Abgesägte Äste und Stämme (Symbolbild)
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Fürs Klima mit Holz heizen? Aiwangers Tipp im Faktencheck

Erst stehen Holzöfen in der Kritik, weil viel Feinstaub anfällt. Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger empfiehlt, Holz für die "Wärmegewinnung" besser zu nutzen – aus CO2-Gründen. Doch wäre das wirklich gut fürs Klima? Ein #Faktenfuchs.

Anlässlich der Regierungserklärung von Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) zum Energieplan am 31.05.2022 hat der #Faktenfuchs diesen Artikel vom 02.12.2019 aktualisiert. Am 07.06.2022 und am 08.06.2022 haben wir nach weiteren Antworten von Experten noch Informationen ergänzt.

Der CO2-Kreislauf bei Holz funktioniert nach folgendem Prinzip: Wenn ein Baum wächst, nimmt er CO2 aus der Atmosphäre auf. Wenn er verrottet oder verbrannt wird, gibt er genau diese Menge an Kohlendioxid wieder ab.

In seiner Regierungserklärung zum Energieplan Ende Mai 2022 wiederholte Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) seine alte Forderung: Es solle nicht gegen Pellets und Holzscheite polemisiert werden. Konkreter hatte er sich wenige Tage zuvor in der Pressekonferenz nach einer Kabinettssitzung geäußert: "Ich hebe auch heute nochmal das Zepter für das Thema Holz. Auch Holz wurde ja in der Vergangenheit immer wieder diskreditiert vom Bund, vom, ja, Umweltbundesamt und so weiter. Holzheizungen, Pelletheizungen, die brauchen wir, die müssen wir sogar ausweiten und nicht reduzieren." Er bezieht sich hier auf die Klimaschutz-Ziele in Deutschland und Bayern. Hat Aiwanger damit im Hinblick auf den Klimaschutz recht?

Das Umweltbundesamt (UBA) kalkuliert durchaus ein, dass es einen gewissen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann, mit Totholz zu heizen. Inzwischen aber rät es wegen des entstehenden Feinstaubs tatsächlich davon ab, Holzheizungen zu nutzen, wie die dpa im Februar berichtete (hier übernommen vom ZDF). "Wir informieren Politik und Öffentlichkeit auf Basis unserer wissenschaftlichen Erkenntnisse und Bewertungen", schreibt das UBA dem #Faktenfuchs als Reaktion auf den von Aiwanger vorgebrachten Vorwurf, Holzheizungen zu diskreditieren.

Aiwanger plädierte in den vergangenen Jahren immer wieder für eine intensivere Nutzung von Holz als Energieträger - weil das in Bezug auf CO2 sinnvoll sei. "Wir nutzen Holzabfälle oder dürre Bäume, um Energie zu erzeugen. Das haben die Menschen bereits vor 10.000 Jahren gemacht", sagte er in seiner Regierungserklärung 2019. "Wir haben Wälder, in denen dürre Bäume herumstehen und vor sich hingammeln sowie CO2 freisetzen. Diese Bäume gehören verheizt, damit wir Energie erzeugen können, anstatt Öl zu verheizen." Auch auf Twitter bekräftigte Aiwanger wiederholt diese Position - und löst damit in dem sozialen Netzwerk regelmäßig eine kontroverse Debatte aus.

Wie sinnvoll ist das Heizen mit Holz in puncto Klimaschutz?

Betrachtet man den CO2-Kreislauf von Holz isoliert, so stimmt ein Teil von Aiwangers Tweet, nämlich: "Wenn Holz ungenutzt verfault, setzt es genauso viel #CO2 frei, als wenn es zur Wärmegewinnung verbrannt wird." Aber nur unter einer Bedingung, erklärt Horst Fehrenbach, Diplom-Biologe beim ifeu-Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg: "Holz ist ein nachwachsender Rohstoff. CO2-neutral ist der Verbrauch nur dann, wenn er nicht über dem liegt, was in derselben Zeit nachwächst." Deswegen sei Heizen mit Holz nicht automatisch klimafreundlich, weil Wald unter Umständen eben nicht so schnell nachwächst, wie er für die Holznutzung gerodet wird.

So einfach, wie die Rechnung bei Aiwanger klinge, sei sie nicht, hieß es schon 2019 vom Umweltbundesamt (UBA) im Austausch mit dem #Faktenfuchs. Die Zusammenhänge seien sehr komplex. Grundsätzlich ist es laut UBA besser, Holz nicht energetisch zu nutzen. Darin sind sich die relevanten Bundesministerien, Behörden und Wissenschaftler einig. Als Schrank verbaut speichert Holz zum Beispiel dauerhaft CO2 - und es entweicht eben nicht wieder in die Atmosphäre.

  • Heizen mit Holz: Wirklich eine Alternative zu Öl und Gas?

Dieses Argument gegen Holz als Energieträger führt auch ifeu-Experte Fehrenbach ins Feld. Er hält es für sinnvoll, mehr Holz vor allem im Baubereich zu verwenden, was schon mehr Holzentnahme aus dem Wald bedeutet. “Wenn man zudem die Kohlenstoff-Speicher-Frage ernst nimmt, wie es im Klimaschutz-Gesetz steht, müssen wir bei der Holz-Entnahme deutlich auf die Bremse treten.”

So hält es auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Es schließt sich Aiwangers Forderung nicht an, Holz- und Pelletheizungen auszubauen. “Eine Ausweitung der Wärmeversorgung mit Holz ist mit Blick auf die begrenzt zur Verfügung stehenden nachhaltigen Potentiale und die Zielsetzung einer Kaskadennutzung von Holz eine große Herausforderung”, schreibt das BMEL 2022 in einer Mail an den #Faktenfuchs. Mit Kaskadennutzung ist gemeint, dass Holz vorrangig stofflich, dann erst energetisch verwendet werden soll.

Zwar leiste Holz einen wichtigen Beitrag zur Senkung von Treibhausgasemissionen im Wärmebereich, schreibt das BMEL. Zudem wird Deutschland laut BMEL durch Energie aus inländischem Holz unabhängiger von Energieimporten. Aber dem seien eben Grenzen gesetzt. Laut Ampel-Koalitionsvertrag soll in der bis 2025 laufenden Legislaturperiode eine Strategie zur nachhaltigen Biomassenutzung erarbeitet werden. Die soll sicherstellen, dass Biomasse - dazu zählt Holz - nur in nachhaltig verfügbaren Mengen energetisch verwendet wird. Und nur da, wo andere Optionen nicht existieren, um die CO2-Emissionen zu senken.

Wie viel Holz kann dem Wald entnommen werden?

Die Frage, wie viel Wald man stehen lässt und wie viel für Holzscheite, Papier oder andere Nutzung geschlagen wird, entscheidet die Forstwirtschaft. Ifeu-Experte Fehrenbach verweist auf eine Studie der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf von 2017, die ein mit dem Naturschutz verträgliches Maß an Energieholz für Deutschland ermittelte. "Die Verwendung von Holz als Energieträger hat in den letzten zehn Jahren und insbesondere seit der 2008 von der Bundesregierung eingeleiteten Energiewende stark zugenommen. Dadurch ergeben sich potentielle Zielkonflikte zwischen Energiepolitik und Naturschutz", heißt es darin.

"Die Einschätzung im Bericht war, dass die damaligen Nutzungsmengen (die wiederum auch auf dem Niveau der der letzten beiden Jahre 2020 und 2021 liegen) keine negativen Auswirkungen erkennen lassen auf Vorrat, Totholz und z.B. Vogelgemeinschaften", schreibt Studienautor Jörg Ewald von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf dem #Faktenfuchs 2022.

Auch Herbert Borchert von der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft in Freising sieht noch keine Nachteile. Er sagte 2019 in der BR-Sendung "Gut zu wissen" zum Thema Heizen: "Wir haben jetzt auf jeden Fall noch einen Zeitraum von gut 20 Jahren, wo wir aus dem Vollen schöpfen können, weil wir so viel Holz in den Wäldern haben. Dann gehen die Nutzungsmöglichkeiten zurück", sagte Borchert vor drei Jahren - und bekräftigt es auch heute auf erneute Nachfrage des #Faktenfuchs. "Als eine Brückentechnologie sollte man Holz nicht verdammen, sondern durchaus hernehmen", sagte Borchert. Denn das Ende der Ölheizung ist beschlossene Sache: Ab 2026 dürfen keine neuen mehr installiert werden.

Fehrenbach hingegen schätzt das anders ein. Die Menge Holz, die zur Energiegewinnung aus deutschen Wäldern entnommen wird, sei demnach fast doppelt so hoch, wie für den Natur- und Umweltschutz empfehlenswert wäre, sagte Fehrenbach 2019, und: "Wir sind hier schon über das Limit hinaus."

Das gilt ihm zufolge weiterhin. Zwar gebe es durch die aktuelle Trockenheit viel geschädigtes Holz - das man kurzfristig als Brennholz verwenden könnte. "Aber solch trockener Wald sollte nicht der Regelfall werden. Sonst haben wir in Deutschland bald keinen Wald mehr", sagt Fehrenbach. "Würde man nun mehr Holzheizungen bauen, braucht man ja langfristig noch mehr Holz dafür - und nicht nur das aus einem trockenen Sommer. Das ist keine nachhaltige Klimaschutz-Strategie", sagt Fehrenbach im Gespräch mit dem #Faktenfuchs.

Totholz hat ökologische Funktion

In einem Hintergrundpapier des UBA vom März 2021 wird grundsätzlich bestätigt, dass Energieholz sinnvoll sein kann: "Wald-Restholz, das nicht effizient stofflich nutzbar ist, geeignetes Altholz, Landschaftspflegeholz usw. können durch den Ersatz (die Substitution) fossiler Brennstoffe einen gewissen Beitrag zum Klimaschutz leisten." Das entspricht der Aussage von Hubert Aiwanger.

In den vergangenen Jahren haben sich laut Bundesamt für Naturschutz (BfN) die Totholzmengen in deutschen Wäldern von 11,6 auf 13,7 Kubikmeter pro Hektar Wald erhöht. Wenn man die Veränderung der Totholzdefinition bei der Bundeswaldinventur 2012 gegenüber 2002 berücksichtigt, so hat sich der Totholzanteil fast verdoppelt. Das sind die aktuellsten verfügbaren Zahlen aus der Bundeswaldinventur. Für die aktuell laufende Bundeswaldinventur werden noch bis Ende 2022 Daten gesammelt, die Ergebnisse gibt es voraussichtlich Ende 2024, wie das BMEL dem #Faktenfuchs schreibt.

Doch inwiefern diese Menge von Totholz ausreicht, um Ölheizungen zu ersetzen, ist offen. Zudem kann auch beim Heizen mit Holz zusätzliches CO2 entstehen - anders als Aiwanger behauptet. "Man sollte generell darauf achten, Holz aus der Region zu verwenden - denn je länger der Transportweg ist, desto mehr Treibstoff wird auch verbraucht, was wieder schädliche Umweltwirkungen mit sich bringt", heißt es beim UBA.

Zum anderen ist die Entnahme von Totholz ein ökologischer Eingriff. Denn auf Totholz siedeln sich zum Beispiel Pilze oder Moose an, und langfristig wird das alte Holz zu Humus zersetzt. Es ist Teil des Wald-Ökosystems. Nicht nur das Bundesamt für Naturschutz, sondern auch Forstexperten warnen vor dem Konflikt zwischen Nutzung und Förderung von Totholz. Aiwangers Forderung, Holz mehr zu nutzen, könnte im Kontext des gesamten Tweets von vor drei Jahren so ausgelegt werden, dass nur Totholz fürs Heizen benutzt werden solle, das sonst "ungenutzt verfault".

Das BfN wendet dagegen ein: „Markierte Biotopbäume oder Totholz, also Baumteile, die sich bereits zersetzen, zu entnehmen ist aus Sicht des Naturschutzes nicht geboten”, sagte die BfN-Präsidentin, Sabine Riewenherm, dem #Faktenfuchs. “Meistens ist das aber auch aus Sicht der Nutzung ab einem gewissen Zersetzungsgrad auch gar nicht mehr sinnvoll. Die nachhaltig nutzbare Menge an Holz rekrutiert sich stets aus frisch geschlagenen Bäumen.”

Das BfN warnt vor zu großer Nachfrage, differenziert aber. Im kleinen Maßstab könne die Nachfrage nach Brennholz auch ohne Konkurrenz zum Naturschutz laufen und sogar bestimmte Waldstrukturen fördern. Große Feuerungsanlagen brauchten allerdings so viel Holz, dass damit regional der Druck auf den Wald und das für die Biodiversität nötige Totholz zu hoch würde.

Jörg Ewald von der Weihenstephaner Hochschule fasst zusammen: "Für die Kohlendioxid-Bilanz ist eine Ausweitung gut, solange sichergestellt ist, dass das Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammt." Bei Hackschnitzeln und Scheitholz sollten die Verbraucher ihm zufolge darauf achten, dass es sich um regionales Holz handelt, um sicherzugehen, dass es nachhaltig eingeschlagen wurde und der Energieaufwand für den Transport gering gehalten wird. Denn auch das sind Faktoren, die auf die CO2-Bilanz eine Auswirkung haben.

Holzheizen produziert Feinstaub

Heizen mit Holz produziert zudem Feinstaub, wie etwa die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt. "Pelletöfen haben zwar noch vergleichsweise gute Werte", sagt Fehrenbach, "aber gerade Scheitholzöfen verursachen eine massive Belastung mit Feinstaub." Dieser kann schädlich für die Gesundheit sein, wie zum Beispiel das UBA hervorhebt. Dass es gesund sei, Holz zu verbrennen, wie Aiwanger in einem anderen Tweet behauptet, ist also nicht grundsätzlich haltbar. "Hier ist die Kritik berechtigt, der Feinstaubausstoß sollte über eine Modernisierung des Anlagenbestands gesenkt werden", sagt Jörg Ewald. Zwar kann der Feinstaub, den Holzheizungen ausstoßen, reduziert werden durch technische Lösungen. Allerdings können nicht alle bestehenden Heizungen nachgerüstet werden.

Es ist auch hier wichtig, zu differenzieren. "Scheitholzkessel, Pellet und Hackschnitzelheizungen, die allesamt Wasser als Wärmeträger erhitzen, sind dagegen elektronisch geregelt und stoßen deutlich weniger Feinstaub aus", sagt Ewald. Größere Anlagen wie Holzheizwerke mit Nahwärmenetzen verfügten zudem über Filtereinichtungen.

Holz könne Kohle, Gas oder Öl nur zu einem Teil ersetzen, erklärt Fehrenbach. Für den Umstieg auf regenerative Energie müssten eher Wärmepumpen und Solarthermie in Betracht gezogen werden.

Fazit

Es stimmt, dass Holz, wenn es verrottet oder verbrannt wird, genauso viel CO2 freisetzt, wie es während seines Wachstums aufgenommen hat. Damit das Heizen mit Holz CO2-neutral ist, dürfte der Verbrauch aber nur so hoch sein, wie das Wachstum an Holz in der gleichen Zeit ist.

Bei den Experten gibt es unterschiedliche Ansichten darüber, wie viel Holz dem Wald entnommen werden kann, ohne dass das Gleichgewicht gestört wird. Nicht verwertbares Restholz energetisch zu nutzen, kann einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Dabei kommt es jedoch darauf an, welches Holz und wie viel davon genutzt wird. Ein Minuspunkt beim Heizen mit Holz, vor allem bei Scheitholzöfen, ist laut UBA und WHO der hohe Ausstoß an Feinstaub.

Kontrovers - Die Story: Wald unter Druck: Holz-Boom trotz Waldsterben
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