Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder (rechts) und der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP).
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Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder (rechts) und der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP).

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Migration und Flucht: Söder fordert "mehr Wien statt Berlin"

Gemeinsam mit dem österreichischen Kanzler Karl Nehammer fordert Bayerns Ministerpräsident eine härtere Gangart in der Flüchtlingspolitik. Dabei nimmt Söder einen Begriff von Olaf Scholz auf. FDP-Landeschef Hagen sieht die Grünen auf der Bremse.

Über dieses Thema berichtet: BR24live am .

Österreichs Regierungschef zu Gast in Bayern. Am Dienstag nahm ÖVP-Kanzler Karl Nehammer an der Kabinettssitzung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in München teil. Bayerische Landespolitik spielte beim Treffen des Ministerrats eine eher nebengeordnete Rolle. Es ging um das deutsche und europäische Vorgehen in der Flüchtlingspolitik, die Unterschiede zwischen Österreich und Deutschland sowie Kontrollen im Grenzgebiet.

"Wir sind Verbündete im Geiste", sagte Söder bei der anschließenden Pressekonferenz im Hofgarten zusammen mit Nehammer. In Österreich gelte bei der Frage von Migration und Flucht "Pragmatismus statt Ideologie", das belegten die Zahlen, so Söder. In Deutschland seien im laufenden Jahr über 220.000 Asylanträge gestellt worden, ein Plus von 77 Prozent zum Vergleichszeitpunkt des Vorjahrs. In Österreich seien die Zahlen hingegen um 30 Prozent gesunken. "Wir wünschen uns mehr Wien statt Berlin", sagte Söder. Deutschland müsse seine "Blockadehaltung" in der EU aufgeben. Insgesamt brauche es eine "restriktivere und konsequentere" Flüchtlingspolitik.

Söder fordert Grenzkontrollen wie in Bayern für ganz Deutschland

Konkret nannte Bayerns Ministerpräsident fünf Forderungen. Grenzkontrollen und eine Grenzpolizei wie in Bayern brauche es in ganz Deutschland. Außerdem sei ein "sofortiger Stopp" der Sonderaufnahmeprogramme nötig, insbesondere der Programme für Geflüchtete aus Afghanistan. Diese führten zu einer hohen Zahl von Anträgen und zur Überforderung der Kommunen, so Söder. Stattdessen forderte er ein "Sonderrückführungsprogramm", dazu müsse die Liste der sicheren Herkunftsstaaten deutlich erweitert werden. Georgien und Moldau sei ein Anfang, "aber es muss viel sein", sagte Söder: "alle Maghreb-Staaten, Armenien oder Indien". Dabei würden die Grünen blockieren.

Zudem müssten Asylverfahren beschleunigt werden. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) brauche ähnlich wie in Österreich eine ausreichende Ausstattung und Eilverfahren, um zu schnelleren Ergebnissen zu kommen, so Söder. Und Bayerns Ministerpräsident forderte, die "Anreize" für eine Flucht zu senken. Das Bürgergeld auf gleiche Ebene mit dem "Fluchtgeld" zu stellen, sei ein Fehler: "Wer einbezahlt hat, muss am Ende mehr haben, als jemand, der noch gar nicht einzahlen konnte", sagte Söder. Das gelte sowohl für das Bürgergeld als auch für medizinische Leistungen.

Bei abgelehnten Anträgen: Künftig Sach- statt Geldleistungen

Um dem zu begegnen, nannte Söder an dieser Stelle bayerische Maßnahmen auf Landesebene. Demnach will die Staatsregierung bei abgelehnten Asylverfahren und Straftätern künftig von Geldleistungen auf Sachleistungen umstellen. Das bayerische Innenministerium werde bald eine "Chip-Lösung" vorstellen, mit der man zwar in Discountern einkaufen könne, aber eben nur bei "bestimmten Warenkörben. Und kein Geld mehr", so Söder.

Außerdem soll es in Bayern demnächst verpflichtende Sprachtests für Kinder ab dem 5. Lebensjahr geben. "Wer nicht besteht, der bekommt einen verpflichtenden Sprachkurs", sagte Söder, bei älteren Schülern soll der Weg in diesem Fall in eine Deutschklasse führen. Für die Ausarbeitung entsprechender Konzepte bis zum Schuljahresbeginn 2024/25 habe man den ehemaligen Präsidenten des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, gewinnen können.

Auch Söder spricht von "Deutschland-Pakt"

Insgesamt sei beim Thema Migration aber vor allem der Bund am Zug: "Die Ampel muss handeln", sagte Söder. Dabei brauche es ein Miteinander von Bund und Länder. "Ein Deutschland-Pakt gegen unkontrollierte Zuwanderung", sagte Bayerns Ministerpräsident und griff damit ein Wort auf, das zuletzt Olaf Scholz gebraucht hatte. Auch der SPD-Bundeskanzler schlug Ländern, Kommunen und der Opposition kürzlich einen "Deutschland-Pakt" vor, mit dem man den großen Herausforderungen wie Klimaschutz und den Folgen des Kriegs in der Ukraine begegnen müsse.

Bundeskanzler Karl Nehammer lobte in München die "intensive polizeiliche Kooperation im Kampf gegen die irreguläre Migration" auf österreichischer und bayerischer Seite. Es sei wichtig gewesen, dafür überhaupt erst wieder ein europäisches Problembewusstsein zu erzeugen. Bayern sei dabei ein verlässlicher Partner für Österreich gewesen, so Nehammer. Sein Land sei von irregulärer Migration im vergangenen Jahr besonders betroffen gewesen, über 112.000 Asylanträge habe es gegeben, 75 Prozent der Antragssteller sei nicht polizeilich registriert gewesen.

Nehammer fordert härteres Vorgehen an der EU-Außengrenze

"Das ist insofern bemerkenswert, weil Österreich ist kein Außengrenzland", sagte Nehammer. Bei verstärkten Schutzmaßnahmen an der Außengrenze, beschleunigten Verfahren und Rückführungen von abgelehnten Asylbewerbern gebe es "deutlich Luft nach oben". Die irreguläre Migration müsse entschieden bekämpft werden, damit es auf der anderen Seite legale, geordnete und kontrollierte Wege in die EU und den europäischen Arbeitsmarkt geben könne, so Nehammer.

Dafür brauche es starken Dialog mit den Herkunftsländern und eine klare Definition von sicheren Drittstaaten, "weil es nicht zu erklären ist, dass Menschen unzählige Staaten durchschreiten, wo sie schon längst hätten einen Asylantrag stellen können, aber dann tatsächlich die Außengrenze der EU überschreiten und erst innerhalb der Union einen Asylantrag stellen und damit das System herausfordern", so Nehammer.

Österreichs Kanzler: "Die Rechtsradikalen träumen von Mauern"

Österreich habe Sonderabkommen mit Indien und Marokko geschlossen, wodurch abgelehnte Asylbewerber "rasch zurückgenommen werden", gleichzeitig seien Menschen, die für die Wirtschaft wichtig sind, "natürlich sehr wohl willkommen", so Nehammer. Solche Abkommen würden zusammen mit Grenzschutz und schnellen Asylverfahren eine Perspektive bieten, um auch radikalen Kräften entgegenzutreten. "Die Rechtsradikalen träumen von Mauern, die um Europa gezogen werden", sagte Nehammer. Das könne keine Zukunft für den europäischen Wirtschaftsstandort sein.

Im Anschluss an die Pressekonferenz sagte auch FDP-Chef Martin Hagen im Gespräch mir BR24, dass es Rückführungsabkommen mit arabischen und afrikanischen Staaten brauche. Dafür habe die Bundesregierung im vergangenen Februar Joachim Stamp (FDP) als Sonderbeauftragten eingesetzt. Derlei Abkommen seien nicht binnen weniger Monate auszuhandeln, dennoch dürfe man noch in diesem Jahr erste Ergebnisse erwarten, sagte Hagen.

FDP: Grünen stehen auf der Bremse

Sicherung der EU-Außengrenze, beschleunigte Verfahren, konsequente Rückführung - man sei sich in vielen Zielen einig, sagte Hagen, die Vorgängerregierung samt CSU-Innenminister Horst Seehofer habe in diesem Punkt "überhaupt nichts erreicht". Laut dem FDP-Fraktionsvorsitzenden gibt es nun Schritte in die richtige Richtung, aber "die Schritte sind mir noch nicht groß genug". Dafür machte Hagen auch den Koalitionspartner im Bund verantwortlich: "Dass die Grünen da auf der Bremse stehen, ist, glaube ich, nichts Neues", so Hagen. "Da braucht es Überzeugungsarbeit und vielleicht auch ein bisschen öffentlichen Druck auf die Grünen."

Grüne: Söder verschleppt Auszahlung von Bundesmitteln an Kommunen

Die wiederum nahmen die Lage in den Gemeinden in den Blick und warfen Bayerns Ministerpräsidenten vor, Dinge zu unterschlagen und zu verschweigen. So sorge Söder mit einer "Verschleppungstaktik" dafür, "dass die Kommunen noch immer nicht alle Bundesmittel zur Versorgung ukrainischer Geflüchteter erhalten haben", teilte die Spitzenkandidatin der Grünen für die Landtagswahl, Katharina Schulze, mit. Söder spreche auch nicht über die "gewaltigen Integrationsbaustellen" in Bayern. Viel dringender als eine bayerische Grenzpolizei seien beispielsweise Beamte im ländlichen Raum.

Schulze zufolge braucht es dringend "finanzielle Soforthilfe" an die Kommunen durch den Freistaat. Außerdem fordern die Grünen eine Stärkung der entsprechenden Behörden und Beratungsstellen sowie ein "dichtes, unkompliziertes" Angebot an Sprachkursen.

Im BR24live: Söder und Nehammer äußern sich

ARCHIV - 24.02.2022, Österreich, Wien: Markus Söder (l, CSU), Ministerpräsident von Bayern, und Karl Nehammer (ÖVP), Bundeskanzler von Österreich, nehmen nach einem Gespräch im Bundeskanzleramt an einer Pressekonferenz teil. (zu dpa «Söder will mit Nehammer über Migrationspolitik beraten») Foto: Sven Hoppe/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Markus Söder und Karl Nehammer

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