Hubert Aiwanger vor der Eröffnung der Richard-Wagner-Festspiele
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Empörung über Aiwangers Klima-Tweet: "Verachtung der Realität"

Das gerade nass-kühle Wetter in Bayern zeigt laut Vize-Ministerpräsident Aiwanger: kein Grund zur Panik beim Klima. Der Bund Naturschutz hält das für "zynisch" und verweist auf Extremwetter andernorts. Kritik kommt auch von mehreren Bundespolitikern.

Es war ein heftiges Gewitter, das am Mittwoch das Schaulaufen der Prominenz zum Auftakt der Bayreuther Festspiele weitgehend ins Wasser fallen ließ. Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger sah Grund zur Freude: "Bayreuth. Der liebe Gott lässt es regnen. Sehr schön", twitterte er. Überhaupt verweist der Freie-Wähler-Chef schon länger immer wieder gern auf Regen und niedrige Temperaturen - auch als Antwort auf Warnungen vor Hitze und Dürre im Zuge des Klimawandels. Umweltminister Thorsten Glauber - Aiwangers Parteifreund - kann dem Klima-"Alarmismus" und der "permanent negativen Berichterstattung" der Medien ebenfalls nichts abgewinnen, wie er kürzlich im Landtag sagte: "Wir brauchen gute Botschaften."

Eine solche positive Botschaft verschickte nun Aiwanger über Twitter: "Was nun? Der im Frühjahr vorausgesagte/vermutete Hitzesommer in Deutschland ist bisher ausgeblieben." In den vergangenen Tagen sei es vermehrt trüb und regnerisch gewesen, "nachts für Juli relativ kühl". Daher gelte es, systematisch an den "Klimaherausforderungen" zu arbeiten - "aber keine Panik verbreiten!" Ein Tweet, der weit über die Grenzen des Freistaats hinaus bei Politikern und Umweltverbänden auf scharfe Kritik stößt. "Unglaublich", schrieb beispielsweise Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). "Ein paar Tage 'trübes Wetter' im Sommer und schon wird der Klimawandel relativiert."

"Jeder Zweifel an der Klimakatastrophe schadet"

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) warf Aiwanger eine "Verachtung der Realität" vor. "Klimawandel? Gibt es nicht, denn in Bayern regnet es, sagt Hubert Aiwanger und meint das ernst." Das sei ein prinzipielles Ausblenden dessen, "was uns an Katastrophen umgibt". Der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz twitterte: "Lieber Hubert Aiwanger: Erderhitzung ist ein GLOBALES Phänomen." Dazu stellte er ein Zitat aus einem Artikel der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung": "Einen extremeren Sommer haben viele Menschen noch nicht erlebt. Hunderte Millionen werden bei Außentemperaturen jenseits der 40 Grad, viele sogar bis zu unmenschlichen 50 Grad gebraten."

Nach Meinung des Grünen-Bundestagsabgeordneten Armin Grau ist jeder Tropfen Regen und jeder Tag ohne extreme Hitze Grund für Dankbarkeit. "Aiwanger könnte seinen bayrischen Blick ein bisschen nach Süden weiten, wo Dutzende schwere Waldbrände wüten." Jeder Zweifel an der Klimakatastrophe schade. Der Grünen-Klimaschutzexperte im Landtag, Martin Stümpfig, verwies auf den Unterschied zwischen Wetter und Klima - und zitierte aus einem Lagebericht des Landesamts für Umwelt vom Juli: "Neben der Trockenheit erlebt Bayern einen zu warmen Sommer. So erreicht die Anzahl der Sommertage (Tageshöchsttemperatur mindestens 25°C) das Doppelte des langjährigen Mittels."

Der Grünen-Ortsverband Essenbach in Niederbayern sieht bei Aiwangers Aussage einen Zusammenhang zum Landtagswahlkampf: "Das tut manchmal weh, wie der Mann um den hinterletzten AfD-Mitläufer buhlt." Der Freie-Wähler-Chef hatte in den vergangenen Monaten mehrfach betont, er wolle die Menschen abholen, wo sie seien - um so die AfD in Bayern kleinzuhalten.

Bund Naturschutz: "Zynisch"

Verärgert zeigte sich auch der Bund Naturschutz in Bayern: Es sei zynisch, mit unserem derzeitigen Wetter gegen die Dramatik der fortschreitenden Klimaerhitzung zu argumentieren. "In anderen Ländern Europas gibt es gerade heftige Waldbrände, extreme Hitze oder Starkregenereignisse." Der Umweltverband empfahl dem Wirtschaftsminister: "Vielleicht noch mal Unterschied Wetter/Klima googeln."

Aiwanger: "Alles andere als ein Hitzesommer"

Aiwanger wies Vorwürfe und Kritik zurück "Es kann mir jeder etwas vorwerfen, interessiert mich aber nicht", betonte er auf auf BR-Anfrage. "Ich sage nur die Dinge, wie sie sind." Über Monate hinweg sei Panik betrieben worden: "Hier ist schon Geschäftemacherei und Schlagzeilenproduktion mit im Spiel: Den Menschen immer den Weltuntergang vor die Haustür zu diskutieren - und wenn er bei der Haustür rausgeht, dann regnet's."

Die Mehrheit der Bürger sehe, dass die für den Sommer vorhergesagte "Hitzekatastrophe" ausgeblieben sei. "Es gab natürlich einige Tage über 30 Grad, es gibt Gebiete, wo wir Trockenschäden haben, aber wir haben eben die letzten Tage gesehen, dass es teilweise deutlich regnet." In Bayreuth bei den Wagner-Festspielen hätten die "Damen gefroren in der Pause", es habe geregnet, heute schneie es im Allgäu. "Also, das ist alles andere als ein Hitzesommer, sondern das ist eher ein kühler Juli-Ausklang."

Von Brunn: Kann "man nur den Kopf schütteln"

Der bayerische SPD-Landeschef Florian von Brunn beklagt, von Aiwanger komme "eigentlich jeden Tag irgendein blöder Spruch, bei dem man nur den Kopf schütteln kann". Er sei es leid, sich damit auseinanderzusetzen, sondern wolle sich lieber um die wirklichen Probleme und Anliegen der Menschen im Freistaat kümmern: "Dazu gehört natürlich die Frage des Klimaschutzes, dazu gehören bezahlbare Wohnungen, dazu gehört vieles andere - aber sicher nicht die Sprüche von Herrn Aiwanger."

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Brände im Mittelmeerraum
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