Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze spricht im Bayerischen Landtag nach der Regierungserklärung von Hubert Aiwanger (Freie Wähler)
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Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze spricht im Bayerischen Landtag nach der Regierungserklärung von Hubert Aiwanger (Freie Wähler)

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"Geistiger Brandstifter": Hitzige Landtagsdebatte über Aiwanger

Lob von der AfD, Kritik der übrigen Opposition: Die Wortwahl von Wirtschaftsminister Aiwanger bei einer Demo in Erding prägte die Debatte über seine Regierungserklärung. Die Grünen verlangten eine Entlassung Aiwangers, die SPD seinen Rücktritt.

Über dieses Thema berichtet: BR24live am .

Die bayerische Opposition hat die Debatte über eine Regierungserklärung von Hubert Aiwanger (Freie Wähler) zu scharfer Kritik am Wirtschaftsminister genutzt - wegen seiner Wortwahl bei der Anti-"Heizungsideologie"-Demo am Wochenende. Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze beklagte, Aiwanger sei von Verschwörungstheoretikern gefeiert worden, weil er "in Fäkalsprache die Bundesregierung attackierte". Seine Wortwahl sei für einen Vize-Ministerpräsidenten nicht angemessen gewesen.

Im Landtag sei Aiwanger Teil der parlamentarischen Demokratie, draußen wiegele er Menschen dagegen auf. Seine Aussagen erinnerten an Worte des AfD-Politikers Alexander Gauland und von Ex-US-Präsident Donald Trump und seien die "Lehrbuchbeschreibung eines astreinen Rechtspopulisten und geistigen Brandstifters". Eine Entschuldigung sei Aiwanger erneut schuldig geblieben.

Söder nimmt an Debatte nicht teil

Schulze betonte, Markus Söder (CSU) trage als Ministerpräsident Verantwortung für sein Kabinett. "Und ich finde, er kann nicht zulassen, dass Mitglieder der bayerischen Staatsregierung rote Linien überschreiten." Deswegen forderte sie Söder auf, Aiwanger aus seinem Amt zu entlassen. Zugleich warnte Schulze, das Heranwanzen an Populisten stärke am Ende das Original.

Ministerpräsident Söder war bei der Regierungserklärung und der Debatte nicht anwesend, auch mehrere weitere Plätze auf der Regierungsbank blieben leer. Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) ermahnte während der turbulenten Debatte die Grünen-Fraktionschefin, sich bei ihrer Wortwahl zu mäßigen. Das Landtagspräsidium werde im Nachgang über eine mögliche Rüge wegen der Verwendung des Begriffs "geistiger Brandstifter" beraten.

Freie Wähler "stolz" auf Aiwanger

Der parlamentarische Geschäftsführer der Freie-Wähler-Fraktion, Fabian Mehring, ging nach Schulzes Rede zum Gegenangriff über. Er warf ihr eine "doppelzüngige, ziemlich billige Politshow" vor - mit dem Ziel, vom "politischen Versagen" der Grünen in Berlin abzulenken.

Freie-Wähler-Fraktionschef Florian Streibl betonte, seine Fraktion blicke "mit Stolz auf unseren Wirtschaftsminister" Hubert Aiwanger. "Wir wissen, wie die Regierungsarbeit in Bayern geht, und wir haben dieses Land durch die Krise geführt." Die Ampel in Berlin sei gescheitert und eigentlich "jetzt schon Geschichte".

SPD beklagt "rüpelhafte" Auftritte Aiwangers

Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Florian von Brunn kritisierte, bei Aiwangers Auftritt am Samstag habe man nicht den Eindruck gehabt, dass da ein stellvertretender Ministerpräsident und Wirtschaftsminister spreche. Auch Söders Auftritt sei "völlig daneben" gewesen, "aber geschickter": "Er wollte in Erding auch im rechten Teich fischen, was Ihnen zugegebenermaßen besser gelungen ist. Herr Söder ist dort ausgepfiffen worden, Sie sind bejubelt worden von AfDlern, von Wutbürgern und Klima-Querdenkern."

Mit seinen "rüpelhaften" Auftritten und "peinlichen Sprüchen" füge der Minister der Wirtschaft und dem Land Schaden zu. In Anlehnung an Aiwangers Wortwahl am vergangenen Samstag rief von Brunn den Minister auf: "Wenn Sie noch einen Funken Anstand haben, sollten Sie von sich aus von ihrem Amt zurücktreten."

Der Freie-Wähler-Chef hatte am Samstag vor 13.000 Menschen der Bundesregierung vorgeworfen, Deutschland kaputt machen zu wollen, und forderte ihren Rücktritt - wenn sie noch einen "Funken Anstand" habe. Und er rief die Bevölkerung dazu auf, die "Berliner Chaoten" vor sich herzutreiben: "Jetzt ist der Punkt erreicht, wo endlich die schweigende große Mehrheit dieses Landes sich die Demokratie wieder zurückholen muss."

AfD-Lob für Aiwangers Rede in Erding

AfD-Fraktionsvize Gerd Mannes zeigte sich verwundert über die Rücktrittsforderungen an Aiwanger. "Warum soll ein Wirtschaftsminister zurücktreten, wenn er in viereinhalb Jahren einmal eine vernünftige Rede hält?" Mit der Politik Aiwangers zeigte sich Mannes aber unzufrieden. Immer dann, wenn er sich hätte schützend vor der Wirtschaft stellen sollen, sei er umgefallen. "Sie haben als Wirtschaftsminister die komplette grüne Gedankenwelt übernommen, außer vielleicht letzten Samstag."

Der AfD-Abgeordnete Uli Henkel betonte, Aiwanger habe in Erding teilweise wie ein sehr engagierter AfD-Minister geklungen. "Etwas, das den 13.000 Anwesenden dort übrigens durchaus gefallen hat - wenngleich auch die Freien Wähler damit wohl ganz überwiegend bei der AfD eingezahlt haben dürften", sagte der AfD-Politiker. Die Menschen wüssten zu unterscheiden zwischen dem Original und dem Nachahmer. Henkel wollte dem Minister gegen Ende der Debatte einen AfD-Aufnahmeantrag überreichen - Aiwanger war allerdings nicht mehr im Plenarsaal.

FDP: Aiwanger ein Wohlstandsrisiko

Für die FDP kritisierte Fraktionschef Martin Hagen, Aiwanger führe lieber Kulturkämpfe über Nebensächlichkeiten, als sich um die wirklichen Herausforderungen des Landes und der Wirtschaft zu kümmern. Hagen bezeichnete den Minister als "ein Wohlstandsrisiko für die bayerische Wirtschaft".

Dass der Ministerpräsident bei einer Plenarsitzung fehle, habe keinen Seltenheitswert, sagte der FDP-Fraktionschef. Dass Söder aber bei der Regierungserklärung seines Stellvertreters mit Abwesenheit glänze, "dass darf man wahrscheinlich durchaus als Signal empfinden".

CSU kritisiert Minister-Bashing

CSU-Fraktionsvize Alexander König warf der Opposition vor, sie habe sich in der dreistündigen Debatte über die Regierungserklärung nicht konstruktiv eingebracht - sondern stattdessen "alles schlechtgeredet", den "Minister gebasht" und "Nebenkriegsschauplätze erörtert". Dabei gebe es Grund stolz zu sein auf die wirtschaftliche Entwicklung in Bayern.

Hubert Aiwanger (Freie Wähler) im Landtag
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Hubert Aiwanger (Freie Wähler) im Landtag

Aiwanger attackiert Ampel

Anlass der Debatte war eine Regierungserklärung Aiwangers mit dem Titel "Wohlstand sichern durch eine starke Wirtschaft". Viel Zeit wendete der Minister dabei dafür auf, "Fehlentwicklungen" und "wirtschaftspolitische Sünden im Bund" zu benennen. Insbesondere kritisierte er neben dem Heizungs- auch das Energieeffizienzgesetz, das zu Deindustrialisierung führe.

Aiwanger forderte vom Bund eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten, eine Abschaffung der Erbschaftssteuer, eine sinkende Unternehmenssteuer, eine massive Entlastung bei der Einkommensteuer ("2.000 Euro im Monat steuerfrei") sowie einen Wirtschaftsstrompreis.

"Wahlkampfrede mit viel Berlin-Bahsing"

Bayerns Wirtschaft steht nach Meinung Aiwangers blendend da, auch weil der Freistaat auf Anreize statt auf Vorschriften setze. Er kündigte für auch für die Zukunft eine Wirtschaftspolitik an, "die Eigentum und Leistung belohnt". Die bayerischen Grünen attackierte er wegen ihrer Flächensparforderung. Würden sie in Bayern regieren, wäre nach Meinung des Ministers "die Wirtschaft in Amerika" und der Wolf würde den ländlichen Raum beherrschen. Auf seine Rede in Erding ging Aiwanger in der Regierungserklärung nicht ein.

Grünen-Politikern Schulze beklagte, Aiwangers Rede sei keine Regierungserklärung gewesen, sondern nur ein "Schimpfen auf Berlin". FDP-Fraktionschef Hagen sagte, der Minister habe eine Wahlkampfrede mit viel Berlin-Bashing gehalten. "Was Sie nicht präsentiert haben, waren eigene Ideen fürs Land."

Das BR24live zur Regierungserklärung und Debatte:

Hubert Aiwanger (Bundesvorsitzender des Bundesverbandes Freie Wähler) am Rednerpult.
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Bayerischer Landtag

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