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Warum gerade Dortmund? Neonazis halten die Stadt in Atem

Jede Woche demonstrieren einige Dutzend Neonazis gegen die vermeintliche Überfremdung durch Asylbewerber. Die Rechtextremisten wollen provozieren, einschüchtern und Angst verbreiten. Flüchtlinge, Lokalpolitiker oder Journalisten dienen ihnen als Zielscheibe. Dabei bewegen sich die Neonazis immer knapp am Rande der Strafbarkeit. Wolfram Goetz zeigt in seiner B5-Reportage, wie eine relativ kleine Gruppe Rechtsradikaler die Stadt Dortmund durch gezielte Provokationen in Atem hält.“

Von: Wolfram Goetz

Stand: 19.07.2015 | Archiv

Neonazis in Dortmund | Bild: Wolfram Goetz

Flüchtlingscamp in Dortmund

Seit einem halben Jahr geht das schon so. Mindestens einmal in der Woche, irgendwo in der Stadt demonstrieren Dortmunder Neonazis gegen geplante Flüchtlingsheime. So wie an einem Donnerstagabend im Mai in Dortmund-Mengede. Wie so oft sind auch diesmal Gegendemonstranten zur Stelle, der SPD-Landtagsabgeordnete Armin Jahl hat sie angemeldet. Ihn stört dass die Neonazis so tun, als würden sie für die Mengeder Bürger sprechen.

Gegendemo mit dem SPD-Landtagsabgeordneten Armin Jahl

"Wir lassen das natürlich nicht so stehen und mobilisieren dann und machen auch deutlich, dass Mengeder es nicht so sehen wie die Leute aus der rechten Partei, die ja teilweise nicht aus Mengede zu kommen, sondern zum großen Teil aus der Umgebung."

Armin Jahl, SPD-Landtagsabgeordneter

WDR-Stadtgespräch in Dortmund hier sind die Aktivitäten der Neonazis Thema.

Die Dortmunder Neonazis treten mittlerweile als Partei auf, nennen sich „Die Rechte“. Michael Brück, der bei der Kundgebung in Dortmund-Mengede auch als Redner auftrat und gegen Asylbewerber hetzte (Zitat: „Abschieben, abschieben, abschieben!) , sitzt für die Partei im Dortmunder Stadtrat. Er ist 25, studiert Rechtswissenschaften und gehört zu einer neuen Generation Neonazis, den sogenannten „Autonomen Nationalisten“. Auftreten und Arbeitsweise haben sie von der linksautonomen Antifa kopiert. Diese Neonazis agitieren politisch, und sind keine Dummköpfe, wie ihnen auch SPD-Mann Armin Jahl zugesteht.

"Das Problem ist nur, ich sage immer, Intelligenz und Charakter sind manchmal leider zwei verschiedene Dinge. Und die lügen einem frech ins Gesicht und sagen: Wir machen Propaganda."

Armin Jahl, SPD-Landtagsabgeordneter

Diese Strategie vertritt Michael Brück ganz offen, so sagt er bei einer Ratssitzung im Juni, bei der es um das Thema Flüchtlinge geht und bei der er syrischen Flüchtlingen abspricht, Opfer politischer Verfolgung zu sein:

Die erste Ratssitzung mit Brück, der böse zu den Journalisten schaut. (ganz rechts hinten)

"Wir werden so lange provozieren, die Themen ansprechen, die angesprochen werden müssen, bis Sie wieder reagieren. Weil Sie sich so auf uns eingeschossen haben, Sie können uns gar nicht mehr komplett ignorieren. Sie werden über uns berichten, Sie werden zwangsläufig über uns reden müssen, und geben uns damit die Öffentlichkeit, die wir wollen."

Michael Brück, Ratsvertreter „DIE RECHTE“

Wahlplakat der NPD

Besonders viele Neonazis gibt es in Dortmund nicht: Nur 20 bis 30 machen den harten Kern aus, knapp 100 gehören zum Umfeld. Aber sie sind besonders aktiv und gut vernetzt. Bundesvorsitzender der Neonazi-Partei „DIE RECHTE“ ist ein altbekannter Rechtsextremist aus Norddeutschland. Christian Worch hat schon lange enge Kontakte zu den Dortmunder Neonazis. Und er organisiert hier schon seit 15 Jahren Demonstrationen mit Teilnehmern aus ganz Deutschland. „Die Rechte“ sollte ursprünglich als Auffangbecken im Fall eines NPD-Verbotes dienen und Mitglieder aus der ehemaligen DVU gewinnen.

Seit Pfingsten gibt es auch in Bayern einen Landesverband der Partei, geführt von altbekannten Neonazi-Kadern. Der Schwerpunkt der „Rechten“ liegt aber in Dortmund, personell und organisatorisch. Denn hier hatte der nordrhein-westfälische Innenminister vor drei Jahren die Gruppierung „Nationaler Widerstand Dortmund“ verboten, nach dem Vereinsrecht. Doch schon kurz danach organisierten sich die Dortmunder Neonazis neu, als Landes- und Kreisverband der Partei „DIE RECHTE“. Seitdem beobachtet auch der Dortmunder Polizeipräsident Gregor Lange verstärkt die Strategie „Provokation“:

Gregor Lange

"Man tariert tatsächlich aus, die Provokation so weit zu steigern, dass man so gerade noch unterhalb der Strafbarkeit liegt, um polizeilich keine Angriffsflächen zu bieten. Wir stellen uns allerdings so auf, dass wir sagen, wir achten sehr genau darauf, dass genau dieses Grenzen auch eingehalten werden. Und sobald eine Überschreitung erfolgt, wollen wir da auf dem Plan sein. Diesen Auftrag hat explizit die Soko Rechts, die ich erst vor Kurzem eingerichtet habe."

Polizeipräsident Gregor Lange

NRW-Innenminister Ralf Jäger

Die Neonazis stehen also unter ständiger Beobachtung. Das war nicht immer so. Vor einigen Jahren war eine Familie aus Dortmund-Dorstfeld weggezogen, aus Angst vor den Neonazis. Es gab Drohungen, Nazi-Aufkleber, eingeworfene Scheiben an Haus und Auto. Die Stadt hatte zu lange weggeschaut, militante Neonazis hatten sich in dem Stadtteil Dorstfeld den öffentlichen Raum erobert. So schaffte es ein relativ kleiner Kern von militanten Neonazis, bundesweit Aufmerksamkeit zu erregen. Vor kurzem berichteten Journalisten, die in der rechten Szene recherchieren von Drohungen und Angriffen. Es gab fingierte Todesanzeigen mit den Namen kritischer Journalisten im Netz. Auch damit schafften es die Neonazis bundesweit in die Nachrichten.  Eine Strategie, die die Dortmunder Neonazis gezielt verfolgen.


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