Bundestrainer Julian Nagelsmann und Jamal Musiala
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Bundestrainer Julian Nagelsmann und Jamal Musiala

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DFB-Elf: Mit Nagelsmann kehrt die Bolzplatzmentalität zurück

Die erste Dienstreise des neuen Bundestrainers Julian Nagelsmann ist beendet. Der größte Erfolg: Nach den beiden Testspielen ist die Anfangseuphorie in der Nationalmannschaft nicht verflogen. Die positive Stimmung soll der Schlüssel zum Erfolg sein.

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Julian Nagelsmann hatte nach diesem 2:2 gegen starke Mexikaner offensichtlich Gesprächsbedarf. Gemeinsam mit seinem Assistenten Benjamin Glück verließ er den Rasen des Lincoln Financials Field in Philadelphia und damit auch die Bühne seiner ersten großen Dienstreise als Bundestrainer.

Zu besprechen gab es genug. Da waren die teils eklatanten Abwehrschwächen, die die gefestigte mexikanische Mannschaft offenbart hatte, das immer wieder schludrige Aufbauspiel - auch von Manuel-Neuer-Konkurrent Marc-André ter Stegen, oder die ausbaufähige Chancenverwertung.

Gündoğan freut sich über Lob von Nagelsmann

Auch deshalb sagte Kapitän İlkay Gündoğan nach dem Spiel: "Die Leistung war ausbaufähig, das wissen wir." Aber da gab es eben auch viele positive Anzeichen, die die krisengeplagten DFB-Spieler durstig aufsaugten: "Julian Nagelsmann hat uns gerade gesagt, dass er an diese Mannschaft glaubt, das freut uns natürlich sehr."

Eine interessante Aussage, die auch zeigt, dass sich mit Nagelsmann die Dynamik zwischen Team und Trainer verändert hat. Die Spieler wollen sich beweisen, individuell wie als Mannschaft, wollen ihrem neuen Trainer gefallen und scheinen überzeugt zu sein von ihrem neuen Chef.

Und das sah man auch auf dem Platz. Sowohl beim 3:1-Sieg über die USA als auch beim 2:2 gegen Mexiko. Die Mannschaft spielt mutiger, mit mehr Elan als zuletzt, als das Team ein ums andere Mal enttäuschte. Und die Ideen von Nagelsmann verfangen sich schnell. Besonders wenn die DFB-Elf die Mittellinie überquert, zeigt sie eine neue Zielstrebigkeit, die nicht nur für mehr Torchancen als zuletzt führt, sondern auch Fans und Spielern gleichermaßen mehr Freude zu bereiten scheint.

Bundestrainer Julian Nagelsmann pfeift an der Seitenlinie beim Spiel gegen Mexiko
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Julian Nagelsmann beim Spiel gegen Mexiko

Duo Wirtz/Musiala: Nagelsmann setzt auf Bolzplatz-Logik

Das dürfte auch daran liegen, dass Nagelsmanns größter Fokus ist, nicht Fehler zu vermeiden, sondern die Stärken der Mannschaft hervorzuheben. So setzte er in beiden Testspielen auf die beiden Ausnahmetalente Florian Wirtz und Jamal Musiala, die auch wegen ihres ähnlichen Spielerprofils zuvor äußerst selten gemeinsam auf dem Platz standen. "Früher auf dem Bolzplatz hat man eher die besseren Spieler gewählt. Warum sollten die beiden nicht immer zusammenspielen können? Es geht darum, die besten Spieler auf dem Platz zu haben", erklärte Nagelsmann seinen Ansatz.

Es ist diese Lust am Fußball, die der größte Trumpf des Bundestrainers sein könnte, bei dem Vorhaben, eine Mannschaft mit Titelambitionen in die Europameisterschaft im eigenen Land zu schicken. Ausnahmekönner wie Wirtz, Musiala, Leroy Sané, Serge Gnabry, Joshua Kimmich und Gündoğan finden sich für dieses Vorhaben in seiner Mannschaft schließlich genug. Die negativen Zweifel sollen erstmal wieder aus den Köpfen verschwinden.

Nagelsmann lobt die Schnell-Lerner in der DFB-Elf

"Ich habe noch keine Mannschaft trainiert, die innerhalb von einer Woche so viele Dinge umsetzt. Ich war schwer begeistert. Deswegen mache ich mir absolut keine Sorgen", sagte der Bundestrainer nach als Abschlussfazit in Philadelphia. Richtung Heim-EM sieht der 36-Jährige sein Team auf einem sehr guten Weg. "Ich bin zu 100 Prozent überzeugt, dass wir erfolgreich sein werden", sagte Nagelsmann.

Die Worte stehen im krassen Kontrast zu dem, was Gündoğan noch nach der 1:4-Niederlage gegen Japan gesagt hatte - dem letzten Auftritt von Hansi Flick als Bundestrainer. Damals hatte der ehemalige Nürnberger eine besorgniserregende Bestandsaufnahme in Richtung DFB und die Wohnzimmer der Fans gesendet: "Die Japaner waren klar besser, defensiv und offensiv. Sie war uns in allen Belangen überlegen. Das muss man so zugeben", hatte Gündoğan nach dem Spiel gesagt: "Wir sind im Moment nicht gut genug. Ansprüche und Realität sind weit auseinander. Die Mannschaft muss sich hinterfragen."

DFB-Elf: Mit Stimmungshoch zu einer erfolgreichen EM?

Aktuell scheint diese Gleichung aufzugehen. Die erste Anfangseuphorie ist nach dem 2:2-Unentschieden gegen Mexiko zumindest nicht verflogen, was Nagelsmann als ersten Erfolg verbuchen dürfte. Nun gilt es, diesen Schwung auch mitzunehmen - und den Schnell-Lernern weitere taktische Feinschliffe zu verpassen. Bis zu den nächsten Testspielen gegen die Türkei am 18. November in Berlin und drei Tage später in Österreich gegen Wien will Nagelsmann seinen Spielern Video-Szenen zukommen lassen und diese besprechen, ausdrücklich ohne die Autorität der Klub-Trainer zu untergraben. Doch das entscheidendste ist für den früheren FC-Bayern-Coach, dass der gute Geist der USA-Reise erhalten bleibt. 

"Am Ende ist es wichtig, dass wir die Peak-Leistung beim Turnier haben. Ansonsten sollten wir in der Lage sein, im November und im März die Spiele gewinnen zu können, weil es einfach wichtig ist, um eine Stimmung zu erzeugen, die wir als Mannschaft wollen. Damit meine ich nicht außen herum, sondern dass jeder in der Kabine kommt und sagt, "das macht Spaß zu spielen, mit der Truppe will ich gewinnen", sagte Nagelsmann.

Kehren die Geister der Vergangenheit zurück?

Doch drei historisch schlechte Groß-Turniere in Serie lassen sich meist nicht so einfach aus den Köpfen der Spieler ausradieren. Damit das nicht passiert, muss der Bundestrainer auch die Schwächen in der Mannschaft adressieren - wie die eklatanten individuellen Fehler in der eigenen Abwehr.

Es ist einer schmaler Grat für Nagelsmann. Mit einer ähnlichen Situation musste der 36-Jährige bei seiner vorherigen Trainerstation umgehen. Verunsichert und geplagt von einer Abwehrschwäche rutschte der FC Bayern in der vergangenen Saison unter ihm in einen Negativstrudel.

Nagelsmann gab bei seiner Antrittspressekonferenz an, aus seinen Fehlern in München gelernt zu haben. Sollte sein Team bei den nächsten Testspielen einen Rückschlag erleiden, muss er beweisen, dass das stimmt.

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