Stalin reloaded Der Diktator hat Konjunktur
Stalin hat Konjunktur in Russland. Die Souvenirshops verkaufen seine Büste, am Roten Platz kann man sich mit einem Stalin-Double fotografieren lassen, am Grab des Diktators liegen immer rote Nelken, und im öffentlichen Diskurs ist der totalitäre Herrscher längst wieder salonfähig. In einer Umfrage des unabhängigen Meinungsforschungsinstituts "Lewada" gab knapp die Hälfte der befragten Russen an, Stalin sei eine "positive historische Figur". 2012 waren es nur 28 Prozent.
Stalin gilt als großer Führer, der der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg zum Sieg verholfen hat sowie als Modernisierer und effektiv durchgreifender Staatslenker. Im Zentrum des Volksstalinismus gibt es aber vor allem eine mythische Gerechtigkeitskonzeption: Der Herrscher straft diejenigen, die es verdient haben. Eine Hoffnung, hinter der sich Passivität, Ohnmacht und die Überzeugung von der Sinnlosigkeit des eigenen Handelns verbergen. Für die Machthabenden ist das eine bequeme Haltung. Aber nicht alle lassen sich auf den neuen Stalinkult ein.
Der Philosoph Denis Karagodin aus Tomsk hat fünf Jahre nach den Mördern seines Urgroßvaters gesucht und sie in den Archiven des Geheimdienstes gefunden. Seine vielbeachtete Suche und sein Versuch, strafrechtlich gegen Stalin vorzugehen, haben eine Diskussion ausgelöst über Schuld und Sühne. Christine Hamel hat mit Denis Karagodin gesprochen und sich in Russland ein Bild über den Volksstalinismus gemacht.