." Sollte dieses Gefühl für die normale Bevölkerung abhandenkommen, "dann wären wir tatsächlich nicht mehr die Repräsentanz". Viele Parlamentarier seien emsig unterwegs, besuchten Kleingarten- oder Brauchtumsvereine. "All das ist enorm wichtig, um Tuchfühlung zu haben, Kontakt zu haben." Es sei ganz entscheidend, anfassbar zu sein. "Das wird unsere Aufgabe sein, auch in der Zukunft. Das ist Demokratie."

Eine Demokratie brauche Demokraten und auch demokratische Vorbilder. Landtagsabgeordnete seien "Botschafter und Botschafterinnen für diesen Rechtsstaat", betont Söder. "Lassen Sie uns das auch ernst nehmen, uns so benehmen und auch so auftreten – Hoffnung machen."

Im Video: Letzte Landtagssitzung dieser Wahlperiode

Bild aus Corona-Zeiten: Grünen-Fraktionschefin Schulze spricht im Dezember 2020, Ministerpräsident Söder (CSU) sitzt hinter Plexiglas.
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Schulze spricht im Landtag

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