Beim Tag der Bundeswehr laufen zwei Soldaten mit schusssicheren Westen über das Gelände eines bayerischen Fliegerhorstes.
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Beim Tag der Bundeswehr laufen zwei Soldaten mit schusssicheren Westen über das Gelände eines bayerischen Fliegerhorstes.

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Pistorius: Wehrpflicht keine schnelle Lösung für Personalsorgen

Ukraine-Krieg, Sondervermögen und Personalnot: Beim heutigen deutschlandweiten Tag der Bundeswehr konnten Zuschauer an zehn Standorten einen Blick hinter die Kulissen des Heeres werfen. Es ging aber auch um Probleme und Herausforderungen der Truppe.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Ganz nah ran, an einen der modernsten Kampfpanzer, die derzeit auf der Welt im Einsatz sind: Beim Tag der Bundeswehr in Veitshöchheim ließ sich die dortige Panzerdivision von rund 17.000 Gästen über die Schulter schauen - zum ersten Mal seit Ausbruch der Corona-Pandemie, und seit einigen wesentlichen Veränderungen für die Truppe. Der Ukraine-Krieg, das Bundeswehr-Sondervermögen und nicht zuletzt ein Personalwechsel an oberster Stelle - das deutsche Militär befindet sich im Wandel.

Warum es den Tag des Bundeswehr gibt

Für die Soldatinnen und Soldaten in der Balthasar-Neumann-Kaserne in Veitshöchheim hat sich der Alltag nicht grundlegend verändert. "Wir sind für zwei Dinge da: Wir sind da, um unseren Frieden und Freiheit zu erhalten und das im Zweifel auch zu verteidigen", erklärt Ruprecht von Butler. Er ist Kommandeur der 10. Panzerdivision in Veitshöchheim. Beim Tag der Bundeswehr gehe es darum, der Bevölkerung zu zeigen, was das Heer kann - schließlich werde es von dieser bezahlt, so von Butler.

Die Fähigkeit der Bundeswehr, beispielsweise als Kriseninterventionsarmee im Ausland, werde allerdings immer weniger wahrgenommen. Das beobachtet Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD): "Gleichzeitig ist durch die Aussetzung der Wehrpflicht die Verbindung in Teile der Gesellschaft abgebrochen. Früher sagte man, an jedem zweiten Küchentisch saß ein Wehrpflichtiger. Das heißt, die Verbindung in die Familien und damit in die Gesellschaft war da."

Bundesverteidigungsminister: Wehrpflicht würde nicht helfen

Dass diese Verbindung fehlt, sei mit ein Grund für die Personalnot bei der Truppe. "Die Herausforderung besteht darin, in kleiner werdenden Jahrgängen von jungen Menschen die Attraktivität so darzustellen, dass alle verstehen: Diese Bundeswehr ist ein großartiger Arbeitgeber", sagte Pistorius. Die Zahl der Menschen, die für die Bundeswehr gewonnen werden müssten, sei groß, so der Minister.

Eine Wiedereinführung der Wehrpflicht sieht der Bundesverteidigungsminister allerdings nicht als geeignete Lösung für die Personalsorgen in den nächsten Jahren. Eine Wehrpflicht würde nicht schnell genug helfen, zumal diese Kraft, Zeit und Geld binden würde, "was wir alles drei gerade nicht haben", so der SPD-Politiker am Samstag beim Tag der Bundeswehr im niedersächsischen Bückeburg.

Sondervermögen allein nicht entscheidend

Denn auch das 2022 beschlossene Sondervermögen für die Bundeswehr mindert die Personal- und Materialherausforderungen der Truppe erst einmal nicht, sagte Bundeswehrverbandschef Andrè Wüstner im BR24-Interview. Zwar würden beispielsweise für die Truppenausrüstung erste Verträge geschlossen und Auslieferungen erfolgen, doch: "Entscheidend wird aber weniger das Sondervermögen sein, sondern ob der Verteidigungsetat aufwächst." In diesem Etat müssten die steigenden Betriebskosten wie zusätzliches Personal, Infrastruktur oder Strom abgebildet werden - während das Sondervermögen eigentlich für Großprojekte gedacht sei. Sollte dies nicht gelingen, besteht laut Wüstner die Gefahr, "dass die Zeitenwende im Militärischen verhungert".

Kulturwende in der Bundeswehr

Insgesamt bescheinigt der Verbandschef dem Verteidigungsminister bisher eine erfolgreiche Amtszeit, denn diesem sei es gelungen, eine "Kulturwende" einzuläuten. Pistorius habe das Beschaffungswesen reformiert, sodass es dezentraler und unabhängiger vom Ministerium funktioniere. Damit könne nun freier entschieden werden, daran müssten sich die Truppenangehörigen erst einmal gewöhnen. Das Image der Bundeswehr bewertet der Vorsitzende des Berufsverbands positiv, dazu beigetragen hätten zuletzt auch die gelungene Evakuierungsmission im Sudan und das laufende Luftwaffenmanöver "Air Defender". Zudem würden Nato und Ukraine die deutsche Militär- und Ausbildungshilfe anerkennen.

Bundeswehr und Nato

Für den Nato-Bündnisfall stehen sie künftig auch in Veitshöchheim bereit, zumindest ist das in der Theorie der Plan für die kommenden zwei Jahre. Bis 2025 will die 10. Panzerdivision als erste Heeresdivision in Deutschland "kaltstartfähig" sein, das bedeutet: Voll ausgestattet und einsatzbereit für die Verteidigung. "Das ist dann ein Großverband, da reden wir über 20.000 Soldatinnen und Soldaten. Wir machen das nicht alleine, wir machen das im Verbund", erklärt Kommandeur Ruprecht von Butler.

Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, bekommt die Streitkraft auch Material aus den anderen Großverbänden zur Verfügung gestellt. Würde tatsächlich der Bündnisfall eintreten, soll die Division dann kurzfristig – und kampfbereit – zur Stelle sein, um gemeinsam die NATO-Grenzen zu verteidigen.

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