Die Spitze der Freien Wähler in Bayern: Fraktionschef Florian Streibl und Parteivorsitzender Hubert Aiwanger.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Sven Hoppe

Die Freien Wähler kommen heute in Niederbayern zu einem Landesparteitag zusammen.

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Aiwanger: Zwischen Schmusekurs und Zähnefletschen

Die Freien Wähler wollen bei der Landesversammlung ihr Rekordergebnis feiern und "sich gegenseitig in die Arme nehmen". Während innerparteilich gekuschelt wird, bleibt das Verhältnis zur CSU allerdings weiterhin angespannt.

Wenn die Parteimitglieder heute in Bad Gögging zur Landesversammlung zusammenkommen, wird das laut Freie Wähler-Chef Hubert Aiwanger ein "freudiger Tag". Mit 15,8 Prozent haben die Freien Wähler bei der Landtagswahl ein Rekordergebnis eingefahren. "Das beste Ergebnis unserer Geschichte - da dürfen wir alle miteinander stolz sein", sagt Aiwanger.

Ein Jubel-Parteitag also. Der Basis will Aiwanger "für den tollen Wahlkampf danken". Man werde sich "gegenseitig in die Arme nehmen" und zuversichtlich in die Zukunft blicken. Außerdem soll die Parteibasis die bereits begonnenen Koalitionsverhandlungen mit der CSU abnicken. Und die Mitglieder sollen der Parteispitze den Segen dafür geben, einen Koalitionsvertrag auszuhandeln.

Aiwanger fordert mehr Geld für Wohnungsbau

Inhaltlich haben sich die Mitglieder bereits vor drei Monaten abgestimmt. Schon am Parteitag im Juli haben sie 39 Punkte erarbeitet, die sie gerne in einem Koalitionsvertrag mit der CSU lesen würden. Darunter der Ausbau erneuerbarer Energien, eine konsequentere Abschiebung straffällig gewordener Zuwanderer und mehr Geld für den Wohnungsbau.

Hubert Aiwanger sagte dazu vor Beginn der Sondierungsgespräche: "Wir sehen einen Einbruch im Baubereich, sodass wir da mit bayerischen Geldern hineingehen müssen, um Bauen wieder attraktiver zu machen." Auch ein bayerisches Holzheizungsförderprogramm schließt Aiwanger nicht aus.

CSU und Freie Wähler: inhaltliche Differenzen

Mit der CSU liegen die Freien Wähler inhaltlich in vielen Punkten auf einer Linie. Große inhaltliche Differenzen werden bei den Koalitionsverhandlungen daher nicht erwartet. Unterschiede gibt es unter anderem bei der Einführung der Grundsteuer C, einer Steuer auf unbebaute Grundstücke. Die lehnen die Freien Wähler, im Gegensatz zur CSU, kategorisch ab.

Ähnlich schaut es bei der Grunderwerbssteuer auf die erste selbstgenutzte Immobilie aus. Auch die soll nach dem Willen der Freien Wähler komplett abgeschafft werden. Die CSU möchte sie beibehalten, spricht sich aber zumindest gegen eine Erhöhung aus.

Aiwanger: "Nichts Unüberwindbares"

Auf der mit 39 Punkten bestückten Wunschliste der Freien Wähler steht außerdem die "Einführung eines bayerischen Gehörlosengeldes". Die CSU lehnt das bislang ab. Kontroverser sieht es beim Wählen ab 16 Jahren aus. Während die Freien Wähler dem zustimmen (zumindest bei Kommunalwahlen), lehnt die CSU Änderungen beim Wahlalter gänzlich ab.

Im Großen und Ganzen gibt es laut Aiwanger aber "nichts Unüberwindbares". Der Freie Wähler-Chef geht davon aus, dass sich die CSU nun deutlich zum Aus der dritten Startbahn am Münchner Flughafen bekennen wird. In der Energiepolitik oder der Asylpolitik sei man sich ohnehin recht einig.

Atmosphärische Störungen: Sondierung startet unter schwierigen Umständen

Trotzdem lief der Start der Gespräche zwischen CSU und Freien Wählern alles andere als harmonisch ab. Innerparteilich mögen die erstarkten Freien Wähler gerade auf Kuschelkurs sein und sich am Parteitag "gegenseitig in die Arme nehmen", wie Aiwanger angekündigt hat. Auf Vorwürfe der CSU reagierten sie allerdings mit Gegenangriffen und fletschten die Zähne.

Vor Beginn der Sondierungen kritisierte Aiwanger die Christsozialen als wankelmütig und rief sie auf, erst "vor der eigenen Tür zu kehren". Fraktionschef Florian Streibl betonte, große ideologische Unterschiede zur CSU gebe es nicht, aber "mentale". Er kündigte an, seine Fraktion werde ihre "Duftmarken in Bayern setzen". Und er rief die CSU auf, auf Demütigungen zu verzichten.

Nach "Therapiesitzung": wieder Vertrauen aufbauen

Nach einer fast dreistündigen Sitzung am Donnerstag haben jedoch beide Parteien verbal abgerüstet. CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek sah anschließend die Basis für die weitere Zusammenarbeit wieder hergestellt. Das Gespräch bezeichnete er als "sehr offen, sehr deutlich, sehr klar". Laut FW-Fraktionschef Streibl war es eine "deutliche Aussprache". Man müsse wieder Vertrauen aufbauen.

Streitpunkt Ressortverteilung

Spätestens bei der Ressortverteilung dürfte es jedoch erneut etwas lauter werden zwischen den Verhandlungspartnern. Die Freien Wähler fordern ein viertes Ministerium, was die CSU ablehnt. Am liebsten bekämen die Freien Wählern das Landwirtschaftsministerium dazu. Das hatte Aiwanger schon vor der Wahl bekannt gegeben. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) machte daraufhin unmissverständlich klar: Das Landwirtschaftsministerium werde die CSU nicht hergeben.

Die Verteilung der Ressorts für die künftige Regierung soll jedoch erst gegen Ende der Koalitionsverhandlungen in den Mittelpunkt rücken. Und am Wochenende ist sowieso Verhandlungspause. Erst am Montag wollen CSU und Freie Wähler die Gespräche fortsetzen. Dann aber wieder unter Hochdruck. Denn wenn der Landtag am 30. Oktober zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkommt, soll der Koalitionsvertrag möglichst schon unterschrieben sein.

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