Markus Söder hebt den Arm. Delegiert auf dem Parteitag der CSU klatschen.
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Markus Söder, CSU-Parteivorsitzender, jubelt nach seiner erneuten Wahl zum Parteivorsitzenden auf dem Parteitag der CSU.

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CSU-Parteitag: Zwischen Beunruhigung und "Mir san mir"-Haltung

Zwei Wochen vor der Landtagswahl nimmt CSU-Chef Markus Söder verstärkt die Freien Wähler um Hubert Aiwanger ins Visier – aus Sorge, Prozente zu verlieren. Söder weist den Partner in die Schranken, scharfe Attacken aber gelten anderen. Eine Analyse.

Über dieses Thema berichtet: BR24live am .

Er sitzt weder in der Halle, noch wird auf dem Podium sein Name genannt – und doch ist Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger präsent auf dem 90. CSU-Parteitag. Zwei Wochen vor der bayerischen Landtagswahl geht bei den Christsozialen eine Sorge um – die Sorge, Prozentpunkte an den Koalitionspartner zu verlieren. Aiwanger war ohnehin nicht immer ein pflegeleichter Mitstreiter, tritt aber noch eine Spur forscher auf, seit die Freien Wähler im BayernTrend kräftig zulegten, während die CSU ein Minus verbuchte.

CSU-Chef Markus Söder gibt sich in seiner eineinhalbstündigen Rede auf dem Münchner Messegelände alle Mühe, gegenzusteuern: Es ist der schwierige Versuch, sich von den Freien Wählern abzugrenzen, ohne sie anzugreifen. Sie in die Schranken zu weisen, ohne das angespannte Verhältnis weiter zu belasten.

Söder weist Aiwanger in die Schranken

Die deutlichsten Worte an die Adresse des Koalitionspartners findet Söder, als er auf dessen Träume von mehr Ministerposten zu sprechen kommt. "Ich bin mir nicht ganz sicher, ob dem einen oder anderen die Umfragen zu sehr zu Kopf gestiegen sind", stichelt der Ministerpräsident. "Unser Koalitionspartner fordert mehr Macht." Vor allem zum Landwirtschaftsministerium, das Aiwanger nach der Landtagswahl gern für seine Freien Wähler hätte, hat Söder eine klare Botschaft. "An die Freien Wähler, bei allem Respekt: keine Hoffnung!", ruft er. Die CSU werde das Landwirtschaftsministerium behalten.

Im BR24live-Interview legt Söder anschließend nach: "Nach den jüngsten Umfragen ist der Eindruck entstanden, dass man ein bisschen abgehoben ist, dass man ein bisschen nur noch an sich denkt, an die eigenen Karrieren." Doch nach wie vor seien die "Größenordnungen doch ziemlich wuchtig unterschiedlich", sagt der CSU-Chef. Schließlich war auch im BayernTrend die CSU bei der Sonntagsfrage mehr als doppelt so stark wie die Freien Wähler.

"Keine Sicherheitsstimme" für die Freien Wähler

Eine klare inhaltliche Abgrenzung vom Koalitionspartner dagegen ist nicht zu hören, vielmehr argumentiert Söder strategisch. "Man solle sich nicht verrechnen oder falsche Ideen haben", mahnt der CSU-Chef. Indirekt warnt er davor, nach dem Wirbel um die Antisemitismus-Vorwürfe gegen Aiwanger aus Solidarität ein Kreuz bei den Freien Wähler zu machen: Es gehe am 8. Oktober nicht um ein Flugblatt von vor dreieinhalb Jahrzehnten, sondern um die Zukunft des Freistaats.

Allen Wählern, die noch schwanken, ruft Söder zu, dass es ganz sicher keine schwarz-grüne Koalition in Bayern geben werden. Daher brauche es auch keine "Sicherheitsstimme" für die Freien Wähler, um eine Regierungsbeteiligung der Grünen zu verhindern. Vielmehr gelte es, die CSU zu stärken – und damit auch den Einfluss Bayerns im Bund. "Die Freien Wähler, sie träumen von Berlin, sie haben aber null Einfluss auf die deutsche Politik." Daher sollten bei der Landtagswahl beide Stimme an die CSU gehen. Auf ihrem Parteitag suchen die Christsozialen nach einer Balance zwischen Beunruhigung und selbstbewusstem "Mir san mir"-Gebaren.

"Genau der richtige Zeitpunkt"

Der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter findet, Söder habe die Freien Wähler bei der inhaltlichen Positionierung geschont. Der CSU-Chef selbst reagiert im BR24-Interview genervt auf Nachfragen dazu. "Wir haben fünf Jahre miteinander gut regiert und wollen diese Arbeit auch fortsetzen", sagt Söder. Überhaupt seien die Medien gerade "sehr fixiert" auf Hubert Aiwanger. Koalitionspartner seien wichtig, die Richtung aber bestimme die CSU.

Bei vielen Delegierten im Saal kommen Söders Ansagen an die Freien Wähler gut an – wenn auch der eine oder andere hinter vorgehaltener Hand zu erkennen gibt, dass er sich das schon früher gewünscht hätte. Nach Meinung der Politologin Jasmin Riedl aber kommt dies nicht zu spät: Söder sei gut darin, Stimmungen aufzugreifen. Und nach der Flugblatt-Affäre sei nun genau der richtige Zeitpunkt, sich einerseits zur Koalition mit den Freien Wählern zu bekennen, andererseits auch "die Schranken jetzt klarzumachen".

Schlechteste Bundesregierung, "die Deutschland je hatte"

Landespolitisch konzentriert sich Söder darauf, Bayerns Erfolgsbilanz auf vielen Politikfeldern zu betonen – und die Gefahr, die für diese Errungenschaften durch die Ampel drohen. Mit der SPD, Grünen und FDP in Berlin geht der CSU-Chef weit weniger zimperlich um als mit den Freien Wählern. Er nimmt sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sowie eine Reihe Bundesminister vor und erklärt die ganze Regierung zur schlechtesten, "die Deutschland je hatte".

Fast alles, was Söder in den eineinhalb Stunden sagt, hat man in den vergangenen Tagen und Wochen schon von ihm gehört. Die Erwartung vieler Beobachter, er würde beim Thema Migration noch einen neuen Akzent setzen, erfüllt er nicht. Söder argumentiert sogar etwas zurückhaltender als bei manch einer Wortmeldung der vergangenen Tage. "Er hat das Migrationsthema relativ gut verpackt", sagt Riedl dazu. Er habe deutlich gemacht, dass es angepackt werden müsse, um nicht Wählerinnen und Wähler an antidemokratische Kräfte zu verlieren", erläutert die Politologin. "Also schon ein anderer Ton als 2018." Vor fünf Jahren war Söder vorgeworfen worden, mit der Verwendung von Begriffen wie "Asyltourismus" am rechten Rand zu fischen. Der Ministerpräsident bezeichnete dies später selbst als Fehler.

Rückenwind für den Wahlkampfendspurt

Dass Söder bei seiner Wiederwahl als Parteichef besser abschneiden würde als vor zwei Jahren, war erwartet worden. Schließlich dürften selbst Söder-Skeptiker in der Partei kein Interesse daran haben, zwei Wochen vor einer Landtagswahl den eigenen Spitzenkandidaten zu beschädigen.

96,5 sind trotzdem ein Ausrufezeichen. Was sie tatsächlich wert sind, dürfte sich aber erst zeigen, falls das CSU-Ergebnis am 8. Oktober deutlich schlechter ausfallen sollte als die vergleichsweise schwachen 37,2 Prozent von 2018. Würde die Partei auch dann noch geschlossen hinter Söder stehen? Den gewünschten Rückenwind hat Söder bekommen – auch für eine stärkere Auseinandersetzung mit den Freien Wählern im Wahlkampfendspurt.

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