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Oman nach Qaboos Das schwierige Erbe des Sultans

Fast 50 Jahre lang stand Sultan Qaboos Ben Said Al-Said an der Spitze des Oman. Es gelang ihm in dieser Zeit, das Sultanat zu modernisieren und so zu einem der fortschrittlichsten Staaten am Golf zu machen. Im Januar 2020 starb Qaboos. Seinem Nachfolger hinterließ er ein schwieriges Erbe. Denn die Einnahmen aus der Erdölförderung reichen längst nicht mehr aus, um die üppigen Staatsausgaben weiterhin zu finanzieren. Und auch die Covid19 Pandemie macht dem Sultanat schwer zu schaffen.

Von: Anne Allmeling und Hilde Stadler

Stand: 21.11.2020

Gefertigt in Bayern: Der prunkvolle Kronleuchter in der Sultan Qabus Moschee in Muscat | Bild: Hilde Stadler / BR

Harith Al-Shabibi hat auf dem Sofa Platz genommen, in einem klimatisierten Raum der Deutschen Universität in Maskat. Ein modernes Gebäude am Rande der omanischen Hauptstadt, vom Zentrum eine knappe Stunde entfernt - mit dem Auto auf dem Highway. Vor 50 Jahren, erzählt Al-Shabibi, sei eine so schnelle Verbindung unvorstellbar gewesen: "Es gab keine Straßen, auch keine Autos - wir sind auf Eseln geritten."

Al-Shabibi war fast 20 Jahre alt, als er Ende der sechziger Jahre zum ersten Mal nach Oman kam. Bis dahin hatte die Familie - wie viele Omaner - in Ostafrika gelebt, denn im Heimatland gab es keine Arbeit, keine Wasserversorgung, keine Entwicklung - bis Qabus bin Said Al-Said die Macht übernahm.

Unterstützt von den Briten, stürzte er 1970 seinen Vater vom Thron und begann mit Hilfe der Einnahmen aus der Erdölförderung einen modernen Staat aufzubauen. Heute hat das östlichste Land der arabischen Halbinsel ein Straßennetz, das bis in den letzten Winkel reicht, außerdem gibt es Schulen, Krankenhäuser und ein Opernhaus.

Sultan Qabus – der Vater des modernen Oman

All das entstand unter Sultan Qabus, erklärt Jürgen Werner, ehemaliger Prorektor der deutschen Universität in Maskat. "Der Sultan hat das Land aus einem schrecklichen mittelalterlichen Lähmungszustand in die Moderne geführt, und zwar radikal, wahnsinnig schnell und vor allem: ziemlich gerecht", sagt Werner.

Die Kunst dabei sei gewesen, die 300 verschiedenen Stämme so zu behandeln, dass sich niemand benachteiligt fühlt. "Alle haben etwas bekommen von dem wahnsinnigen Ölreichtum. Es gibt keine Orte mehr ohne Wasser, ohne Strom - damit gewinnt man ein Volk", erklärt Werner.

Der Herrscher und sein Faible für Bayern

Ein besonderes Faible hatte Sultan Qabus für Bayern. Er besaß ein Anwesen bei Garmisch-Partenkirchen, das ab dem Sommer 2014 zeitweise sogar zum Regierungssitz des Sultans wurde, als er sich wegen einer schweren Erkrankung wiederholt im LMU-Klinikum Großhadern medizinisch behandeln ließ.

Im November 2014 spendete Sultan Qabus 17 Millionen Euro für den Bau der neuen Kinderklinik in Großhadern. Wie verbunden der Herrscher seiner zeitweiligen Wahlheimat war, wurde auch sichtbar und hörbar, als seine "Royal Guard of Oman" 2008 durch die Garmischer Fußgängerzone marschierte und im Kurpark ein Konzert gab.

Religiöse Toleranz als Staatsraison

Der Islam ist Staatsreligion im Oman. Etwa 75 Prozent der Muslime sind Ibaditen, eine Sondergemeinschaft des Islams, die von Toleranz und Friedfertigkeit geprägt ist. Sultan Qabus erhob religiöse Toleranz zur Staatsraison. In der großen Moschee von Omans Hauptstadt Maskat, benannt nach ihrem Erbauer Sultan Qabus, beten Ibaditen, Sunniten und Schiiten einträchtig nebeneinander, was es in dieser Form nur im Oman gibt. Über ihnen ein prunkvoller Kronleuchter, der zu den größten der Welt zählt und von einem Familienbetrieb in Bayern angefertigt wurde.

Der Duft des berühmten omanischen Weihrauchs erfüllt nicht nur Moscheen, sondern auch Garmischer Kirchen, wo man sich seit Jahren über großzügige Weihrauchspenden aus dem Oman freut.

Das schwierige Erbe von Sultan Qabus

Als Sultan Qabus im Januar starb, trauerten viele Omaner um ihn wie um einen Vater. Doch seinem Cousin und Nachfolger, Sultan Haitham, hat Qabus ein schwieriges Erbe hinterlassen: Denn die Einnahmen aus der Erdölförderung reichten längst nicht mehr aus, um die üppigen Staatsausgaben zu finanzieren, sagt der Wirtschaftsexperte Murtadha Hassan Ali: "Unser Verwaltungsapparat ist sehr groß - das ist eins der größten Probleme. Zwischen 70 bis 75 Prozent der gesamten Öleinnahmen, unserer größten Einnahmequelle, gehen in die Gehälter für die Beamten. "Was übrig bleibt, ist sehr wenig. Deshalb haben wir ein riesiges Defizit in unserem Staatshaushalt - und das wächst."

Oman braucht Reformen

Um möglichst viele Omaner mit Stellen zu versorgen, war die öffentliche Verwaltung unter Qabus immer weiter ausgebaut worden. Dagegen ist die Privatwirtschaft bis heute kaum entwickelt; viele Menschen sind arbeitslos. In den Branchen, die den Omanern wenig attraktiv erscheinen, arbeiten vor allem Menschen aus Indien, Pakistan und Bangladesch. Sie verdienen mehr als in ihren Heimatländern, aber viel weniger als die Omaner.

Der neue Sultan muss nun sein Volk für schmerzhafte Reformen gewinnen, die Wirtschaft umgestalten und Arbeitsplätze schaffen. 50 Jahre nach dem Sprung des Landes in die Moderne seien die goldenen Jahre vorbei, sagt Werner: "Qabus hat bei Null angefangen und dementsprechend stark ist dieses Entwicklungsmoment."

Haitham fange dagegen in einer Zeit an, in es dem Land nicht besonders gut gehe und der Ölpreis am Boden sei. "Qabus hat das Land aus dem Mittelalter geführt, und Haitham muss sich mit ganz normalen Problemen rumschlagen", sagt Werner.


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