Querdenker-Demo im Januar 2023 in Berlin
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Rechtspopulistisch bis rechtsextrem: Was bedeuten die Begriffe?

Die AfD erlebt einen Höhenflug – in bundesweiten Umfragen auf Platz zwei, in Sachsen-Anhalt stellt sie einen Bürgermeister und in Thüringen einen Landrat. Die anderen Parteien warnen: Die AfD sei rechtsextremistisch. Aber was bedeutet das genau?

Über dieses Thema berichtet: Politik und Hintergrund am .

"Die AfD ist eine rechtsextreme Partei, die das Land aus den Fugen bringen will". Das sagte SPD-Chef Lars Klingbeil jüngst der "Bild am Sonntag". Die Partei sei der politische Gegner für alle Demokraten. Klingbeils Äußerungen waren auch eine Reaktion auf die jüngsten Wahlerfolge der AfD: Im thüringischen Landkreis Sonneberg gewann die Partei eine Landratswahl, in Raguhn-Jeßnitz in Sachsen-Anhalt wurde ein AfD-Mann zum Bürgermeister gewählt.

Auch der Verfassungsschutz beschäftigt sich mit der Partei. Bundesweit stuft die Behörde sie als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein; der Landesverband in Thüringen, dem Björn Höcke vorsitzt, wird vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft.

CDU-Chef Friedrich Merz wiederum spricht im Zusammenhang mit der AfD häufig von einer rechtsradikalen Partei. Aus der Wissenschaft ist dagegen häufig die Zuschreibung rechtspopulistisch zu hören. Was bedeuten diese Begriffe und wie unterscheiden sie sich?

Was bedeutet rechtspopulistisch?

"Mit Rechtspopulismus meint man: Es gibt ein Volk, 'Wir hier unten', und ein Oben, das in der Regel als Establishment, als Regierung identifiziert wird", erklärt Wolfgang Schroeder, Professor für das Politische System der BRD und Staatlichkeit im Wandel an der Universität Kassel, im Gespräch mit BR24. Die Regierung sei in diesem Weltbild nicht in der Lage, zu verstehen, was das Volk will. Deswegen müsse sich das Volk in Bewegung setzen und 'die da oben' mit ihrem Willen konfrontieren.

Am Ende soll in diesem Weltbild zwar etwas anderes stehen als das, was jetzt existiert, aber, so Schroeder: "Der Populismus erkennt die bestehenden Verhältnisse an, ist immer bemüht, möglichst weitgehend die Grenze auszutarieren, bis zu der man gehen kann im Rahmen der Verfassung."

Was bedeutet rechtsradikal?

Rechtsradikalismus wiederum bedeute laut Schroeder zunächst nur, dass man "die bestehenden Verhältnisse radikal in Frage stellt". Das müsse im Gegensatz zum Rechtsextremismus aber nicht bedeuten, dass sich daraus Handlungen und Verhaltensweisen ergeben. "Es kann auch eine theoretische Position sein", erklärt Schroeder.

Was bedeutet rechtsextrem?

Eine rechtsextreme Bewegung unterscheidet sich zu einer rechtspopulistischen dahingehend, dass der "Wesenskern der Verfassungsfeindlichkeit verkörpert" werde. "Die Bedingungen der Demokratie als einer repräsentativen Demokratie werden nicht anerkannt", sagt Politikwissenschaftler Schroeder. Der Ansatz von Rechtsextremisten sei klar: "Es darf alles getan werden, um die bestehende Ordnung zu desavouieren, zu transformieren und damit ihre Illegitimität nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch zu vollenden." Und dies auch unter Anwendung von Gewalt.

Dazu kommen zwei entscheidende Begriffe - Nativismus und Autoritarismus: "Nativismus meint im Prinzip, dass die Zugehörigkeit zur Nation definiert ist durch die Herkunft. Und alle, die diese Herkunft nicht haben, sind nicht Teil dieser Nation und infolgedessen auch nicht erwünscht", so Schroeder.

Allerdings spiele dieser Ansatz sowohl im Rechtspopulismus als auch im Rechtsextremismus eine Rolle. "Der entscheidende Begriff ist der Nativismus, das Volk, die Zugehörigkeit. Und deshalb spielt ja auch sowohl in der rechtspopulistischen Variante wie in der rechtsextremen Variante die Zugehörigkeit so eine extrem bedeutende Rolle." Konkret werde das bei der Migration deutlich – dieses Thema eine die verschiedenen Arten, "weil sie da die meiste Stimmung, die meiste Effizienz in ihre Argumentation" herstellen könnten.

Autoritarismus ist der Gedanke, dass es "keine liberale, pluralistische Anerkennung unterschiedlicher Interessen und eines darauf aufbauenden Kompromisses im Sinne der Argumentation, im Sinne des Verfahrens, im Sinne des Ergebnisses gibt." Das Ergebnis sei gewissermaßen vordefiniert, von oben autoritär durchgesetzt und das im angeblichen Sinne des Volkes.

Ist die AfD eine rechtsextreme Partei?

"Wenn man die Programme der AfD nimmt, dann wird man nicht zu dem Ergebnis kommen können, dass es sich um eine rechtsextreme Partei handelt", sagt Schroeder. Nicht alle Punkte würden sich im Rahmen der Verfassung bewegen. Schroeder nennt als Beispiel Artikel 23 des Grundgesetzes, in dem die Europäische Union anerkannt und deren Gelingen als Staatsziel genannt wird. Im Großen und Ganzen allerdings würden in den AfD-Programmen die Bedingungen der repräsentativen Demokratie anerkannt. Doch der Professor für das Politische System der BRD ergänzt: "Wenn man sich einzelne Stellungnahmen, einzelne Reden von Politikern anschaut - was der Verfassungsschutz in sehr umfassender Weise getan hat - dann drängt sich durchaus ein anderes Urteil auf." Deswegen sei die Partei auch nicht mehr ein Prüffall, sondern ein Verdachtsfall.

"Man muss unterscheiden zwischen der Papierlage, wie sie in offiziellen Dokumenten ist", sagt Schroeder. "Im realen konkreten Vorgehen haben wir viele Momente, die auf Nativismus und Autoritarismus hindeuten, wo Verfassungsposition - insbesondere Artikel eins, die Menschenwürde - nicht in der Form gewürdigt und gefördert werden."

Könnte die AfD also verboten werden?

Das Deutsche Institut für Menschenrechte schrieb zuletzt in einer Analyse, dass die Voraussetzungen für ein Verbot der AfD erfüllt seien. Das Institut, das den gesetzlichen Auftrag zur Prävention von Menschenrechtsverletzungen hat, schreibt in der Analyse: "Im Fall der AfD, die das Ziel verfolgt, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen, liegen die Voraussetzungen für ein Verbot vor." Die AfD habe in ihrer Programmatik als Gesamtpartei eine rassistische, national-völkische Ausrichtung fest verankert, heißt es dort weiter.

Wolfgang Schroeder spricht in diesem Zusammenhang von einem "schwierigen Vorgang". Das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Landesverfassungsschutz-Ämter beobachten die AfD. "Wenn sich hier weitere Befunde erhärten, in dem Sinne, dass die grundlegenden Positionen der Verfassungsmäßigkeit nicht gegeben sind, dann wird man am Ende nicht darum herumkommen, ein Verbotsverfahren anzustrengen", so Schroeder.

Man müsse sich aber nach den Erfahrungen des NPD-Verbotsverfahrens Rechenschaft ablegen, wie das Ganze angegangen werden könne, und was für unerwünschte Folgen so ein Verfahren haben kann. "Wir haben auch erlebt, dass die Hochstufung zum Verdachtsfall bei der AfD nicht unbedingt dazu geführt hat, dass die Partei an Attraktivität verloren hat."

Die hier erhoffte Abschreckungswirkung sei bisher nicht eingetreten, sagt Schroeder. Was nach Ansicht von Beobachtern auch daran liegt, dass die AfD vielfach als 'normale' Partei angesehen wird. Ihre rechtsextreme Ausrichtung schreckt die Wählerinnen und Wähler häufig nicht mehr ab. Gerade in Ostdeutschland sei dieser Normalisierungsprozess weitgehend abgeschlossen, sagt zum Beispiel der Rechtsextremismus-Forscher David Begrich vom Verein miteinander e.V.

Der Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder betont darüber hinaus: "Die Verfassung dieser Bundesrepublik Deutschland, dieser wehrhaften Demokratie, muss daran interessiert sein, wo nachweislich Gefährdungen der Demokratie vorliegen, dass diese entsprechend überprüft und bei Vorlage entsprechender Verhaltensweisen auch sanktioniert werden kann."

"Demokratie zurückholen": Wo stehen Aiwangers Äußerungen?

Bisweilen wird auch Politikern anderer Parteien vorgeworfen, sich bei der Sprache von Populisten zu bedienen. Vor knapp vier Wochen hatte Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger bundesweit für laute Kritik gesorgt. Er hatte auf einer Demo gegen das Heizungsgesetz gesagt, "dass der Punkt erreicht ist, wo endlich die schweigende große Mehrheit dieses Landes sich die Demokratie wieder zurückholen müsse."

Von den Grünen hieß es anschließend, dass seine Rhetorik kaum noch von der von Rechtsextremisten zu unterscheiden sei. Für Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann hat Aiwanger "jeglichen Anstand unter Demokraten mit Füssen getreten". Sein FDP-Kollege Martin Hagen sah ein "ganz erschreckendes Demokratieverständnis". Auch Staatskanzleichef Florian Herrmann fand deutliche Worte: "Populismus am rechten Rand ist brandgefährlich und gefährdet unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt."

Prof. Wolfgang Schroeder sieht bei Aiwanger einen "Populismus des Stils", aber rechtsextreme Position solle man daraus nicht ableiten. Gleichwohl seien solche Äußerungen geeignet, die bestehende Abwehrhaltung gegenüber der Demokratie und ihren Verfahren zu befördern. "Damit praktizieren solche Politiker die Unterstützung rechtspopulistischer, rechtsradikaler, rechtsextremer Positionen und Parteien", sagt Schroeder und kommt zu dem Ergebnis: "Das Vorgehen von Aiwanger ist unbedingt zu verurteilen."

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