Archivbild: Ein Schild mit der Aufschrift Bayer. Verfassungsgerichtshof
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Verfassungsgerichtshof weist Klage gegen Präventivgewahrsam ab

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat die Klage des Bundes für Geistesfreiheit gegen mehrere Regeln im bayerischen Polizeiaufgabengesetz (PAG) abgewiesen. Demnach ist der Präventivgewahrsam verfassungsgemäß.

Der im bayerischen Polizeiaufgabengesetz (PAG) verankerte Präventivgewahrsam ist mit der bayerischen Verfassung vereinbar. Das entschied der Bayerische Verfassungsgerichtshof in München.

Der Bund für Geistesfreiheit München und der Bund für Geistesfreiheit Bayern hatten in ihrer 2018 eingereichten Popularklage vor allem den Präventivgewahrsam und den seither im Gesetz verankerten Begriff der "drohenden Gefahr", der als Voraussetzung für einige polizeiliche Maßnahmen ausreicht, als verfassungswidrig kritisiert. Über den Begriff der "drohenden Gefahr" entschied das Gericht noch nicht.

Präventivgewahrsam kein unverhältnismäßiger Eingriff

Was den Präventivgewahrsam betrifft, so entschied der Bayerische Verfassungsgerichtshof, ein Freiheitsentzug als "Ultima Ratio" sei zulässig. In seiner im Gesetz ausgestalteten Form sei er auch mit Blick auf die Dauer nicht grundsätzlich verfassungswidrig, um höhere Rechtsgüter zu schützen, so die Begründung von Gerichtspräsident Hans-Joachim Heßler. Das bedeutet: Jemanden für einen Monat, maximal zwei, vorbeugend in Gewahrsam zu nehmen, um mögliche Straftaten zu verhindern, ist demnach zwar ein schwerwiegender, aber kein unverhältnismäßiger Eingriff in die Freiheit der Person.

Immer wieder betonten die Richter, dass der Freiheitsentzug nur als allerletzte Möglichkeit zulässig sei, um auf länger andauernde Gefahren reagieren zu können. Das gebe das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit her. Außerdem komme ein Präventivgewahrsam von zwei Monaten in der Praxis äußerst selten vor - und es könne der, der in Gewahrsam genommen wurde, ja auch jederzeit dagegen klagen. Vor der PAG-Novelle 2017 konnte so ein polizeilicher Gewahrsam maximal 14 Tage dauern. Seit 2017 geht der polizeiliche Gewahrsam einen Monat, mit der Möglichkeit, nochmal um einen Monat zu verlängern - also maximal zwei Monate. Eingeführt worden war der polizeiliche Gewahrsam zur Abwehr von Terroranschlägen, jetzt wird er aber auch bei Klimaaktivisten angewendet.

Bund für Geistesfreiheit will nicht aufgeben

Assunta Tammelleo vom Bund für Geistesfreiheit München zeigte sich sehr überrascht nach der Urteilsverkündung: "Ich bin Demokratin und ich habe Sorge um diese Demokratie", so Tammelleo wörtlich auf BR24-Anfrage. Die Kriterien für den Präventivgewahrsam seien völlig undefiniert - für Tammelleo damit reine Willkürmaßnahmen. Dies sei aber nicht das letzte Wort, da habe sie Vertrauen in den Rechtsstaat. Der Bund für Geistesfreiheit München und der Bund für Geistesfreiheit Bayern hatten argumentiert, das Polizeiaufgabengesetz verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip, den Grundsatz der Gewaltenteilung und mehrere Grundrechte. Zudem rügte der Bund für Geistesfreiheit, dass es eine Haft auf den Verdacht hin, jemand könnte möglicherweise, in einem Rechtsstaat nicht geben dürfe.

Bayerns Innenminister begrüßt "klare Entscheidung"

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat sich über die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs "sehr gefreut". Klar sei hiermit, dass das Polizeiaufgabengesetz weiterhin so angewandt werden kann, betonte Herrmann im Interview mit BR24. Dabei sei auch klar, dass der Präventivgewahrsam von der Dauer von einem, bis maximal zwei Monaten immer nur in besonders extremen Fällen in Frage kommt und dies immer ein Richter entscheiden müsse, so Herrmann. Aktuell ist nach Kenntnis von Herrmann niemand in Bayern in Präventivgewahrsam.

Polizeigewerkschaft: PAG hat sich bei Klimaaktivisten bewährt

Auch der Landesvorsitzende des bayerischen Landesverbandes der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Jürgen Köhnlein, begrüßte die Entscheidung: "Gerade im Zusammenhang mit Aktionen von Klimaaktivisten hat sich diese Befugnis im Polizeiaufgabengesetz zur Verhinderung von weiteren Straftaten bewährt", so Köhnlein. "Die Höchstdauer des Gewahrsams ist in der Praxis nicht die Regel, sondern die absolute Ausnahme."

Keine Entscheidung über den Begriff "drohende Gefahr"

Über den Begriff der "drohenden Gefahr", nach dem die Polizei auch schon tätig werden darf, wenn noch nicht klar ist, wann und wo zum Beispiel ein Anschlag stattfinden könnte, haben die Richter dagegen nicht entschieden. Die Klage sei diesbezüglich unzulässig, denn dem Bund für Geistesfreiheit sei es nicht gelungen, darzulegen, dass durch die erweiterten Befugnisse der Polizei hier in Grundrechte eingegriffen werde.

Weitere Klagen noch anhängig

Mit der Entscheidung ist die juristische Debatte um das Gesetz aber noch nicht vorbei. Weitere Klagen gegen das Gesetz sowie sogenannte Meinungsverschiedenheiten der Oppositionsparteien SPD und der Grünen sind noch anhängig.

Im Video: Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat eine weitere Klage gegen das Polizeiaufgabengesetz abgewiesen.

Erneut hat das Polizeiaufgabengesetz den Bayerischen Verfassungsgerichtshof beschäftigt.
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Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat eine weitere Klage gegen das Polizeiaufgabengesetz abgewiesen.

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