Der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Krüger, warnt vor einer falschen Einschätzung von Wahlerfolgen der AfD.
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Der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Krüger, warnt vor einer falschen Einschätzung von Wahlerfolgen der AfD.

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Bundeszentrale für politische Bildung: AfD-Wahl ist kein Protest

Der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, warnt davor, die Wahl der AfD als Protest zu begreifen. Man dürfe das Problem auch nicht als ostdeutsch abtun. Wähler wollten genau diese Partei.

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In den vergangenen Wochen hat die AfD in einigen Umfragen Rekordwerte erreicht. Der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, warnt nun vor einer falschen Einschätzung der Lage.

AfD als "erfolgreiches Radikalisierungskollektiv"

Die hohen Zustimmungswerte ließen sich nicht als bloßes ostdeutsches Phänomen erklären, sagte der Behördenchef. Nach seiner Einschätzung verbirgt sich hinter dem Etikett "typisch ostdeutsch" eher "der Versuch der Nicht-Ostdeutschen, das Phänomen zu erklären".

"Ich warne davor, die Wahl der AfD noch als Protest zu begreifen", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Die Wählerinnen und Wähler wollen diese Partei. Darin besteht der Ernst der Lage." In Teilen der Gesellschaft hätten sich bestimmte Positionen etabliert, die nicht hinnehmbar und mit demokratischen Prinzipien unvereinbar seien. Die AfD sei "ein erfolgreiches Radikalisierungskollektiv", so Krüger.

Partei spekuliert auf nächsten Amtssitz

Am vergangenen Wochenende war der AfD-Kandidat Robert Sesselmann im Landkreis Sonneberg zum ersten AfD-Landrat Deutschlands gewählt worden, was bei vielen Politikern anderer Parteien für Entsetzen sorgte. Die Thüringer AfD wird vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft und beobachtet.

Nach ihrem Erfolg in Sonneberg will die AfD nun in Sachsen-Anhalt den ersten Bürgermeister des Landes stellen. Am heutigen Sonntag tritt bei einer Stichwahl der Landtagsabgeordnete Hannes Loth in Raguhn-Jeßnitz (Landkreis Anhalt-Bitterfeld) gegen den parteilosen Bewerber Nils Naumann an. Im ersten Durchgang hat Loth 40,7 Prozent der Stimmen geholt, Naumann kam auf 36,9 Prozent. Der Abstand lag bei weniger als 200 Stimmen. Rund 7.800 Menschen sind wahlberechtigt.

Klingbeil will mehr Bürgernähe

SPD-Chef Lars Klingbeil sieht mehr Bürgernähe in der Politik als ein Mittel gegen den Erfolg der AfD. "Ich glaube, wir brauchen drei Dinge. Erstens: gute Politik, die die Alltagsprobleme der Menschen anpackt." Die Themen seien Löhne, Wohnen, Rente und bezahlbare Energie, sagte er der "Bild am Sonntag". "Zweitens: einen politischen Stil, der den Leuten nicht erklärt, wie sie sein sollen, sondern ernst nimmt, was sie umtreibt. Und drittens: öfter mal raus aus Berlin und mit den Menschen im ganzen Land reden. Wir dürfen nicht "die da in Berlin" sein."

Die AfD sei eine rechtsextreme Partei, die das Land aus den Fugen bringen und die Gesellschaft spalten wolle, sagte Klingbeil. "Sie ist der politische Gegner für alle Demokraten."

Rechtsextremismus-Experte warnt Demokraten vor zu viel Streit

Der Rechtsextremismus-Experte Martin Becher macht für das starke Abschneiden extrem rechter Parteien wie der AfD auch den teils respektlosen Umgang der demokratischen Parteien untereinander verantwortlich. So hätten etwa die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP, aber auch CDU/CSU, "bisher nicht auf dem Schirm, dass ihre öffentlichen Streitereien noch nicht einmal Nullsummenspiele sind", erläuterte der Geschäftsführer des "Bayerischen Bündnisses für Toleranz - Demokratie und Menschenwürde schützen". Die demokratischen Parteien nähmen sich nicht in erster Linie gegenseitig Stimmenanteile ab, sondern trieben die Wähler ins nicht-demokratische Spektrum.

Natürlich gehörten Streit und inhaltliche Auseinandersetzungen zum politischen Tagesgeschäft - aber für zahlreiche Menschen seien solche Debatten offenbar zu viel. "Letztlich dreht sich für viele Menschen fast alles um ihren eigenen Mikrokosmos und um ihre eigenen Gefühlslagen." Hier komme man mit rationalen Argumenten nicht weiter.

Mehr Verständnis für AfD-Wähler zielführend?

Kontraproduktiv sei es, wenn nun Politiker wie nach der Wahl des ersten AfD-Landrats vor wenigen Tagen im thüringischen Sonnenberg fordern, mehr Verständnis für die Probleme der AfD-Wählerinnen und -Wähler zu zeigen. Solche Aussagen bedeuteten unter dem Strich doch nichts anderes als: "Wenn ihr Aufmerksamkeit haben wollt, dann wählt rechte Parteien", sagte Becher. Dabei sei die wirtschaftliche und soziale Lage beispielsweise in vielen ostdeutschen Städten wesentlich besser als etwa in Ballungsgebieten in Nordrhein-Westfalen.

Allem Zulauf zu rechten Parteien und extrem rechten Gruppen zum Trotz hält Becher die Demokratie in Deutschland für gefestigt. Die große Mehrheit der Bevölkerung sei nach wie vor bereit, die demokratischen Werte "gegen Angriffe von innen und außen zu verteidigen".

Video: Politologe Vorländer zum AfD-Erfolg bei Landratswahl

Gespräch mit Politikwissenschaftler Prof. Hans Vorländer zum AfD-Erfolg bei Landratswahl
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Gespräch mit Politikwissenschaftler Prof. Hans Vorländer zum AfD-Erfolg bei Landratswahl

Mit Informationen von dpa, Reuters und EPD

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