Hubert Aiwanger
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Aiwanger hat Söders Fragen beantwortet

In der Affäre um ein altes antisemitisches Flugblatt hat Bayerns Vize-Regierungschef Aiwanger nun die Fragen von Ministerpräsident Söder schriftlich beantwortet. Die Staatskanzlei hat BR24 die Übermittlung bestätigt.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Die Aufarbeitung der Affäre um Bayerns Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger und ein antisemitisches Flugblatt aus Schulzeiten steuert auf den entscheidenden Höhepunkt zu: Der Freie-Wähler-Chef hat Fragen von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zu den im Raum stehenden Vorwürfen nun schriftlich beantwortet. Aiwangers Antworten wurden übermittelt, wie die Staatskanzlei BR24 bestätigte. Zum Inhalt der Antworten war zunächst noch nichts bekannt. Auch die Fragen, die die Staatskanzlei an Aiwanger geschickt hatte, waren nicht veröffentlicht worden.

Nun ist Söder am Zug, er muss abschließend entscheiden, wie es weitergeht: Ob er Aiwanger gut einen Monat vor der Landtagswahl am 8. Oktober entlässt oder nicht.

Söder machte Druck

Unklar blieb, wann der Ministerpräsident seine Entscheidung öffentlich bekanntgeben würde – ob am Wochenende oder erst später. Söder hatte am Freitagmorgen den zeitlichen Druck auf Aiwanger erhöht, den Fragenkatalog vom Dienstag rasch zu beantworten: "Für mich ist wichtig, dass die 25 Fragen jetzt umfassend und glaubwürdig beantwortet werden, und zwar zeitnah. Und zeitnah heißt am besten noch heute, im Laufe des Tages", sagte der Ministerpräsident am Rande eines Termins im mittelfränkischen Bechhofen. Eine förmliche Frist setzte er seinem Stellvertreter damit aber weiterhin nicht. Dessen öffentliche Entschuldigung vom Vortag nannte Söder "überfällig".

Aiwanger spricht von Schmutzkampagne

Aiwanger sagte anschließend der Deutschen Presse-Agentur in München: "Wenn die Forderung lautet, bis heute Abend, dann werden wir versuchen, bis heute Abend zu liefern." Er fügte hinzu: "Ich will mir hier keinen Vorwurf machen lassen." Vor einem Volksfest-Auftritt in Niederbayern hatte er kurz zuvor vor Journalisten gesagt, eigentlich sei die Beantwortung erst für kommende Woche geplant gewesen.

In seiner Rede dort verteidigte er sich: "Jawohl, auch ich habe in meiner Jugend Scheiß gemacht. Jawohl, ich habe auch Mist gemacht." Er finde es aber nicht in Ordnung, jemanden später in seinem Leben mit Dingen zu konfrontieren, die 35 bis 40 Jahre zurückliegen, "bis zu seiner beruflichen Existenzvernichtung". Es gebe viele Dinge, die man im Nachhinein nicht mehr machen würde. Aber man müsse einem Menschen auch zubilligen, im Leben gescheiter zu werden. Er sprach erneut von einer von langer Hand geplanten Schmutzkampagne gegen ihn, "vielleicht, um die Grünen in die Landesregierung zu bringen"

Zuletzt immer neue Vorwürfe gegen Aiwanger

Gegen Aiwanger waren zuletzt immer neue Vorwürfe laut geworden. "Weitere Vorwürfe wie menschenfeindliche Witze kann ich aus meiner Erinnerung weder vollständig dementieren noch bestätigen", sagte Aiwanger dazu am Donnerstag. Auf einen zuvor vom "Spiegel" erhobenen Vorwurf ging er nicht ein. Demnach soll eine frühere Mitschülerin eidesstattlich versichert haben, dass Aiwanger einmal einen Schulordner mit in den Unterricht gebracht habe, auf dessen Innenseite eine rassistische Beschimpfung gestanden habe. Auf Anfragen der Deutschen Presse-Agentur dazu reagierte Aiwanger nicht.

"Ich bereue zutiefst, wenn ich durch mein Verhalten in Bezug auf das in Rede stehende Pamphlet oder weitere Vorwürfe gegen mich aus der Jugendzeit Gefühle verletzt habe", hatte Aiwanger am Donnerstag gesagt. "Meine aufrichtige Entschuldigung gilt zuvorderst allen Opfern des NS-Regimes, deren Hinterbliebenen und allen Beteiligten und der wertvollen Erinnerungsarbeit." Ein Rücktritt war kein Thema.

Spaenle kritisiert Aiwangers bisheriges Verhalten

Die Kritik an Aiwanger riss auch nach dessen Entschuldigung bislang nicht ab. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sagte der "Bild": "Die Entschuldigung von Hubert Aiwanger bei den Opfern und Hinterbliebenen der Schoah war ein guter, wenn auch längst überfälliger Schritt." Aber: "Bedauerlicherweise verbindet er dies mit einer Klage über eine politische Motivation der Vorwürfe und lässt weiterhin den Willen zu offener Aufklärung vermissen."

Bayerns Antisemitismusbeauftragter Ludwig Spaenle (CSU) kritisierte, Aiwangers bisheriges Verhalten "entspricht nicht der besonderen Verantwortung und Vorbildfunktion, die ihm als Träger eines hohen Staatsamtes zukommen". "Eigenartig ist die von Herrn Aiwanger wiederholt vorgetragene Umkehrung von Ursache und Wirkung. Ursache und Anlass für die gesamte Debatte sind das unerträgliche Flugblatt und weitere Vorhalte, nicht die Fragen nach deren Aufklärung."

SPD fordert Entlassung Aiwangers

Bayerns SPD-Chef Florian von Brunn jedenfalls bietet zeitgleich Ministerpräsident Markus Söder (CSU) an, eine Minderheitsregierung ohne die Freien Wähler zu stützen: "Wir würden aus Verantwortung für unseren Freistaat lieber bis zum 8. Oktober eine Minderheits-Regierung der CSU tolerieren, als unsere Bayerische Demokratie den Rechtspopulisten auszuliefern", sagte von Brunn. Söder "muss Aiwanger entlassen". Die Flugblatt-Affäre sei "eine schwere Hypothek für Bayern und damit für die Regierung Söder".

Entlassen könnte Söder seinen Stellvertreter Aiwanger nur mit Zustimmung des Landtags. Da die Freien Wähler zu Aiwanger stehen, dürften sie ihre Zustimmung verweigern. Deshalb wäre Söder zu Aiwangers Entlassung auf die Stimmen der Opposition angewiesen. Entließe die CSU-Fraktion Aiwanger tatsächlich gemeinsam mit der Opposition, würde vermutlich die Koalition platzen.

Gegebenenfalls Minderheitsregierung der CSU

Anschließend müsste Söder gegebenenfalls mit einer reinen CSU-Minderheitsregierung arbeiten. Vor diesem Hintergrund bietet von Brunn deren Tolerierung an. Am 8. Oktober ist Landtagswahl.

Die bayerische SPD-Fraktion hat zusammen mit Grünen und FDP für kommenden Donnerstag eine Sondersitzung des Landtags beantragt. Sie wird in Form des Zwischenausschusses stattfinden, der aus 51 Mitgliedern besteht und das Plenum derzeit vertritt.

Mit Informationen von dpa

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