Duisburg, Ruhrgebiet, Nordrhein-Westfalen, Deutschland - ThyssenKrupp Steel, ein Stahlarbeiter im Schutzanzug entnimmt eine 1.500 Grad heiße Roheisenprobe beim Abstich am Hochofen.
Bildrechte: picture alliance / Rupert Oberhäuser | Rupert Oberhäuser

Ein Stahlarbeiter am Hochofen (Symbolbild)

Per Mail sharen
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Wirtschaft im Wahlprogramm: Was die Parteien planen

Die einen wollen die Kräfte der Wirtschaft entfesseln. Andere wünschen sich einen Pakt mit Deutschlands Unternehmen. Der Ideen-Wettstreit zwischen den Parteien und ihren Wahlprogrammen tobt – denn es geht ums Prinzip: Mehr Markt oder mehr Staat?

Wenn es um das Thema Wirtschaft geht, sind die Unterschiede in den Wahlprogrammen der Parteien zur Bundestagswahl groß. Denn ob nun der Markt regeln oder eher der Staat lenken soll: Es handelt sich um Richtungsentscheidungen wirtschaftspolitischer Lager.

CDU/CSU: Das Entfesselungspaket

Die Konservativen setzen auf eine rasche Erholung der Wirtschaft nach dem Pandemie-Einbruch. Beschleunigen wollen sie die Erholung, indem sie die Wirtschaft entlasten. Der Solidaritätszuschlag etwa soll für alle abgeschafft werden, eine Unternehmenssteuerreform ist geplant.

Trotz gebeutelter Haushaltskassen planen CDU und CSU keine Steuererhöhung. Das Kalkül: Je schlagkräftiger die Wirtschaft aus der Krise kommt, desto besser fallen die Unternehmensbilanzen aus, sodass dann wiederum mehr Steuern an den Fiskus fließen. Klingt nach einer Wette, aber mit dieser Strategie manövrierte die damalige Regierung Deutschland durch die Finanzmarktkrise 2008/2009.

CDU und CSU wollen die Klimaziele und die Schuldenbremse einhalten. Außerdem planen die Unionsparteien, Bürokratie-Auswüchse zusammenzustutzen. Von einem "Entfesselungspaket" ist da die Rede. Hintergrund ist, dass viele Modernisierungen nicht am Geld, sondern an komplizierten Planungsstrukturen scheitern – vor allem bei Infrastrukturprojekten.

SPD: Die Gerechtigkeitsfrage

Eines der Kernthemen der Sozialdemokraten ist die Wiedereinführung der Vermögensteuer. Die Botschaft ist eindeutig: Die Lasten der Corona-Pandemie sollen diejenigen schultern, die viel haben. Das würde auch die Wirtschaft treffen. Insgesamt setzt die SPD in der Wirtschaftspolitik auf eine Mischung aus Klimaschutz und Digitalisierung. Die deutsche Industrie soll "auf den Weltmärkten weiterhin führend" bleiben, indem sie klimafreundliche Technologie wie Wasserstoffmotoren oder CO2-arme Lastwagen exportiert, steht im Programm.

Den digitalen Fortschritt verstehen die Sozialdemokraten als wirtschaftliche Chance, die jedoch wertebasiert ausgestaltet werden müsse. "Bei der Digitalisierung der Unternehmen müssen die Belegschaften auf Augenhöhe beteiligt werden", steht im Programm. Insgesamt will die SPD die digitale Infrastruktur vom Schienenverkehr bis zur Gesundheitsversorgung ausbauen. Jährlich seien dafür 50 Milliarden Euro an staatlichen Investitionen nötig. In die Wirtschaftspolitik soll sich der Staat noch stärker einmischen als bisher. Deshalb soll sich der Staat notfalls auch mit Unternehmensbeteiligungen etwa für Klimaschutz engagieren dürfen.

AfD: Im liberal-konservativen Vorgarten

Niemand will mit der AfD in eine Regierungskoalition, deshalb werden ihre Vorstellungen für die künftige Regierungspolitik nur mittelbar eine Rolle spielen. Die AfD präsentiert sich als eine Steuersenkungspartei und bedrängt den Wirtschaftsflügel in der CDU/CSU und bei den Liberalen von rechts. Klimaschutz hält die AfD nicht für notwendig, sondern bezeichnet diese Politik als schädlich für die Wirtschaft.

Wörtlich steht im Programm: "Politisch initiierte Umbrüche wie die 'Klimarettung' fordern enorme Investitionen und Umstrukturierungen und treffen manche Branchen brachial." Deshalb will die AfD den Staat eher schwächen. "Wir wollen die Wirtschaft von politisch herbeigeführten Belastungen komplett befreien. Dafür wollen wir, wo nötig, auch die Rechtslage anpassen", heißt es. Was konkret damit gemeint ist, bleibt aber offen.

FDP: Der Investitionspakt

Im FDP-Programm ist die Rede davon, dass die Wirtschaft "entfesselt" werden soll. Gerade nach den Einschnitten in der Corona-Krise müsse jetzt die Konjunktur angekurbelt werden. Die Liberalen wollen die Gewerbesteuer ganz abschaffen und die Unternehmenssteuerlast insgesamt auf 25 Prozent senken (das wären etwa fünf Prozent weniger als bisher). Als weiteres Instrument schlägt die FDP einen Investitionspakt mit der Wirtschaft vor. Für jeden Euro Entlastung sollen die Unternehmen zwei Euro investieren. Die FDP erhofft sich davon zusätzliche Investitionen von 120 Milliarden pro Jahr.

Beim Klimaschutz will die FDP der Wirtschaft keine Gesetze vorschreiben. Stattdessen setzen die Liberalen auf marktwirtschaftliche Instrumente. So soll der EU-Emissionshandel schnellstmöglich auf alle Sektoren ausgeweitet werden. Klimafreundliche synthetische Kraftstoffe für herkömmliche Verbrennungsmotoren sollen zugelassen werden.

Die Bürger sollen vom Staat eine Klimadividende erhalten. Das ist eine Art sozialer Ausgleich, wenn der CO2-Preis rasch steigt. Zudem soll die Energiebesteuerung drastisch sinken. Dazu soll die EEG-Umlage gestrichen sowie die Stromsteuer auf den niedrigsten nach EU-Recht möglichen Satz gesenkt werden. In einem zweiten Schritt soll auch diese Steuer wegfallen.

Die Linke: Ran an die Reichen

Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik könnten die Linken mitregieren, trotz ihrer miserablen Umfragewerte. Wenn es nach der Wahl eine Chance für ein grün-rot-rotes Bündnis gäbe, würde wohl zumindest sondiert. Die wirtschafts- und finanzpolitischen Vorstellungen der Linken lassen sich so zusammenfassen: Mehr Umverteilung zugunsten der Geringverdiener, weg mit der Schuldenbremse, rauf mit der steuerlichen Belastung der Gutverdiener.

Konkret schlägt die Linkspartei eine Vermögensabgabe vor, die auf Nettovermögen von über zwei Millionen Euro erhoben werden soll. Die Abgabe soll progressiv von 10 bis 30 Prozent gestaffelt werden und 20 Jahre lang über Raten abgezahlt werden. Das würde vor allem auch Unternehmen in Familienbesitz treffen.

Grüne: Der Ökopakt

Die Grünen setzen auf mehr Staat. In der Klima-, der Wirtschafts- und Finanzpolitik soll die künftige Bundesregierung durch Steuern und Abgaben stärker lenken als bisher. Die Vermögenssteuer wollen auch die Grünen wieder einführen. Geplant ist zudem ein sozialer Ausgleich für den Klimaschutz: Eine rasch steigende CO2-Steuer soll den Bürgern teilweise zurückerstattet werden, gleichzeitig aber auch den Umbau der Energieversorgung und der Industrie zu Klimaneutralität finanzieren. Weil die Grünen wissen, dass das nicht reichen wird, wollen auch sie die Schuldenbremse aus dem Grundgesetz entfernen.

Um Wohlstand zu sichern, schlagen die einen Pakt zwischen Industrie und Politik vor, in dessen Zentrum Klimaschutzverträge stehen. Dieser Industriepakt soll ein zentrales Element des Aufbruchs in eine sozial-ökologische Marktwirtschaft sein und die Kräfte des Marktes fördern. Die Idee: Der Ökopakt garantiert Unternehmen, die sich der klimaneutralen Produktion verschreiben, die notwendige Planungssicherheit für den Umbau.

Freie Wähler: Fleiß und gute Arbeit

Die Freien Wähler rechnen sich selbst große Chancen auf den Einzug in den Bundestag aus. Doch in den Umfragen stehen sie bisher chancenlos da. Im Punkt Wirtschaftspolitik geht es den Freien Wählern um "die Anerkennung für solide Wertschöpfung in der Gesellschaft", schreiben sie ins Programm. Und weiter: "Wer arbeitet, darf in Deutschland nicht der/die Dumme sein. Eine leistungs- und eigentumsfreundliche Steuerpolitik muss Fleiß und gute Arbeit belohnen und Eigentum stärken."

Konkret wollen die Freien Wähler traditionelle Handwerksbetriebe fördern etwa mithilfe von Zuschüssen. Gleichzeitig wollen sie unnötige Statistik-, Aufzeichnungs-, Dokumentations- und Meldepflichten reduzieren. So soll Bürokratie abgebaut und Innovation gefördert werden.

Das Fazit: Wahlprogramm ist kein Koalitionsvertrag

Die Bundestagswahl wird eine Wahl der wirtschaftspolitischen Lager. Das Ergebnis ist daher entscheidend, nach welchen politischen Rahmenbedingungen und Prinzipien Deutschlands Unternehmen künftig wirtschaften. Allerdings ist auch klar, dass ein Wahlprogramm ein Wahlprogramm ist - und noch lange kein Koalitionsvertrag.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!