12.10.2023, Bayern, München: Hubert Aiwanger (r), Bundesvorsitzender der Freien Wähler, Markus Söder (l, CSU), Ministerpräsident von Bayern, und Mitglieder der beiden Parteien kommen im bayerischen Landtag zu den ersten Koalitionsgespräche zwischen CSU und Freien Wählern nach der Landtagswahl zusammen.
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Start der Koalitionsgespräche zwischen CSU und Freien Wählern

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Ex-CSU-Chef Huber fordert "harte Verhandlungen" mit FW

Tagelang wurde öffentlich gestritten, doch seit dem Start ihrer Koalitionsgespräche halten sich CSU und Freie Wähler verbal zurück. Ex-CSU-Chef Huber hofft dennoch, dass seine Partei hinter verschlossenen Türen "hart" auftritt.

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Drei Zeilen von CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek im Kurznachrichtendienst X, ein Satz des Freie-Wähler-Abgeordneten Fabian Mehring - ansonsten war tagelang kaum etwas zu erfahren über die Koalitionsverhandlungen in Bayern. "Gerade sehr konstruktiv über die wichtigen Themen Gesundheit, Pflege und Prävention diskutiert", schrieb Holetschek am Montag. "Wir kommen gut voran." Schon am Freitag hatte Mehring die Koalitionsverhandlungen als "konstruktiv" gelobt. Nachdem sich CSU und Freie Wähler vergangene Woche einen Schlagabtausch mit gegenseitigen Attacken geliefert hatten, übten sich Spitzenvertreter beider Parteien seit Beginn ihrer Gespräche auffällig in Zurückhaltung.

Am Mittwochabend kamen Delegationen beider Parteien samt der Parteivorsitzenden zu einer neuen Verhandlungsrunde zusammen. Vor Beginn traten Holetschek und sein FW-Kollege Florian Streibl kurz vor die Presse und zeigten sich zuversichtlich. "Ich denke, wir biegen dann sehr schnell auch auf eine Zielgerade ein", sagte Holetschek. Beide Parteien wollten eine "Koalition der Vernunft", die Stabilität gewährleiste und den Menschen wieder mehr zutraue. Streibl ergänzte, es gehe auch darum, zu demonstrieren, dass es im Freistaat weiter ein funktionierendes Gemeinwesen zum Wohle der Menschen im Land gebe. Beide sprachen von einer guten Arbeitsatmosphäre der Gespräche.

Ex-CSU-Chef Erwin Huber setzt dennoch darauf, dass die Delegation der Christsozialen hinter verschlossenen Türen den Freien Wählern gegenüber weiter entschlossen auftritt. Er vertraue darauf, dass Ministerpräsident Markus Söder und Fraktionschef Holetschek "harte Verhandlungen für uns führen", sagte er dem "Straubinger Tagblatt". "Sie müssen das Ergebnis ja auch in Fraktion und Partei vermitteln."

Huber: "Blauäugigkeit kommt nicht mehr in Betracht"

Nach Meinung von Erwin Huber muss sich bei der Neuauflage der Koalition der Umgang der CSU mit den Freien Wählern ändern. "Jedenfalls kommt Blauäugigkeit nicht mehr in Betracht", sagte er dem "Straubinger Tagblatt". Innerhalb der CSU gebe es "eine gewisse Ernüchterung" gegenüber FW-Chef Hubert Aiwanger. Das Verhältnis zu den Freien Wähler würde er jetzt als "Koopetition" beschreiben: "Das kennen wir aus der Wirtschaftstheorie und bedeutet ein Nebeneinander von Kooperation und Konkurrenz. Wir sind bereit, offensiv in diesen Wettbewerb zu gehen."

Inhaltlich rechnen Beobachter mit viel Übereinstimmung bei den Koalitionsverhandlungen und kaum großen Streitpunkten zwischen CSU und Freien Wählern. Ein hartes Ringen zeichnet sich dagegen bei der Verteilung der Ministerien ab. Während die CSU die Auffassung vertritt, der Koalitionspartner habe ausreichend Kabinettsposten, verlangen die Freien Wähler mindestens ein zusätzliches Ministerium.

Abzuwarten bleibt auch, wie es um das Verhältnis der Koalitionspartner zueinander bestellt ist. Vor Beginn der Koalitionsverhandlungen hatte es am Donnerstag zunächst in einer Sondierungsrunde eine fast dreistündige Aussprache gegeben. Dabei sollen sehr klare Worte gefallen sein. Söder hatte vorab von den Freien Wählern ein Bekenntnis zur Demokratie verlangt: Seit dem Auftritt von Hubert Aiwanger bei der Erdinger Heizungsdemo ("Demokratie zurückholen") habe sich die Partei Stück für Stück verändert. Daher stelle sich die Frage, "wo der Standort und der Standpunkt der Freien Wähler nach dieser Wahl ist".

Aiwanger: "Lassen uns nicht unter Verdacht stellen"

Aiwanger ließ am Wochenende auf einem Landesparteitag durchblicken, dass ihn Söders Forderung noch immer ärgert. "Wir lassen uns nicht politisch irgendwo unter Verdacht stellen", sagte er in seiner Grundsatzrede. "Wir haben nicht nötig, dass wir uns rechtfertigen müssen, wie wir es mit der Demokratie handhaben." Die Freien Wähler seien der "Inbegriff der Demokratie" und die "Kerndemokraten Bayerns".

Bis auf die erneute Forderung nach weniger Bürokratie hielt sich Aiwanger in seiner Rede mit Äußerungen zu den Koalitionsverhandlungen zurück. Dennoch setzte der Parteitag klare Zeichen in Richtung CSU. Die Freien Wähler stellten sich nicht nur einhellig hinter Koalitionsverhandlungen, sondern stimmten mit 100 Prozent auch für die Nominierung Aiwangers zum stellvertretenden Ministerpräsidenten in einer weiteren schwarz-orangen Staatsregierung. Damit antwortete die Partei auf Spekulationen, dass es in der CSU Widerstand dagegen geben könnte, Wirtschaftsminister Aiwanger erneut zum Stellvertreter von Ministerpräsident Söder zu machen.

Über Personal soll erst zum Schluss gesprochen werden

Über Personalfragen, Ressortzuschnitte und -verteilung soll laut Söder allerdings erst ganz am Ende der Koalitionsverhandlungen diskutiert werden. Inhaltlich wollen sich beide Parteien schon diese Woche im Groben einigen, bis Ende nächster Woche soll der Koalitionsvertrag dann stehen. Am 30. Oktober kommt der neue Landtag erstmals zusammen, einen Tag später soll Söder als Ministerpräsident wiedergewählt werden. Bis zur Vereidigung des neuen Kabinetts könnte eine weitere Woche vergehen.

Mit Informationen von dpa.

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