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Brüssel in Coburg Wie die Bayern zur EU stehen

Wie kommen die Gesetze, die im fernen Brüssel gemacht werden, in Coburg oder im Landkreis Rosenheim an? Toppt die Freude über das Reisen ohne Grenzen den Ärger über die EU-Bürokratie? Um Antworten zu bekommen, ist Regina Kirschner quer durch Bayern getourt.

Von: Regina Kirschner

Stand: 08.05.2019

Hubertus Prinz von Sachsen-Coburg und Gotha, steht im ersten Stock seines Familienschlosses. Hier wird er interviewt von den BR Reporterinnen Alexandra Rinschler (links mit Mikro) und Regina Kirschner. | Bild: BR

In Coburg hat Reporterin Regina Kirschner mit normalen Bürgerinnen und Bürgern, Polizisten, Unternehmern, Bauern und einem Prinzen gesprochen. Fazit: Bayerns Herz schlägt - auch - europäisch.

Ortstermin im Schloss - Treffen mit dem Prinzen

"Herzlich willkommen auf Schloss Callenberg." Hubertus Prinz von Sachsen-Coburg und Gotha, steht im ersten Stock seines Familienschlosses. Über ihm ein prachtvoller Kristall-Leuchter. Rundherum an den Wänden: historische Porträts seiner Vorfahren. Warum wir gerade mit ihm über Europa sprechen wollen, liegt an seiner Familiengeschichte - Prinz Hubertus ist mit vielen europäischen Königshäusern verwandt: "Mein direkter Vorfahre kam aus England. Das Haus Belgien kommt auch aus Coburg. Und Bulgarien. Um nur ein paar Beispiele zu nennen." Die Coburger Adelslinie gilt als eine Wiege der europäischen Monarchien. Deswegen nennt sich Coburg auch Europastadt. Aktuell ist im Schloss die Ausstellung "200 Jahre Queen Victoria & Prinz Albert" zu sehen. Prinz Hubertus zeigt auf Bilder an der Wand: "Wir haben hier drüben das erste royale Couple der Neuzeit: Victoria und Albert, die die heutige britische Monarchie begründet haben. Beide standen für eine Einigung Europas."

Prinz Hubertus: Überzeugter Europäer

Als Vorbild sieht Prinz Hubertus seinen Ur-Ur-Ur-Großvater Albert. Sich selbst nennt er einen überzeugten Europäer: "Wir leben in Friedenszeiten, und wirtschaftlich hat sich viel getan." Wenn man sich anschaue, was zum Beispiel in den USA und in China passiere, werde deutlich, dass nur ein geeintes Europa überstehen könne. Keineswegs sollte man in einzelstaatliches Denken zurückfallen, sagt der Prinz und schaut aus einem großen Fenster in den Schlossgarten, wo das Damwild in der Morgensonne grast. Was er denkt, wenn er hier herausschaut? Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten: "Wie schön der Thüringer Wald ist. Und wie gut es ist, dass wir zusammengewachsen sind." Das wünscht er sich auch für Europa. Ein Zusammenwachsen – ohne dabei die nationalen Identitäten zu verlieren. Den Brexit nennt Prinz Hubertus eine "furchtbare Entwicklung".

"Der richtige Weg"

Wir fahren weiter nach Coburg hinein. Auf dem historischen Marktplatz sind Stände aufgebaut: mit Socken, Gürtel, Blumen und natürlich den typischen Coburger Bratwürsten. In der Mitte steht die Statue von Prinz Albert, dem Gemahl der britischen Königin Victoria. Direkt daneben verkauft Bernd Fraas Schuhe. Europa sei ihm wichtig, sagt er: "Weil es vom System her der richtige Weg ist. Er ist zwar holprig, aber es sollte der richtige Weg sein." Und er fügt hinzu: "Wir haben ja den Krieg mitgekriegt, was da abgelaufen ist, da finde ich es schon wichtig zusammenzuhalten."

Kampf gegen die Altersarmut

Ein paar Meter weiter verkauft ein Mann Crêpes. Seinen Namen will er nicht nennen. Was er von Europa hält, sagt er aber deutlich: "Soll man noch wählen gehen? Wie die unsere Gelder dort verschleudern in Brüssel. Das ärgert mich." Der Mann kommt aus Thüringen. Seine geringe Rente bessert sich der 68-Jährige mit dem Crêpe-Stand auf. Er wurstelt sich durch, wie er sagt. Aber dass die Altersarmut insgesamt zunehme, sei ja bekannt. Und die Politik mache nichts dagegen, ärgert er sich und hofft, dass die Politiker "mal aufs Volk zugehen". Sie klammerten sich aber an ihre Posten - "und wissen nicht, wie es hier unten aussieht", beklagt der Mann. "Die haben eine ganz andere Rente als ich."

Europawahl: "Gelebte Demokratie"

Nicht weit vom Marktplatz, im Coburger Landestheater, probt Sascha Mai für sein Europa-Programm. Der Tenor singt Lieder europäischer Komponisten in sieben verschiedenen Sprachen. Ein stolzer Europäer sei er, sagt der Künstler über sich selbst. Seine Vision für Europa? Was hier im Theater funktioniere, das Miteinander von Menschen aus verschiedenen Ländern und Kulturen, wünsche er sich auch für die Politik. Den Zuschauern im Coburger Landestheater will Sascha Mai mit seinem Europa-Programm vor allem einen schönen Abend bereiten. Er hofft aber auch, dass er die Leute damit zum Nachdenken über Europa anregt. Die Europawahl ist für den Künstler ein Stück gelebte Demokratie. Er selbst engagiert sich am 26. Mai sogar als Wahlhelfer.

Redaktion: Susanne Betz


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