Im BR24-Exklusivinterview berichtet der Professor Ferenc Krausz, was ihm die Auszeichnung bedeutet.
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Im BR24-Exklusivinterview berichtet der Professor Ferenc Krausz, was ihm die Auszeichnung bedeutet.

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"Völlig überwältigt": Physik-Nobelpreis für Münchner Forscher

Eigentlich wollte er am 3. Oktober nur "einige Laborführungen" am Tag der offenen Tür in Garching bei München machen. Doch ein Anruf aus Schweden kam Ferenc Krausz dazwischen. Sein spezieller Dank ging auch an den Freistaat Bayern.

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"Ich versuche zu realisieren, dass das Realität ist", zeigt sich Ferenc Krausz im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk überwältigt. Für den in Garching bei München arbeitenden, frisch gekürten Nobelpreisträger kam die Auszeichnung völlig überraschend.

Am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching war am 3. Oktober Tag der offenen Tür. Er habe einige Laborführungen gemacht, erzählt Krausz bei der Pressekonferenz im BR24live. In einer Pause zwischen den Präsentationen habe er dann einen Anruf mit unterdrückter Rufnummer bekommen. Normalerweise nehme er solche Anrufe nicht an, da man "mit dubiosen Anliegen konfrontiert werden" könnte. Er habe dann ausnahmsweise trotzdem abgenommen, und es sei schnell klargeworden, "dass ich dieses Mal nicht so schnell auflegen kann".

Krausz: Nehme Auszeichnung mit großer Demut entgegen

Er sei "völlig überwältigt" und nehme die Auszeichnung mit "großer Demut" entgegen. Der Preis gebiete dies, sagte der ungarisch-österreichische Wissenschaftler. Seine Gedanken seien bei all seinen wichtigen Kollegen, mit denen er über all die Jahre seiner Arbeit hinweg Erfolge gefeiert und Misserfolge erlitten habe.

Die größte Faszination bei seiner Arbeit sei es, "etwas Neues zu entdecken, das bisher kein anderer Mensch entdeckt hat". Dies würde alle Misserfolge wieder wettmachen. "Das ist die treibende Kraft", sagte er im BR24live.

Im Video: Interview mit Physik-Nobelpreisträger Ferenc Krausz

Der Nobelpreis für Physik geht dieses Jahr unter anderem an Ferenc Krausz
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Der Nobelpreis für Physik geht dieses Jahr unter anderem an Ferenc Krausz

Nobelpreis für Forschung zu ultraschnellen Bewegungen von Elektronen

Krausz gilt als Begründer der sogenannten Attosekundenphysik, die ultraschnelle Bewegungen von Elektronen in Echtzeit beobachtet und erforscht. Er hat einen Lehrstuhl für Experimentalphysik an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München inne und ist Direktor des in Garching ansässigen Max-Planck-Institut für Quantenoptik.

Einen besonderen Dank sprach er der Max-Planck-Gesellschaft, der LMU und dem Freistaat Bayern aus. Für Forschung, bei der man zu Beginn wenig Beweis habe, dass sie irgendwann zum Erfolg führt, sei es schwierig, Fördergelder zu bekommen. Dies sei ihm in Bayern ermöglicht worden, sagte Krausz. "Es kann einem eigentlich nichts Besseres passieren!"

Blume: "Bayern wird endgültig zum Nobel-Valley"

Gratulationen kamen dann auch sogleich von Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU): "Von Bayern aus strahlt das Licht der Forschung heute besonders hell in die Welt", schrieb er kurz nach Bekanntwerden der Auszeichnung. "Die Erzeugung und Messung von Lichtpulsen von weniger als einer Femtosekunde Dauer ist eine bahnbrechende Entdeckung, die uns unsere Welt bis ins Kleinste noch besser verstehen lässt."

Mit dieser Auszeichnung werde der Forschungsstandort München mit drei Nobelpreisen für Physik in den vergangenen 18 Jahren "endgültig zum Nobel-Valley", so Blume. 2005 hatte bereits Theodor Hänsch den Nobelpreis erhalten, der auch am Max-Planck-Institut für Quantenoptik tätig war. 2020 wurde diese Ehre dem Garchinger Astrophysiker Reinhard Genzel zuteil.

"Das ist ein überragender Erfolg für den Wissenschaftsstandort Bayern", freute sich auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) auf X und gratulierte dem frischgebackenen Nobelpreisträger. Seine Würdigung "ist eine großartige Nachricht und Auszeichnung für unseren Wissenschaftsstandort", erklärte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP). "Wir können dankbar dafür sein, dass Menschen wie er bei uns forschen", schrieb sie im Kurznachrichtendienst X.

Wichtigste Jahre der Forschung in München und Garching

Krausz kam am 17. Mai 1962 in Ungarn zur Welt. Er studierte in Budapest und Wien Elektrotechnik und Physik. 1991 machte er seinen Doktor in Physik in Wien und habilitierte sich gerade mal zwei Jahre später. Sowohl in Elektrotechnik als auch in Physik trägt er den Professorentitel. Die meisten und auch die wichtigsten Jahre seiner Forschertätigkeit verbrachte Krausz in München und im nördlich davon gelegenen Garching.

Krausz ist ein wissenschaftlicher Pionier. Seine Arbeit legte zu Beginn dieses Jahrhunderts die Grundlage für ein neues Feld der Physik: Die Attosekundenphysik. Diese beobachtet und erforscht ultraschnelle Bewegungen von Elektronen.

Attosekundenphysik – "besondere Form der Schnellfotografie"

Dem neu gekürten Nobelpreisträger mit seinem Team gelang es erstmals, einen Attosekunden-Lichtpuls zu erzeugen und zu messen. Eine Attosekunde ist ein Milliardstel einer Milliardstel-Sekunde. Die Forscher entwickelten dafür neue Lasersysteme und Komponenten, mit denen solche Beobachtungen erst möglich wurden. Laienhaft gesagt gehe es um eine "besondere Form der Schnellfotografie", beschreibt Krausz seine Arbeit im BR24live.

Die Forschungsergebnisse bilden heute die Grundlage für neue Felder der Spitzenforschung: Es entstanden neue Arbeitsgebiete wie die hochauflösende Mikroskopie lebender Organismen. Zudem entwickelte der bereits vor dem Nobelpreis mit höchsten wissenschaftlichen Auszeichnungen geehrte Krausz Laser, die bei der Diagnose von Augen- und Krebskrankheiten eingesetzt werden können.

Bis seine Forschung jedoch in der Medizin eingesetzt werden könnte, sei es noch ein weiter Weg, so Krausz. In Kooperation mit der LMU, seinen Worten nach "eine der besten Universitäten Europas", versetze er Blutproben von gesunden Menschen und Krebspatienten in Schwingungen. "Verändert sich die molekulare Zusammensetzung durch eine Krankheit", könne man dies durch die veränderten Schwingungen erkennen. Mit dieser Methode könnten Krankheiten schon früh erkannt werden.

Nobelpreis für Physik auf knapp eine Million Euro dotiert

Krausz erhielt den diesjährigen Nobelpreis für Physik zusammen mit den beiden aus Frankreich stammenden Forschenden Anne L'Huillier und Pierre Agostini. Die 1958 geborene L’Huillier arbeitet an der Universität Lund (Schweden) und der inzwischen emeritierte Agostini, Jahrgang 1941, in den USA an der Ohio State University.

Die Grundlage der Forschung erarbeitete L'Huillier: 1987 sandte sie infrarotes Laserlicht durch ein Edelgas. Dabei entdeckte sie, dass in dem Licht spezielle Wellen entstehen. Denn das Laserlicht interagiert mit den Atomen des Gases und lädt manche Elektronen mit Energie auf, die dann als Licht abstrahlt. Agostini erzeugte 2001 Serien von Lichtblitzen, bei denen jeder Puls etwa 250 Attosekunden dauerte. Krausz isolierte einzelne Lichtpulse mit einer Dauer von etwa 650 Attosekunden.

Der Nobelpreis ist mit elf Millionen Schwedischen Kronen (rund 950.000 Euro) dotiert und gilt international als einer der wichtigsten wissenschaftlichen Auszeichnungen.

Im Video: BR24live zur Pressekonferenz mit Ferenc Krausz

BR24live zur Pressekonferenz mit Ferenc Krausz
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BR24live zur Pressekonferenz mit Ferenc Krausz

Dieser Artikel ist erstmals am 03. Oktober auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

Mit Informationen von dpa, reuters und AFP

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