10.06.2023, Bayern, Erding: Hubert Aiwanger, Wirtschaftsminister und Landesvorsitzender der Freien Wähler in Bayern, spricht bei einer Demonstration gegen die Klima-Politik der Ampelregierung unter dem Motto ·Stoppt die Heizungsideologie·. Foto: Matthias Balk/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Demonstration gegen Klima-Politik der Ampelregierung

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Umstrittene Demo-Aussagen: Aiwanger verteidigt seine Haltung

Er lasse sich "nicht den Mund verbieten": Nach seiner umstrittenen Rede auf einer Kundgebung gegen das Heizungsgesetz hat sich Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger verteidigt. Scharfe Kritik an seinem Auftritt kommt auch vom Koalitionspartner CSU.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Der Chef der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, hat seine umstrittenen Aussagen bei der Demonstration gegen das geplante Heizungsgesetz am Samstag in Erding verteidigt. In der Bayern 2 radioWelt am Mittag sagte er: "Ich habe nicht die demokratischen Prozesse in Frage gestellt. Die Mehrheit muss sich die Demokratie an der Stelle zurückholen, weil hier gegen die Demokratie Beschlüsse gefasst sind." Derweil mehren sich die kritischen Stimmen, die Aiwanger Populismus vorwerfen.

Aiwanger verteidigt umstrittene Aussagen

Bei der Kundgebung gegen das Heizungsgesetz hatte Aiwanger am Samstag gesagt: "Jetzt ist der Punkt erreicht, wo endlich die schweigende große Mehrheit dieses Landes sich die Demokratie wieder zurückholen muss (...)." Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur sagte er nun dazu: "Ich stehe zu diesem Satz. Die breite Bevölkerung muss sich schlichtweg wieder Gehör verschaffen, wenn sie anders nicht ernst genommen wird."

In der Bayern 2 radioWelt erklärte Aiwanger darüber hinaus: "Wenn man sagt, es gibt einen Beschluss einer Regierung und damit ist das in Stein gemeißelt, jetzt könnt ihr alle zuhause bleiben, liebe Bürger: Nein, so funktioniert Demokratie nicht. Am Ende können sie das vielleicht gesetzesmäßig durchboxen, aber dann wird eben die Bevölkerung noch mehr auf die Palme getrieben."

Populismus-Vorwurf gegen Aiwanger

Erinnert an eine Aussage von AfD-Politiker Alexander Gauland nach der Bundestagswahl 2017 (Anm.: Gauland sagte damals "Wir holen uns unser Land zurück"), erklärte Aiwanger: Er wolle "nicht ins selbe Horn stoßen wie Alexander Gauland, ganz im Gegenteil". Und weiter: "Aber ich lasse mir auch nicht den Mund verbieten, nur weil ein AfDler vor angeblich sechs Jahren einen ähnlichen Satz gesagt hat, mit 'irgendwas zurückholen'. Morgen wird der Gauland sagen, wir sollen in Lederhose aufs Oktoberfest gehen, dann dürfen wir nimmer in Lederhose aufs Oktoberfest gehen. Wir räumen hier der AfD viel zu viel Macht ein und geben denen die Deutungshoheit über gewisse Sätze." Gegenüber der dpa sagte Aiwanger, er lasse sich nicht mundtot machen mit dieser "linken Masche".

Nach seiner Rede in Erding am Wochenende hatte unter anderem Bayerns Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) die Wortwahl Aiwangers massiv kritisiert: "Man kann die Entscheidungen der Ampel für richtig oder eben falsch halten", sagte Aigner der "Süddeutschen Zeitung" und dem "Münchner Merkur". "Aber die Entscheidungen wurden demokratisch gefällt. Das sollte auch ein stellvertretender Ministerpräsident und Vorsitzender einer Partei in Regierungsverantwortung nicht infrage stellen."

Staatskanzleichef Herrmann: Populismus am rechten Rand brandgefährlich

Der bayerische Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) sagte am Montag, Aiwangers Wortwahl sei "leider unangemessen". "Wir leben in einer Demokratie und deshalb braucht man auch niemanden aufzufordern, diese von irgendwo zurückzuholen - schon gar nicht als Regierungsmitglied mit besonderer Verantwortung." Weiter sagte Herrmann, Populismus am rechten Rand sei "brandgefährlich und gefährdet auch unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt". Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der ebenfalls in Erding auftrat, habe dagegen "durch seine klare Abgrenzung zur AfD und die eigenen Vorschläge zum Heizungsgesetz vorgemacht", wie eine derartige Debatte verantwortungsvoll zu führen sei: Nämlich "die Sorgen der Menschen aufzunehmen und dabei die demokratischen Grundregeln zu betonen", so Herrmann.

Auch andere Politiker kritisierten Aiwangers Wortwahl bei der Demo. So sagte Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) am Montag bei RTL: "Wir hören hier vor allem den Wahlkämpfer 'raus, das ist natürlich ganz eindeutiger Populismus." Zuvor hatte im BR Sonntagsstammtisch Grünen-Chefin Ricarda Lang den Auftritt Aiwangers in Erding "wirklich gefährlich" genannt.

Auch Applaus von AfD-Anhängern

Dass er am Wochenende auch Applaus von AfD-Anhängern bekommen hatte, kommentierte Hubert Aiwanger in der Bayern 2 radioWelt folgendermaßen: "Ich habe Applaus bekommen von irgendwo 13.000 Menschen und ich habe vorher kein Scannen gemacht, wie viele davon sind grün, rot, schwarz oder sonst wie politisch, sondern das war die Mehrheit der Bevölkerung. Da sind mit Sicherheit auch Linke und Rechte dabei gewesen. (…) Ich kann mich ja nicht dafür schämen jetzt, dass ich hier Applaus bekommen habe. Was ist denn der Gradmesser mittlerweile? Muss man ausgepfiffen werden, damit man richtig steht?"

Energiebranche reagiert erschrocken über Auftritte von Aiwanger und Söder

Der Verband der bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW) betont derweil, es sorge in der Branche für Verunsicherung, wie sich Söder und Aiwanger in drastischen Worten gegen die Pläne zum Umstellen auf klimaneutrale Heizungen gewendet haben. VBEW-Geschäftsführer Detlef Fischer erinnert an das bayerische Klimaschutzgesetz: "Wir wollen ja fünf Jahre schneller klimaneutral werden als der Bund. Und da genügt es einfach nicht, ganz platt und populistisch alles kaputtzumachen, wofür wir uns auch einsetzen. Es demotiviert unseren Wirtschaftszweig, diese Aussagen. Es führt dazu, dass man nicht weiß, woran man ist."

Das seit diesem Jahr gültige Klimaschutzgesetz aus der Feder der Staatsregierung sieht vor, dass Bayern bis 2040 klimaneutral sein soll. Jetzt müsse geklärt werden, ob dieses von CSU und Freien Wählern im Landtag verabschiedete Gesetz tatsächlich gilt, so Fischer – oder nach dem Willen der Staatsregierung gar nicht ernst genommen werden solle. Der VBEW betont, dass die Energiebranche bereits nach Kräften an der Umstellung auf Klimaneutralität arbeite. Dafür seien stabile politische Rahmenbedingungen entscheidend.

VBEW-Geschäftsführer Fischer warnt vor Halbwahrheiten

Gerade im Heizungsbereich dürfe man Entscheidungen wegen der langen Projekt-Laufzeiten nicht verschieben, sondern müsse sofort handeln, betont Fischer: "Aber es darf natürlich nicht der Eindruck erweckt werden, als müsse jetzt jeder morgen seine Heizung rausschmeißen. Das steht ja in dem Gebäudeenergiegesetz gar nicht drin. Also wenn man jetzt gutwillig ist, kann man sagen, hier wird mit Halbwahrheiten operiert. Aber im Grunde sind es ja Lügen, die verbreitet werden."

Mit Informationen von dpa.

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