10.06.2023, Bayern, Erding: Hubert Aiwanger, Wirtschaftsminister und Landesvorsitzender der Freien Wähler in Bayern, spricht bei einer Demonstration gegen die Klima-Politik der Ampelregierung unter dem Motto ·Stoppt die Heizungsideologie·. Foto: Matthias Balk/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Aiwanger bei Demonstration gegen Klima-Politik der Ampelregierung in Erding

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Aiwangers Erding-Rede: Kritik von der Freien-Wähler-Basis

Nicht alle Freien Wähler sind begeistert von Hubert Aiwangers Auftritt bei der Heizungsdemo in Erding. Für manche hat der Parteivorsitzende eine rote Linie überschritten. Andere unterstützen den Parteichef und dessen Wortwahl.

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Auf den Tischen zwischen Weißbier, Pommes und Currywurst stehen die orangeroten Fähnchen der Freien Wähler. Auf den ersten Blick wirkt alles sehr harmonisch im Wirtshaus von Sigmerthausen im Dachauer Hinterland. Die Freien Wähler haben zu einer Infoveranstaltung zum Thema Heizung geladen.

Zwei Tage ist es jetzt her, dass Hubert Aiwanger auf der Heizungsdemo in Erding gesprochen hat. Doch von einhelliger Zustimmung für Aiwangers Aussagen bei der Basis kann man nicht sprechen. Vor allem Aiwangers Sätze wie "Die Demokratie zurückholen", "Berliner Chaoten" oder "Arsch offen" kommen bei langjährigen Mitgliedern wie Otmar Parsche nicht gut an. "Ich finde, man muss sich sachlich mit den Themen auseinandersetzen und diese harte Sprache einfach lassen." Seine Tischnachbarin ist sogar richtig wütend auf Aiwanger. Der habe sich in der Wortwahl vergriffen. "Das bringt die AfD-Wähler näher und das ist das letzte, das ich vertreten möchte."

Sorge vor Stimmenverlust - aber auch Zustimmung für Aiwanger

Auch Werner Dornstädter fürchtet, dass Aiwangers Auftritt Wähler verschrecken könnte. Er ist Vorsitzender der Freien Wähler Weichs, einer kleinen Gemeinde im Landkreis Dachau. Als ehemaliger Geschäftsführer einer Firma - so seine Erfahrung - koste ein solches Auftreten in der Regel Kunden. Manche im Saal können die Kritik allerdings nicht verstehen. Aiwangers Rhetorik sei bayerisch, das dürfe man nicht auf die Goldwaage legen, heißt es. Und es gibt auch Zustimmung für Aiwanger - etwa von Georg Sonnenberger. Der Schreinermeister ist sauer auf die Ampelregierung. Er habe eine Hackschnitzel-Heizung und fürchte jetzt, dass er künftig nicht mehr vollständig damit heizen kann. "Der Hubert ist einer, der Klartext redet, nicht immer um den heißen Brei herum, auch wenn es mal wehtut", so sein Fazit.

FW-Fraktion im Landtag steht öffentlich hinter Hubert Aiwanger

Die Freie-Wähler-Basis auf der Veranstaltung im Dachauer Hinterland ist gespalten. Anders sieht es bei den Landtagsabgeordneten aus. Der Tenor hier: Aiwanger habe bei der Heizungsdemo in Erding einen guten Auftritt hingelegt. Der Freie-Wähler-Chef habe ihm aus dem Herzen gesprochen, so der Abgeordnete Alexander Hold: "Nach vielen Rückmeldungen, die ich bekomme, hat er genau das gesagt, was viele Menschen denken und was viele Menschen umtreibt." Aiwangers umstrittener Satz, dass "die schweigende Mehrheit sich die Demokratie zurückholen muss", werde absichtlich missverstanden, so Hold. Auch für den Fraktionsvorsitzenden Florian Streibl ist Aiwangers Rede nicht fragwürdig; vielmehr spreche Aiwanger in einer Sprache, die die Leute auch verstehen. "Wenn man das dann als Trumpismus bezeichnet, dann halte ich das auch für falsch. Er ist ein Politiker aus der Mitte der Gesellschaft, also keiner vom rechten oder linken Rand, der jetzt einmal sagt, was Sache ist."

FW-Fraktionsvorsitzender: Aiwanger rhetorischer Strauß-Nachfolger

Der letzte, der so mit den Menschen in Bayern geredet habe, sei Franz Josef Strauß gewesen. In ein ähnliches Horn stößt Fabian Mehring, Geschäftsführer der Freien Wähler im Landtag. Auch er vergleicht Aiwanger mit Strauß und wittert sogar eine Kampagne gegen den Parteichef. Dass er damit den Koalitionspartner meinen könnte, klingt unterschwellig an. Aus den Reihen der Christsozialen kommt nämlich ebenfalls Kritik an Aiwanger - zum Beispiel von Landtagspräsidentin Ilse Aigner oder Florian Hermann, dem Chef der Staatskanzlei.

Die FW-Generalsekretärin Susann Enders, die nach der Rede Aiwangers einen zustimmenden Tweet abgesetzt hat, oder der Nachwuchsverband der Freien Wähler stehen dagegen zu Aiwangers Auftritt.

Anders als früher keine offene Kritik an Aiwanger in der Fraktion

Ob die Zustimmung der Parteispitze damit zu tun hat, dass in knapp vier Monaten Landtagswahl ist? In der Vergangenheit wurde Aiwangers Kurs bei den Freien Wählern durchaus diskutiert. Als sich der Parteichef während der Corona-Pandemie lange nicht impfen lassen wollte, kritisierten ihn auch Parteikollegen öffentlich. Auch während der Flüchtlingskrise 2015 war die Partei gespalten. Ob sich die Aiwanger-Skepsis in der Partei verbreitet, hängt jetzt vor allem von Aiwanger selbst ab. Wenn er im Wahlkampf weiter polarisiert, könnte das auch Folgen für die Koalition mit der CSU haben. Und damit würde er dann wohl auch für einige Politiker seiner eigenen Fraktion eine rote Linie überschreiten.

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