Nächste Runde im öffentlichen Schlagabtausch zwischen den bisherigen und wohl auch künftigen Koalitionspartnern in Bayern: Freie-Wähler Chef Hubert Aiwanger zeigt sich verärgert über die Seitenhiebe aus der CSU. Ihn verwundere die Debatte der vergangenen Tage, "wo wir plötzlich infrage gestellt werden als Freie Wähler", sagte der bayerische Wirtschaftsminister in München. Jeder solle vor der eigenen Tür kehren – "auch bezüglich der Frage, wie man zum Thema Demokratie steht".
Der CSU-Vorsitzende Markus Söder hatte am Dienstag angekündigt, dass seine Partei zu Beginn der Sondierung mit den Freien Wählern am Donnerstag Grundsätzliches diskutieren und ein Bekenntnis zur Demokratie einfordern wolle. Im Wahlkampf sei viel passiert, "einfach Schwamm drüber" reiche nicht aus. "Man muss schon einmal nachfragen, wo der Standort und der Standpunkt der Freien Wähler nach dieser Wahl ist." Zudem wolle die CSU den Koalitionspartner künftig stärker an seiner Leistung messen. Der neue CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek sagte, es "wäre fatal, jetzt einfach zur Tagesordnung überzugehen". Nötig sei ein "klärendes Gespräch" mit deutlichen Worten.
Aiwanger: CSU "wankelmütig"
Aiwanger betonte, die Freien Wähler stünden seit Jahrzehnten in der Mitte. "Wir sind quasi die Slalomstange, um die die CSU immer herumfährt. Mal fährt sie links vorbei, mal rechts vorbei, wir sind die Mitte." Die CSU sei nach politischer Wetterlage "wankelmütig".
Einen Austausch über Grundsatzfragen und Demokratieverständnis hält auch Aiwanger für dringend nötig. "Ich bin dafür, dass wir sehr stark auf Bürgerrechte achten und dass hier mehr Sensibilität an den Tag gelegt wird." In diesem Zusammenhang verwies der Minister auf "einige unschöne Dinge" aus Zeiten der Corona-Politik. Da hätten häufig die Gerichte Entscheidungen korrigieren müssen, die nicht von ihm gekommen seien.
"So etwas geht nicht"
Von der CSU forderte Aiwanger "eine fairere und kollegialere Zusammenarbeit". Die Freien Wähler hätten in den vergangenen Jahren einige Demütigungen hinnehmen müssen. "Ich erinnere auch an die Stellungnahme, zu der ich vor laufender Kamera getrieben worden bin, wie mein Impfstatus sei und Ähnliches. So etwas geht nicht." Damit spielte der Freie-Wähler-Chef auf eine Pressekonferenz an, bei der ihn Söder öffentlich aufforderte, zu erklären, warum er noch nicht gegen Corona geimpft sei.
Aiwanger betonte, dass er sich einen solchen Umgang in Zukunft nicht mehr gefallen lassen wolle. Seine Partei sei kollegial, lasse sich aber nicht in eine Ecke drängen oder demütigen. Der Minister forderte eine schnelle Regierungsbildung. Als Themen, die eine Rolle spielen sollen, nannte er Bürokratie-Abbau, eine bayerische Krankenhaus-Planung sowie "ein klareres Bekenntnis gegen die dritte Startbahn" am Münchner Flughafen, zu dem die CSU bisher nicht bereit gewesen sei.
Streibl bleibt Fraktionschef
Die neue Freie-Wähler-Fraktion, die um zehn Abgeordnete auf 37 gewachsen ist, bestätigte Florian Streibl als ihren Vorsitzenden. Er bekam laut Aiwanger in geheimer Abstimmung 36 von 36 Stimmen.
Bei der bayerischen Landtagswahl hatten die Freien Wähler deutlich auf 15,8 Prozent zugelegt. Streibl wandte sich gegen Versuche aus der CSU, die Stimmenzuwächse seiner Partei zu relativieren. Der Wähler habe gesprochen, und das gelte es zu akzeptieren. "Denn jeder, der Wahlergebnisse infrage stellt, stellt sich auf eine Stufe mit Leuten, die wir nicht haben wollen." Die Freien Wähler seien nun zweitstärkste Kraft im Landtag - das gebe Rückenwind und Bestätigung.
"Es ist klar, dass wir nicht nur ein kleiner Koalitionspartner sind, sondern wir sind der Koalitionspartner in Bayern. Und mit diesem Bewusstsein werden wir in die Verhandlungen gehen." Große ideologische Unterschiede zur CSU gebe es nicht, aber "mentale". Streibl kündigte an, seine Fraktion werde ihre "Duftmarken in Bayern setzen". Zugleich mahnte auch er, die künftige Zusammenarbeit in der Koalition solle partnerschaftlich und fair sein, auf gegenseitige Demütigungen müsse verzichtet werden.
Im Video: BR-Reporterin Regina Kirschner zur Fraktionssitzung der Freien Wähler
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