Thomas Haldenwang und Nancy Faeser präsentieren den Verfassungsschutzbericht 2022
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Thomas Haldenwang und Nancy Faeser präsentieren den Verfassungsschutzbericht 2022

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Verfassungsschutz meldet Höchststand bei Extremismus-Straftaten

Der Verfassungsschutz stellt im aktuellen Jahresbericht einen Höchststand bei den extremistischen Straftaten fest. Teile der AfD seien "stark von Moskau beeinflusst", so Behördenchef Haldenwang, von China und Russland gehe hohe Spionagegefahr aus.

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Das Bundesamt für Verfassungschutz stellt aktuell ein Anwachsen der extremistischen Gruppierungen sowohl aus dem rechten als auch dem linken Spektrum fest. Dabei sei auch eine starke Neigung zu Gewalttätigkeit zu beobachten, erklärten Behördenchef Thomas Haldenwang und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bei der Vorstellung des Verfassungschutzberichts 2022.

Insgesamt werden für das vergangene Jahr in dem Bericht insgesamt 35.452 Straftaten mit extremistischem Hintergrund ausgewiesen – ein absoluter Höchststand. Davon waren 2.847 Gewalttaten.

Rechtsextreme Szene wächst

Laut dem Bericht stieg die Zahl der Menschen, die dem rechtsextremistischen Spektrum zugeordnet werden, 2022 im Vergleich zum Vorjahr um etwa 5.000 auf 38.800 an.

Einer der Gründe für diese starke Zunahme ist, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz erstmals Angehörige der AfD zu diesem Spektrum rechnet: Sie wird inzwischen als "Verdachtsfall" beobachtet. Diese Einstufung hatte das Kölner Verwaltungsgericht im März 2022 bestätigt. Die AfD legte Berufung ein. Das Verfahren ist nicht abgeschlossen.

Teile der AfD "stark von Moskau beeinflusst"

Es gebe "hinreichend große Bestrebungen in der Partei, die sich gegen die freiheitliche Grundordnung richten", sagte Verfrassungsschutz-Präsident Haldenwang. So sei zu beobachten, "dass Teile der AfD sehr stark von Moskau beeinflusst sind und russische Narrative verbreiten", erklärte er mit Blick auf den Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Angesichts der "weiterhin bestehenden inhaltlichen Heterogenität innerhalb der Partei" könnten aber "nicht alle Parteimitglieder als Anhänger der extremistischen Strömungen betrachtet werden", heißt es im Verfassungschutzbericht. Das Bundesamt schätzt, dass 10.200 Mitglieder der AfD und ihrer Parteijugend (Junge Alternative) diesen Strömungen zuzurechnen sind.

"Mischszenen" mit verschwommener Ideologie wachsen

Verkompliziert wird die Bewertung extremistischer Bestrebungen auch durch Gruppierungen, die nicht eindeutig einem Spektrum zuzuordnen sind. "Wir stellen fest, dass Grenzen innerhalb von Phänomenbereichen verschwimmen und sich Mischszenen bilden", teilte Haldenwang mit. Viele Akteure seien inzwischen "weniger ideologisch festgelegt" und bastelten sich ihr Weltbild "nach einem Baukastenprinzip mit Versatzstücken aus dem Internet zusammen". Auch die Bundesinnenministerin konstatierte, dass "sich Ideologien zunehmend vermischen".

Faeser sieht Rechtsextremismus als größte Bedrohung

Der Rechtsextremismus sei aber weiterhin die größte extremistische Bedrohung für die demokratische Grundordnung, sagte Nancy Faeser. Gefährlich seien dabei nicht nur gewaltorientierte Rechtsextremisten, sondern auch "geistige Brandstifter", erklärte sie.

Die Zahl gewaltorientierter Rechtsextremisten liegt nach Einschätzung des Verfassungsschutzes bei 14.000. Auch hier beobachtet die Behörde damit einen Anstieg. Erhöht hat sich dem Bericht zufolge im vergangenen Jahr auch die Zahl rechtsextrem motivierter Straf- und Gewalttaten - auf rund 21.000.

Mehr als jeder vierte Linksextremist gilt als gewaltorientiert

Das linksextremistische Potenzial stieg laut Verfassungsschutz im vergangenen Jahr um 5,2 Prozent auf 36.500 Personen an. 10.800 davon, und damit mehr als jeder vierte Linksextremist, werden als gewaltorientiert angesehen, Thomas Haldenwang

Die Zahl linksextremistisch motivierter Straftaten sank 2022 zwar um rund 37 Prozent, dennoch, so Faeser, seien "auch im Bereich des Linksextremismus die Hemmschwellen gesunken, politische Gegner, aber auch die Polizei mit großer Brutalität anzugreifen". Deshalb handele man auch hier "entschieden".

Weiter hohe Bedrohung durch Islamisten

Haldenwang berichtete weiter, die Bedrohung durch islamistischen Terrorismus sei nach wie vor hoch, auch wenn sich im Vergleich zum Vorjahr das einschlägige Personenpotenzial leicht reduziert habe auf 27.480. Die salafistische Szene zeige sich nach der Pandemie wieder aktiver. Insbesondere auch der Identifizierung sowie Aufklärung von Finanzaktivitäten islamistischer sowie extremistischer Einzelpersonen und Organisationen komme eine besondere Bedeutung zu.

Faeser wies darauf hin, dass die Sicherheitsbehörden in diesem Jahr bereits zwei mögliche islamistische Anschläge in Castrop-Rauxel und in Hamburg verhindert hätten.

China Hauptakteur bei Wirtschaftsspionage

Eine dringende Warnung enthält der Bericht zu China. Der Verfassungsschutz hält die Volksrepublik derzeit für "die größte Bedrohung in Bezug auf Wirtschafts- und Wissenschaftsspionage sowie ausländische Direktinvestitionen in Deutschland". Neben Russland, dem Iran und der Türkei sei China einer der vier "Hauptakteure" von gegen Deutschland gerichteter Spionage.

In Deutschland nutze China für die Umsetzung seiner ambitionierten Industriepolitik "Spionage in Wirtschaft und Wissenschaft". Auch "Erkenntnisse zu Struktur, Bewaffnung und Ausbildung der Bundeswehr" stünden "auf der Agenda chinesischer Dienste, ebenso wie die Beschaffung moderner Waffentechnik aus der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie". Mutmaßlich staatliche oder staatlich gesteuerte chinesische Akteure hätten 2022 gezielt Cyberangriffe auf Unternehmen, Behörden und Privatpersonen sowie auch gegen politische Institutionen" verübt, heißt es in dem Bericht.

"Aggressivere Spionageoperationen Russlands" erwartet

Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs rechnet der Verfassungsschutz auch mit "aggressiveren Spionageoperationen Russlands" in Deutschland. Im vergangenen Jahr habe der russische Angriffskrieg die Arbeit der deutschen Spionageabwehr bestimmt, erklärte die Behörde.

Angesichts der Sanktionen gegen Russland und der Unterstützung der Ukraine durch Deutschland hätten russische Nachrichtendienste ein erhöhtes Aufklärungsinteresse, heißt es im Jahresbericht. Künftig sei vermehrt auch mit "von Russland ausgehenden Aktivitäten im Cyberraum zu rechnen". Die bisher beobachteten Cyberangriffe seien "regelmäßig auf Informationsbeschaffung ausgerichtet, können aber auch Sabotage zum Ziel haben oder dem Zweck der Einflussnahme dienen".

Mit Informationen von dpa und AFP

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